Regisseur Tony Gilroy, so darf man ihn bei diesem Sequel nennen, hat ja anscheinend einen sturren Kopf. Er verprellt das Erfolgsgespann Greengrass/ Damon und macht seinem Ärger nochmals Luft, in dem er den Vorgänger als Verbrechen gegen die Göttlichkeit des Geschichtenerzählens anprangert. Nun, was Gilroy in "Das Bourne Vermächtnis" abliefert, stellt die Geschichte tatsächlich dermaßen in der Vordergrund, dass alles andere verfliegt. Leider auch die Zeit für Actionsequenzen.
Mit fast völlig überarbeitetem Cast knüpft Tony Gilroy an das Fundament der Vorgänger an, was ihm als gelernten Drehbuchautor auch nicht schwer fällt. Vom Storytelling schafft er es für, wohlgemerkt Filmkenner, die Geschichte seines Films parallel zum "Bourne Ultimatum" ablaufen zu lassen und weitere Facetten zusätzlich zu seinem Eigenwerk gekonnt zu ergänzen. Das Ganze fordert neben Sitzfleisch, der übrigens erste Bourne über zwei Stunden, auch Geduld und Aufmerksamkeit. Die eingestreuten Querverweise auf die Vorgänger strecken das Gesamtkonzept allerdings gewaltig und es schleichen sich einige Längen ein. Sowieso macht sich der Regiewechsel in seiner Inszenierung deutlich bemerkbar. Zu Beginn setzt Gilroy eher auf Atmosphäre und strukturierte Handlung. Bestes Beispiel: Im Haus von Matha Shearing klingelt es, und sie bewegt sich in Erzählzeit und ohne Kürzung zur Tür. Vor allem im Vergleich zum "Bourne Ultimatum", der sich durch Adrenalin und schnellen Orts- und Tempowechsel ausgezeichnet hat, verändert sich der Film drastisch und das dürfte vielen Fans sauer aufstoßen. Actionsequenzen sind dagegen auch eher rar gesetzt, dann bleibt Protagonist Aaron Cross seinem Vorbild Jason Bourne aber treu, er handhabt Waffen ebenso souverän wie technische Hilfsmittel und gezielte Handgreiflichkeiten. Dass sich Gilroy ein wenig zu sehr in die Geschichte vertieft hat, merkt er am Ende aber anscheinend selber, folgt dann nämlich eine Verfolgungsjagd a la Bourne mit allem was dazu gehört, allerdings so abrupt und lang, das es beinah schon deplaziert wirkt. All diese Faktoren lassen zu dem Schluss kommen, dass man sich eher um einen eigenständigeren Film mit Bourne – Anleihen bemüht hat und dieser Teil wurde für Interessierte in Sachen Geheimdienste und dramatischen Verschwörungstheorien auch zur Zufriedenstellung gewährleistet, aber auch eben nicht wirklich mit größter Raffinesse. Somit wird der Film vermutlich jegliche Zielgruppen verfehlen, was sich Gilroy aber selbst zuzuschreiben hat.
Der Cast ist mit Hollywood – Größen geschmückt. Jeremy Renner als Bourne – Nachfolger hat natürlich nun mehr Zeit seiner Rolle Charakter zu verleihen als seine seltenen Actioneinlagen zu demonstrieren. Aaron Cross wirkt erstaunlich launig und viel ironischer als Damon's Bourne. Er wirkt grundsympathisch und hilfsbereit gegenüber Doktorin Matha Shearing, die von Rachel Weisz verkörpert wird. Deren Rolle wirkt zu Beginn als "weiblicher Sidekick" beliebig, Weisz weiß jedoch mit ihrer Rolle umzugehen, holt das Maximale raus und komplettiert mit Renner ein gut aufgelegtes Paar. Edward Norton's Rolle ist in die internen Geheimdienstangelegenheiten eingebettet und hätte einer derarten Persönlichkeit nicht bedurft, er repräsentiert ganz einfach, ohne wahrlich aufzufallen, die intigren Behörden der amerikanischen Exekutive.
Fazit: Tony Gilroy's "Bourne Vermächtnis" ist ein eigenständiger Film mit dem Hauch des "Bourne Ultimatum" im Rücken. Gegen den genialen und temporeicheren Vorgänger kann er sich aber vor allem in puncto kompromissloser Action nicht behaupten. Was bleibt, ist ein Mittelstück, das zwar ein wenig auf der Stelle tritt, aber ergänzende Muster webt. Gilroy wird damit den ein oder anderen Ungeduldigen verprellen und die Fangemeinschaften, die die Bourne – Triologie schon als Klassiker ansehen, spalten. Gilroy kann und muss wahrscheinlich auch, mit Blick auf folgende Kritiken und Einspielergebnisse, seine Sache aber wieder gutmachen. Denn mit einem interessanten Schlusspunkt seines Films und der Option Damon's, er könne sich für einen weiteren Bourne begeistern, lassen sich viele Szenarien durchspielen, auch die: Renner und Damon im vereinten
Showdown, ein Erfolg in jeglicher Hinsicht.