Geoffrey Rush ist mit seiner beeindruckenden Performance im oscargeadelten Drama "The King's Speech" immer noch in aller Munde und dabei gerät beinahe in Vergessenheit, dass seine Filmkarriere erst sehr spät, dann aber mit einem Paukenschlag begann: Sein internationaler Durchbruch mit der Künstler-Biographie "Shine - Der Weg ins Licht" bescherte dem damals 45-jährigen Mimen zugleich den Oscar als Bester Hauptdarsteller. Seither kam zu seiner erfolgreichen Bühnenkarriere eine beinahe noch erfolgreichere Filmkarriere und dennoch blieb Rush immer eine Art Held aus der zweiten Reihe - ein talentierter, von der Kritik hochgelobter und mit Preisen überhäufter Charaktermime, der sich aber nie zum Zugpferd international erfolgreicher Blockbuster entwickelte.
Die frühen Jahre am Theater
Geoffrey Roy Rush wurde am 6. Juli 1951 im australischen Toowoomba im Bundesstaat Queensland geboren. Nach der Scheidung seiner Eltern zog Rush im Alter von fünf Jahren mit seiner Mutter nach Brisbane, wo er die Everton Park State High School und anschließend die University of Queensland besuchte. Seine Leidenschaft für das Theater und sein Talent zum Schauspiel zeigten sich während seiner Studienzeit bei der Queensland Theatre Company (QTC), der er sich 1971 im Alter von 20 Jahren anschloss. Um sich schauspielerisch fortzubilden, besuchte Rush von 1975 bis 1977 die berühmte École Internationale de Théâtre Jacques Lecoq in Paris. Anschließend kehrte er nach Australien zurück, wo er als Schauspieler und Regisseur mit der QTC ein breites Repertoire von Shakespeare-Dramen bis zu Musicals wie "You're a Good Man, Charlie Brown" - Rush spielte darin Snoopy - auf die Bühne brachte. Während der Produktion von "Warten auf Godot" teilte er sich übrigens vier Monate lang mit einem anderen australischen Jung-Talent das Apartment, das ebenfalls auf den großen Durchbruch wartete: Mel Gibson.
Der lange Weg zum Ruhm
Zum Film kam Geoffrey Rush verhältnismäßig spät. Zunächst hangelte er sich mehr oder minder erfolglos durch kleinere australische Produktionen. Sein Debüt auf der großen Leinwand gab Rush 1981 im romantischen Krimi-Drama "Hoodwink", in dem er eine kleine, aber feine Rolle als Detective innehatte. Das Hauptaugenmerk des Australiers lag in den 80er Jahren aber weiterhin auf seiner Bühnenkarriere und Auftritte in Kinofilmen waren rar gesät. Nach seinem zweiten Film, dem Musical-Drama "Starstruck" von 1982 blieb er der Filmproduktion erstmal für fünf Jahre fern, bis er in Neil Armfields Shakespeare-Adaption "Twelfth Night" seine erste größere Rolle ergatterte – 2006 gab es für den inzwischen berühmten Darsteller und seinen Regisseur beim Drama "Candy – Reise der Engel" übrigens ein Wiedersehen. Doch fürs erste sollte das Filmgewerbe noch ein geiziger Arbeitgeber für den talentierten, doch langsam desillusionierten Mimen Rush bleiben, der sich am Theater abplagte und 1992 einen Nervenzusammenbruch erlitt. Das Blatt wendete sich für den Schauspieler erst 1996, als er - ironischerweise - den mental angeschlagenen Pianisten David Helfgott in "Shine - Der Weg ins Licht" verkörperte. In der Rolle des Musikers gelang Rush der lang ersehnte Durchbruch.
Ein Hang zu Perücken
Geoffrey Rushs Karriere hatte mit "Shine" nach langer Aufwärmphase Fahrt aufgenommen: Als erster australischer Schauspieler überhaupt gewann er einen Oscar und dazu erhielt er zahlreiche weitere Auszeichnungen. Endlich flatterten ihm nun auch prestigeträchtige Rollenangebote ins Haus, vorzugsweise im historischen Charakterfach. In Shekhar Kapurs Kostümdramen "Elizabeth" und "Elizabeth: Das goldene Königreich" war Rush als verschlagener Politiker Sir Francis Walsingham neben Cate Blanchett als Monarchin zu sehen, im amüsanten Oscar-Schwank "Shakespeare in Love" mit Gwyneth Paltrow und Joseph Fiennes gab er den gerissenen Geschäftsmann Philip Henslowe und dann übernahm der gebürtige Australier sogar die Rolle des Marquis de Sade - diese Darstellung in "Quills - Macht der Besessenheit" neben Kate Winslet brachte dem Mimen seine dritte Oscar-Nominierung ein. Neben einer Affinität zu historischen Figuren und Perücken verriet Rush bei seiner Rollenwahl aber auch Humor, als er unter anderem in der Goldie-Hawn-Komödie "Groupies Forever" mitspielte und 2003 dem Pelikan Nigel im Pixar-Abenteuer "Findet Nemo" seine Stimme lieh. Weitere bemerkenswerte Auftritte lieferte der Australier als "Clouseau"- und "Dr. Seltsam"-Darsteller Peter Sellers im Fernsehfilm "The Life and Death of Peter Sellers" und als Mossad-Agent in Steven Spielbergs historischem Drama "München".
Pirat und Sprachtherapeut
Prägend für Geoffrey Rushs Karriere wurden mit Sicherheit zwei Rollen - eine aus einem eher popkulturellen Kontext heraus, eine aus einem wahrhaft königlichen und mit Auszeichnungen geadelten Film. Als verfluchter Captain Barbossa an der Seite von Johnny Depp beeindruckte Rush in der hypererfolgreichen "Fluch der Karibik"-Reihe auch die jüngeren Kinogänger, denen seine andere, wesentlich anspruchsvollere Rolle möglicherweise vorenthalten blieb: Als Sprachtherapeut Lionel Logue im royalen Drama "The King's Speech", der dem von Colin Firth verkörperten Monarchen wider Willen mit unorthodoxen Methoden zum nötigen Selbstvertrauen verhilft, sicherte sich Rush seine vierte Oscar-Nominierung. Auch wenn die Sprechrolle als Tomar-Re im 2011er Sci-Fi-Spektakel "Green Lantern" nicht in die gleiche anspruchsvolle Kerbe schlägt, kann man Rush einen ganz besonderen Auszeichnungs-Hattrick nicht mehr absprechen: Seit seinem Tony-Gewinn 2009 für den Broadway-Auftritt in einer Neuinszenierung von Eugène Ionescos "Der König stirbt" gebührt ihm die besondere Ehre, mit der sogenannten "Triple Crown of Acting" ausgezeichnet zu sein - dem Oscar, dem Emmy und dem Tony.
Geoffrey Rush ehelichte 1988 die Bühnen-Schauspielerin Jane Menelaus und hat mit ihr zwei Kinder, Angelica und James Rush.