Das war an zwei Fingern abzuzählen: Der überwältigende Box-Office-Erfolg von Avatar würde 3D-Trittbrettfahrer auf den Plan rufen. Nicht jeder hat dabei die Zeit und Ruhe eines James Cameron, seine Vision über Jahre auf diese Technologie hin zu konzipieren. Nach Alice im Wunderland folgt dem Welterfolg mit Louis Leterriers „Kampf der Titanen" bereits der zweite Film, dem der Tiefeneffekt erst in der Postproduktion eingewoben wurde. Und wenn künftige Projektnachbereitungen ebenso hastig und in der Konsequenz unfertig ausfallen, ist der 3D-Hype schneller vorbei, als die Studiobosse „Avatar" buchstabieren können. Das Remake des Ray-Harryhausen-Schinkens „Kampf der Titanen" ist zwar beeindruckend foto- und choreographiert, mit seinen kargen Landschaftsplateus und distanzlosen Kampfsequenzen aber nicht für eine wirkungsvolle Dreidimensionalität komponiert. Abseits dieses misslungenen Experiments macht Leterrier vieles richtig. Die comichafte Überzeichnung antiker Sagengestalten wird das Publikum zwar brutal spalten, der Mut zu derart hingebungsvoll trashigem Design jedoch verdient Achtung. Außerdem gelingt es dem französischen Regisseur und seinem Autorentrio ganz nebenbei, über Perseus' Familienwirren eine einfach gestrickte und doch bestechend klar formulierte Adoleszenz-Geschichte zu erzählen.
Als der Fischer Spyros (Pete Postlethwaite) einen Säugling aus den Wogen des Ozeans fischt, ahnt er nicht, wen er da vor sich hat. Herangewachsen führt auch Perseus (Sam Worthington) das Leben eines einfachen Mannes. Doch die Patchwork-Familie wird vom Unglück verfolgt und Spyros verflucht die Götter für ihre Willkür. Damit ist er nicht alleine - die Soldaten der freigeistigen Stadt Argos blasen zum Sturm gegen die Monumente ihrer olympischen Herren. Bis ein zorniger Hades (Ralph Fiennes) seinen Bruder Zeus (Liam Neeson) davon überzeugt, die Häretiker in die Schranken zu weisen. Spyros kommt beim ersten Vergeltungsschlag des Unterweltfürsten ums Leben und Perseus schwört Rache. Umso mehr verstört ihn die Eröffnung der Halbgöttin Io (Gemma Arterton), er sei der leibliche Sohn des Zeus. Bevor Argos seine Prinzessin opfern oder seiner Zerstörung durch den fürchterlichen Kraken harren muss, zieht Perseus mit Draco (Mads Mikkelsen) und dessen Eliteschar gegen die Götter aus. Auf ihrer gefährlichen Reise zur Lauer der Medusa, deren tödlicher Blick alleine den Kraken bezwingen kann, muss Perseus seine Identität zwischen Mann und Gott finden, um das Schicksal aller zu bestimmen...
Wie bereits das Original vor drei Jahrzehnten äußerst frei mit der Perseus-Sage umsprang, fühlt sich nun wiederum Leterrier nicht zur Vorlagentreue verpflichtet. Zwar sind die Episoden - der Besuch bei den stygischen Hexen, der Kampf mit dem verfluchten König Calibos, die Überfahrt in die Unterwelt - leicht variiert übernommen worden. Die Erzählung selber wurde neu aufgezogen. Nicht länger bildet Perseus' Abenteuer zur Rettung seiner Anvertrauten Andromeda (Alexa Davalos) das treibende Motiv des Films. Worthington zeigt einen verbitterten Mann, der die Götter so verabscheut, dass er sich von seiner olympischen Abstammung abwendet. Der Konflikt der Generationen zieht sich als roter Faden von der ersten Sequenz an durch „Kampf der Titanen", in der Io anhand einer Sternenbildcollage vom Putsch der Götter gegen ihre Titanen-Väter berichtet. Nun blüht dem Olymp das gleiche Unheil: Die Menschensöhne lehnen sich auf. Zwischen Zeus und Hades entbrennt ein Streit darüber, ob die Loyalität der Kinder eher durch Liebe oder Furcht zurückzugewinnen sei.
