Uwe Boll kann keine guten Filme machen. So jedenfalls die weit verbreitete Meinung unter Kritikern und einer Mehrheit des Publikums. Besonders die Gamer nehmen Boll die Verhunzung ihrer Lieblingsspiele („Alone in the dark", „Far Cry") noch immer übel. Mit seinen aktuellen Werken, „Rampage" und „Darfur", sorgt Boll nun allerdings für eine kleine Überraschung: Beide Filme weisen tatsächlich – jeder auf seine Art – einige Qualitäten auf. Wirklich gut sind sie zwar nicht, aber es lässt sich ohne Zweifel eine Tendenz zum Besseren ausmachen. Gekränkte Cineasten, die Bolls bisherige Filme durchweg als ästhetische Beleidigung aufgefasst haben, werden ihm aber wohl trotzdem nicht so schnell verzeihen.
Bill (Brendan Fletcher) verdient seinen Lebensunterhalt in einer Kfz-Werkstatt und lebt mit Anfang 20 noch bei seinen Eltern (Matt Frewer, Lynda Boyd). Diese hätten gerne, dass ihr Sohn endlich auszieht und seine Zeit nicht als Schrauber vertrödelt, sondern etwas Vernünftiges mit seinem Leben anfängt. Was wirklich in Bill vorgeht, ahnen sie nicht. Genauso wenig dessen Freund Evan (Shaun Sipos). Äußerlich ruhig und ausgeglichen, ist Bill innerlich angewidert von dem Zustand der Welt - der Überbevölkerung, der Umweltzerstörung, der Konsumgesellschaft... Heimlich und von langer Hand plant Bill einen Rachefeldzug gegen alles, was er hasst. Er besorgt sich Waffen, Sprengstoff und bastelt sich in seinem Keller einen schwarzen Kevlar-Kampfanzug...
„Rampage" ist kein guter Film. Das verhindern verschiedenen Boll-typische Unzulänglichkeiten: handwerkliche Mängel, liebloser Aufbau, sein fehlendes Gespür für Stimmungen und Dramaturgie. Allerdings kommt man nicht umhin, auch einige Aspekte hervorzuheben, die wider Erwarten überzeugen. Etwa die Art der Annäherung an das Amokthema: In seiner Ästhetik wirkt „Rampage" wie ein B-Movie aus den Zeiten des Kalten Krieges, nur dass an die Stelle eines bis an die Zähne bewaffneten Amerikaners, der kommunistische Soldaten niedermäht, ein Amokläufer tritt, der ebenfalls mit roher Gewalt für seine (Anti-)Werte eintritt. Die Gründe für das Gemetzel - Bill spricht immer wieder direkt in die Kamera und erklärt seine Motive – bleiben fragmentarisch und sind als Gesellschaftskritik kaum ernst zu nehmen. Als Variation des klassischen Actionfilms, bei dem der „Böse" an die Stelle des Helden tritt, liefert „Rampage" aber eine markante Perspektive.
Zudem entpuppt sich „Rampage" als wilder Zitatenritt. Nach einem gemäßigten Beginn entwickelt sich der Film zu einem Gewalttrip quer durch die Filmgeschichte. Von den Schmocko-Vorbildern der späten 80er / frühen 90er Jahre (vor allem: „Interceptor" von Michael Cohn) bis hin zu aktuelleren Filmen wie Gus Van Sants Cannes-Abräumer „Elephant" finden sich immer wieder kleine Verweise. Diese Referenzen offenbaren – auch wenn sie scheinbar willkürlich und ohne rechtes Konzept eingestreut sind - durchaus einen gewissen Unterhaltungswert.
Auch handwerklich lassen sich im Vergleich mit anderen Boll-Werken leichte Verbesserungen ausmachen. Schließlich passt hier Bolls typische Form endlich einmal zum Inhalt. Kameramann Mathias Neumann („Postal") hat die Shaky-Cam für sich entdeckt. Mitunter nervt das Gewackel ziemlich, an anderer Stelle erzielt er damit aber auch gute Ergebnisse. So passt der Wackelstil zu dem Adrenalinrausch, den Bill während des Amoklaufs durchlebt. Auch Thomas Sabinskys Schnitt und die Filmmusik von Boll-Stammkomponistin Jessica de Rooij sind ordentlich geraten.
All diese positiven Worte müssen natürlich im richtigen Verhältnis gesehen werden. Es handelt sich auch bei „Rampage" um einen schnell produzierten Film von Uwe Boll, dem aktuelle und provokante Themen wichtiger sind als eine gewissenhafte Ausarbeitung. Die meisten seiner Filme wirken deshalb seelenlos. Dies gilt zum Teil auch für „Rampage". Nichtsdestotrotz sind Boll diesmal einige gute Szenen gelungen, zum Beispiel wenn Bill seinen Kampfanzug zum ersten Mal überstreift und damit zunächst völlig unbeholfen durch sein Kinderzimmer wankt. Oder er während seines Amoklaufs schwerbewaffnet in einem Bingosalon Halt macht.
Fazit: „Rampage" ist nicht einmal ein durchschnittlicher Film. Aber verglichen mit den früheren Filmen des Regisseurs lässt sich durchaus eine positive Entwicklung feststellen: Handwerklich für das Genre ausreichend, akzeptabel gespielt und mit ein bis zwei guten Momenten stellt „Rampage" – zumindest im Oeuvre Uwe Bolls - ein echtes Highlight dar.
Anmerkung zur deutschen Kinofassung: Die FSK hat Uwe Boll nicht nur dazu gezwungen, einige besonders brutale Szenen herauszuschneiden, auch sind Bills Erläuterungen seiner menschenverachtenden Tatmotive gekürzt und Boll musste vor dem Abspann noch einen Text einblenden, der das Ende der ursprünglichen Fassung ad absurdum führt.