Der tschechischstämmige Regisseur Milos Forman zählt zu den interessantesten Filmemachern der Gegenwart. Nachdem Forman mit dem kritischen Tonfall seiner ersten Filme den Argwohn der kommunistischen Machthaber in seiner Heimat provozierte, emigrierte er Ende der Sechziger in die USA, wo ihm 1975 mit dem fünffach Oscar-prämierten Drama „Einer flog über's Kuckucksnest“ sein internationaler Durchbruch gelang. Mit der Biografieverfilmung „Amadeus“ inszenierte Forman zehn Jahre darauf erneut ein vielfach ausgezeichnetes Meisterwerk. Als Grenzgänger zwischen europäischen und US-amerikanischen Filmtraditionen realisiert Milos Forman bis heute spannende Filme, die meist auf literarischen Vorlagen beruhen oder – wie zum Beispiel „Der Mondmann“ – die Lebensgeschichten berühmter Persönlichkeiten erzählen.
Frühe Dokumentarfilme
Rund siebzig Kilometer von Prag entfernt wurde Milos Forman im Februar 1932 unter seinem bürgerlichen Namen Jan Tomáš Forman geboren. Im Jahr 1941, als Forman neun Jahre alt war, fielen seine Eltern dem Nazi-Terror zum Opfer – die Mutter in Auschwitz, der Stiefvater in Buchenwald. In der Folge lebte der Junge bei Verwandten und Bekannten der Eltern. Milos Forman besuchte eine Internatsschule, lernte das Theater kennen und kam mit den Filmen von Charles Spencer Chaplin, Buster Keaton und John Ford in Kontakt, was ihn letztlich zu einem Studium an der Prager Filmhochschule inspirierte. Dort drehte der angehende Filmemacher zwei halbdokumentarische Kurzfilme und entwickelte bald einen individuellen Stil, der deutlich vom Cinéma Vérite beeinflusst war, einer Strömung des französischen Dokumentarfilms, die beispielsweise den Verzicht auf Off-Kommentare proklamierte und stattdessen die dokumentarische Form reflektiert wissen wollte. Mit seinen Kurzdokus „Laterna magika II“ (1960), „Wettbewerb“ und „Wenn's keine Musikanten gäbe“ (beide 1963) etablierte sich Forman Anfang der 1960er Jahre als Vertreter der Neuen Welle des tschechischen Kinos.
Probleme mit der Obrigkeit
Milos Formans erster Spielfilm, „Der Schwarze Peter“ aus dem Jahr 1964, erzählt die autobiografisch gefärbte Geschichte eines unangepassten Teenagers in einer kleinen tschechischen Stadt und wurde von den kommunistischen Machthabern des Landes stark kritisiert. Dennoch lief der Debütfilm erfolgreich auf einigen Filmfestivals – unter anderem in Cannes, Montreal und New York – und ermöglichte Forman schließlich seine erste Reise in die USA. Mit Laien und einem geringen Budget inszenierte der Autorenfilmer im Anschluss die Satire „Der Feuerwehrball“ (1967) und begab sich damit erstmals in die Gefilde des Farbfilms. Die unverhohlene Gesellschaftskritik, die Forman in diesem Film äußerte, sorgte für ein Verbot des Films in der Tschechoslowakei. Der französische Regisseur François Truffaut erwarb jedoch die Rechte an Formans Satire und brachte den Film zur Aufführung auf dem New York Festival. Als der Prager Frühling im August 1968 von den Warschauer-Pakt-Truppen niedergeschlagen wurde, weilte Forman in Paris, wo er Verhandlungen über seinen ersten amerikanischen Film führte. Sein Studio in der Tschechoslowakei behauptete jedoch, Forman habe das Land illegal verlassen und nötigte ihn damit zur Emigration in die USA.
Einer flog über das Kuckucksnest
Mit seinem US-Debüt „Taking Off“ (1971) sezierte Milos Forman im Rahmen einer Geschichte um eine 15-jährige Ausreißerin den gehobenen Mittelstand. Das Drama war der offizielle US-Beitrag bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes und gewann den Großen Preis der Jury. Auf eine Episode des Kompilationswerks „Olympiade 72 München“ (1973) folgte ein überaus großer internationaler Erfolg für Milos Forman: Die zum Klassiker avancierte Verfilmung von Ken Keseys Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“ mit Jack Nicholson und Louise Fletcher in Paraderollen erhielt bei der Oscarverleihung 1975 Auszeichnungen in allen fünf Hauptkategorien – Bester Film, Bestes Drehbuch, Bester Darsteller, Beste Darstellerin sowie Beste Regie. Der Film brachte nicht nur die Karriere von Jack Nicholson weiter in Schwung, sondern markierte selbstredend auch den internationalen Durchbruch von Milos Forman. Zunächst ließ der Tscheche das ebenfalls erfolgreiche Musical „Hair“ (1979) folgen, bevor er mit der Verfilmung von Peter Shaffers Theaterstück „Amadeus“ bei der Oscarverleihung 1985 acht Trophäen abräumen konnte, darunter erneut einen Oscar für die Beste Regie. Das Biopic über Wolfgang Amadeus Mozart zählt neben „Einer flog über das Kuckucksnest“ zu Formans großen Meisterwerken und bescherte F. Murray Abraham, der den Widersacher Mozarts darstellte, einen Oscar.
Weitere Filme
Auf den Erfolg mit „Amadeus“ ließ Milos Forman das Romantikdrama „Die Seifendiebe“ mit Annette Bening und Colin Firth in seiner bis dato größten Rolle folgen – bei dem mit üppigen Kostümen ausgestalteten Drama handelt es sich um die Adaption des Briefromans „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos De Laclos, den Stephen Frears im Jahr zuvor ebenfalls verfilmt hatte. Nach einer siebenjährigen Regie-Pause erhielt Milos Forman seine dritte Oscarnominierung für die Biografieverfilmung „Larry Flynt“ (1996) mit Woody Harrelson, Courtney Love und Edward Norton, die vom Aufstieg des Verlegers Larry Flynt erzählt, dem Gründer des Männermagazine „Hustler“. Es folgte das mit einem Silbernen Bären für die Beste Regie ausgezeichnete Biopic „Der Mondmann“ (1999), in dem Jim Carrey mit Bravour den so legendären wie kontroversen Stand-Up-Komiker und Performance-Künstler Andy Kaufman verkörperte. Das Historiendrama „Goyas Geister“ (2006) mit Javier Bardem, Natalie Portman und Stellan Skarsgard, das dem spanischen Maler und Graphiker Franciso de Goya in Zeiten der Inquisition nachspürt, wurde Formans letzter großer Spielfilm.
Am 13. April 2018 verstarb der Filmemacher im Alter von 86 Jahren.