Perseus' Familienkonstellation bildet den Konflikt präzise ab. Die Einflüsse verschiedener Vaterfiguren duellieren sich um seine Identität und müssen entweder integriert oder überwunden werden, um Perseus zum Schicksalsbezwinger reifen zu lassen. Io hingegen repräsentiert zugleich Mutterfigur und Lustobjekt in nahezu freud'scher Konnotation. Eine körperliche Anspannung zwischen den beiden ist permanent spürbar, doch erfüllt sie ebenso die Rolle der Lehrerin und Wächterin. Dagegen kommt Andromeda nicht an - im Gegensatz zum Original taucht sie überhaupt nur peripher auf. Ebenfalls einen Gastauftritt hat Hephaoistos' Eulen-Roboter Bubo, der hier bewusst in einer Truhe liegen gelassen wird. Die bei Harryhausen noch brandaktuelle Krieg der Sterne-Anspielung auf Instant-Kultfigur R2-D2 hätte 2010 allzu anachronistisch gewirkt. Mit derartigen Gesten referiert Leterrier nicht nur auf das Original, er distanziert sich auch selbstbewusst davon.
Ob neben veralteten Popkultur-Verweisen nicht auch die alberne Überhöhung der Sagengestalten dem Zeitgeist zuwider läuft, ist eine streitwürdige Frage. Und eine, von der Leterrier sich gänzlich unbeeindruckt zeigt. Er weiß, dass er den Film mit Zeus' glitzerndem Harnisch, Lasttier-Skorpionen und vor allem dem absurd gigantomanischen Kraken allen Spöttern ausliefert. Da wird auch die dauernde Versicherung wenig bewirken, dass „Kampf der Titanen" nicht ernst zu nehmen sei. Für seine ungehemmte Konsequenz in puncto Trash-Design aber muss man den Mann respektieren. Nebenher gelingen dabei auch unheilschwanger-düstere Bilder, etwa der mit Passagier-Gold gefüllte Schiffsbauch von Charons deformierter Fähre. Als Action-Routinier konnte sich der Franzose bereits mit Transporter und Der unglaubliche Hulk etablieren. Seine Kampfsequenzen sind schnell, aber nicht unübersichtlich. Ob beim intimen Kampf oder der Schlacht gegen den Kraken, zu Land und in der Luft, der Verlauf der zahlreichen Action-Sequenzen bleibt stets nachvollziehbar.
Für sein mythisches Pulp-Theater konnte Leterrier einen namhaften Cast um sich scharen. Shooting-Star Sam Worthington kann hier endlich die Leading-Man-Präsenz entfalten, die ihm das Drehbuch von Terminator: Die Erlösung und gewissermaßen auch die CGI-Maske von „Avatar" noch abschnürten. Er ist kein glatter Held, sondern ein stures Kind im Körper eines raubeinigen Mannes, was ihn ungleich interessanter als Harry Hamlins harmloses 1981er Pendant macht. Bond-Fiesling Mads Mikkelsen (Casino Royale) ergänzt ihn stimmig als grimmiger Bad-Ass-Sidekick Draco. Gemma Arterton (Prince Of Persia – Der Sand der Zeit) schließlich verleiht ihrer Io eine mysteriös-attraktive Aura. Auf olympischer Seite dagegen wird haltlos chargiert. Die Charaktermimen Liam Neeson und Ralph Fiennes overacten sich als Göttergeschwister von Auftritt zu Auftitt gegenseitig. Anders hätten sie das unverschämt über alle Kitschgrenzen preschende Olymp-Design aber auch gar nicht ausfüllen können.
Die Klasse echter Popcorn-Kracher wie Iron Man oder Star Trek - Die Zukunft hat begonnen erreicht „Kampf der Titanen" nicht - dafür fehlt es hier selbst im Vergleich mit J.J. Abrams‘ Franchise-Reboot an Bodenhaftung. Der infantile Spaß an wüster Monster-Action, die einfach gehaltenen Dialoge und die immer wieder auf der Grenze zur Lächerlichkeit stehenden Designs werden den einen oder anderen Geschmacksnerv betäuben. Jederzeit aber hält Leterrier den selbstgesteckten Anspruch des auf temporeiche Unterhaltung abonnierten Fantasyfilms ein und liefert eine schillernde und oft bildgewaltige Interpretation ikonischer Mythosbilder samt starker Coming-of-Age-Geschichte. Nur der erst wenige Tage vor der Premiere durchgeprügelte 3D-Überzug schadet „Kampf der Titanen" mehr, als dass er etwas hinzufügt. Auch wenn neidisch gen Cameron schielende Produzenten das nicht gerne hören: Hier ist das gute, alte 2D-Kino die bessere Wahl.