Es klingt schon fast ein bisschen nach Kapitulation vor der postmodernen Unterhaltungskultur, wenn der oftmals als Blender verschriene Cinemascope-Handwerker Zack Snyder als Bannerträger eines radikal-strebsamen New New Hollywood bezeichnet wird. Dabei handelte es sich bei seinen Achtungserfolgen, dem testosterongeschwängerten Schlachtengetümmel “300” und der Neo-Noir-Dystopie “Watchmen”, “lediglich” um Comic-Adaptionen. Sein neuer Film “Sucker Punch”, zu dem die Meinungen in den Internetforen bereits vor dem US-Kinostart kilometerweit auseinandergingen, ist die erste eigenständige Arbeit des ehemaligen Werbefilmers. Subversives Thesenspiel oder gehaltloser Fanboy- und Fetischisten-Mumpitz - wie ist der aktuelle Snyder zu bewerten? Das Fazit muss an dieser Stelle lauten: Viel Lärm um Nichts! “Sucker Punch” erschöpft sich in einem via Hochglanz-Game-Optik umgesetzten, gärigen Popkultur-Rausch, der beim systemfreien Manövrieren durch Befreiungsphantasien und Geschlechterkampffragen an der Redundanz seiner voluminösen Bilder scheitert.
Nachdem Babydoll (Emily Browning) daheim durchgedreht ist und dabei ihre kleine Schwester umgebracht hat, wird sie von ihrem zuvor übergriffig gewordenen Vater in eine Nervenheilanstalt verbracht. Dort soll sie einer Lobotomie unterzogen und somit gefügig gemacht werden. Das Mädchen schmiedet eifrig Fluchtpläne, doch zur Ankunft des “High Roller” genannten Hirnchirurgen verbleiben nur fünf Tage Zeit. Gemeinsam mit ihren Mitpatientinnen, deren Namen wie aus einem dieser freizügigen Manga-Heftchen entsprungen sind - Sweet Pea (Abbie Cornish), Rocket (Jena Malone), Blondie (Vanessa Hudgens) und Amber (Jamie Chung) - taucht Babydoll in eine Art Parallelwelt ab, in der die Irrenanstalt als Striplokal und die Therapeutin Vera Gorski (Carla Gugino) als Tanzchoreografin fungiert. Dort sollen sie den männlichen Kunden des Etablissements zu deren Amusement Burlesque-Nummern vortanzen. Als sie merken, dass sie auch im Bordell in Gefahr schweben, tauchen die Mädchen abermals ab: in einen grenzenlosen Survival-Parcours, in dem sie all ihre Kampfes- und Überlebenskünste unter Beweis stellen müssen…
Die heilsame Kraft der subjektiven Wahrnehmung als Käfig, in dem einem die Gräuel des Krieges in abstrahierter Form wiederbegegnen - in seinem Fantasy-Meisterwerk “Pans Labyrinth” ließ Guillermo del Toro niemals einen Zweifel an der permanenten gegenseitigen Einflussnahme beider dargestellter Handlungsebenen. “Sucker Punch” visualisiert als eine konfuse Light-Version des “Inception”-Konzepts drei Bewusstseinsstadien, deren Parallelismus er jedoch schnell aus den Augen verliert. Als einziger Sinnzusammenhang lässt sich der Aspekt der erotischen Machtausübung des Mannes gegenüber der (zunächst) wehrlosen Frau ausmachen, welche als manipulative Waffe immerhin ihre Weiblichkeit einzusetzen weiß. Der operative Eingriff in Babydolls Gehirn entspricht in deren verzerrter Wahrnehmung der Entjungferung des Mädchens durch einen widerlichen Kunden-Schmierlappen. Dabei nutzt Snyder die Eröffnungssequenz, in der Babydoll von ihrem Vater unsittlich berührt wird und daraufhin Amok läuft - im Grunde ein knapp zehnminütiger Musikclip zu einer Coverversion von “Sweet Dreams” - als Alibi-Einstieg in seinen konzeptlosen Action-Sandkasten, der schon mit der Ankunft in der von fahlen Farben dominierten Psycho-Klinik seinen inhaltlichen Offenbarungseid leistet.
Was folgt, ist die episodisch zusammengeflickte, dick aufgetragene und von pseudophilosophischem Gewäsch umwaberte Verwirklichung ausufernder Geek-Fantasien im grellen Licht der von Ego-Shootern, schnell geschnittenen Videoclips, eingefrorenen Frames und sonstigen Bildspielereien geprägte Entertainment-Kultur der letzten zwanzig Jahre, die unabhängig von der optischen Reizüberflutung ein einziger Quatsch mit Soße ist. Snyder tobt sich nach schnell ermüdendem Schema auf der Leinwand aus: Babydoll schließt beim Vortanzen die Augen und findet sich - ihrem objektivierenden Rufnamen gerecht werdend - als “Spielzeug” , oder besser: Spielfigur (nur ohne Steuerungsmöglichkeit des Zuschauers), in Minirock und Lack-und-Leder-Dress, in ihrer virtuellen Mission wieder, in der sie und die vier anderen Action-Püppchen mit Schwertern, MPs und noch schwereren Geschützen gegen Feuer speiende Drachen, Orks, Zombie-Soldaten oder kolossale Maschinen-Samurai zu Felde zieht. Jede Schweißperle ist auf Emily Brownings hübschem Gesicht erkennbar, wenn sie nach haushohen Sprüngen durch die Luft katzengleich auf allen Vieren landet. Snyder zelebriert in großem Stil eine Orgie der Nichtigkeiten, die mit der eigentlichen “Handlung” in der Anstalt im Grunde überhaupt nichts zu tun hat und auch für sich gesehen keinen Sinn ergibt. Die Missionen der leicht beschürzten Krieger-Ladys, die sie durch verschneite Eastern-Landschaften, Weltkriegsgebiete, mittelalterliche Gemäuer und Space-Plateaus führen, haben den Zweck, gewisse Artefakte aus den Klauen der Gegner zu entreißen. Das alles hätte noch den Charme eines launigen Survival-Abenteuers in Game-Stilistik á la “Lara Croft“, hätte Snyder seine narrativen und thematischen Ansprüche nicht allzu hoch geschraubt. Ärgerlich ist auch, dass Snyder uns auf der einen Seite einen ausgeprägten Feminismus vorheuchelt, auf der anderen Seite seinen Protagonistinnen keine Chance zur Charakterhintergrundentwicklung gibt. Insbesondere von Disney-Zögling Vanessa Hudgens hätte man gerne mehr gesehen, um festzustellen, ob sie mehr kann als süß aussehen und in “High School Musical”s beliebigen Bubblegum-Pop zu trällern.
Somit ist “Sucker Punch” als missratenes, weil überambitioniertes und dadurch eben doch bedeutungsloses Effektegewitter abzustrafen, das seine thematischen Ansätze nicht konsequent zu Ende denkt und seiner berauschenden Bilderflut den Subtext unter den Füßen wegzieht. Geben wir Zack Snyder trotzdem die Chance, diesen Flop mit seinem angekündigten “Superman”-Reboot wieder wett zu machen.