Je exzentrischer und abenteuerlicher eine Rolle sei, desto mehr fühle er sich von ihr angezogen, so Jeremy Irons einmal. Mit Blick auf seine Rollenauswahl kann man nur beipflichten: Viele der Figuren, die Irons im Laufe seiner langen Karriere verkörpert hat, sind dunkle, abseitige Gestalten gewesen. Auch seine Rolle als "Stirb langsam"-Bösewicht Simon Peter Gruber gehört in diese Kategorie und demonstriert eindrucksvoll, wie mühelos Irons selbst krachigen Mainstream zum Schauspielkino aufwerten kann. Der arrivierte Schauspieler mag nicht zu den spektakulärsten Gästen auf den roten Teppichen der Filmwelt gehören, gilt dabei aber als einer der besten Charakterdarsteller seiner Generation.
Anfänge am Theater
Jeremy Irons wurde am 19. September 1948 in England geboren. An der Bristol Old Vic Theatre School, für die er heute auch im Bereich Fundraising aktiv ist, erfuhr er eine klassische Schauspielausbildung. Noch vor seiner ersten Film- oder TV-Rolle hatte Irons bereits über tausend Bühnenauftritte absolviert. Breite Aufmerksamkeit wurde ihm erstmals mit seiner Performance in "Die Geliebte des französischen Leutnants" (1981) zuteil, der Verfilmung des gleichnamigen postmodernen Romans von John Fowles, in der er als verklemmter Spätviktorianer Charles Henry Smithson eine Hauptrolle neben Meryl Streep übernahm. Nur wenig später spielte er in Volker Schlöndorffs Proust-Verfilmung "Eine Liebe von Swann" (1984) als Dandy Charles Swann eine gänzlich andere Figur und ließ zugleich sein Faible für fiebrig-leidenschaftliche Rollen erkennen. Auch in seiner Doppelrolle in David Cronenbergs abgründigem Psycho-Horror "Die Unzertrennlichen" von 1988 beeindruckte Irons; für das Drama "M. Butterfly" arbeiteten Regisseur und Darsteller einige Jahre darauf wieder zusammen.
Künstlerische Anerkennung
Das Jahr 1991 markierte den endgültigen Durchbruch für Jeremy Irons, der sich durch seine geschmackvolle Rollenauswahl bereits in den Jahren zuvor einen guten Namen erspielt hatte: Für seinen Claus von Bülow im Drama "Die Affäre der Sunny von B." erhielt er einen Golden Globe und einen Oscar als Bester Hauptdarsteller. Mit "Verhängnis" ließ Irons 1991 einen Film folgen, der ihn wiederum in der liebgewonnen Rolle eines psychisch gestörten Charakters, des sexbesessenen Dr. Stephen Fleming, zeigte. Die expliziten Sexszenen mit Filmpartnerin Juliette Binoche sorgten bereits im Vorfeld des Filmstarts für Aufsehen. Erneut an der Seite von Meryl Streep war Irons schließlich 1993 in "Das Geisterhaus" als fiktiver chilenischer Großgrundbesitzer Esteban Trueba zu sehen. Während ihm all diese Produktionen künstlerische Anerkennung garantierten, folgte sein finanziell größter Erfolg mit einem intellektuell weniger anspruchsvollen Film.
Kommerzieller Erfolg
Nachdem Jeremy Irons 1994 bereits mit dem Mainstream flirtete, indem er den Löwen Scar im Zeichentrick-Erfolg "Der König der Löwen" synchronisierte, schien das darauffolgende Engagement völlig aus der Art zu schlagen: Im Action-Reißer "Stirb langsam – Jetzt erst recht" spielte er den Terroristen Simon Peter Gruber, den Bruder des im ersten Teil der Reihe getöteten Hans Gruber. Irons verzeichnete so einerseits seinen bis heute größten kommerziellen Erfolg und verdeutlichte zugleich, dass er sich nicht auf Arthouse- und Indie-Produktionen festlegen lassen wollte. Dessen ungeachtet wirkte er in der Folge in zwei weiteren Filmen mit, die abseits des Mainstream anzusiedeln sind: Zunächst spielte er die Rolle des alternden Schriftstellers in Bertoluccis "Gefühl und Verführung" (1996) und anschließend den von einer Minderjährigen verführten Humbert Humbert in der Neuverfilmung von "Lolita".
Späte Rollen, durchwachsene Auswahl
"Der Mann in der eisernen Maske" brachte Jeremy Irons 1998 zurück zum großen Hollywoodkino; an der Seite von Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio verkörperte er in der Alexandre-Dumas-Verfilmung den Musketier Aramis. Groß angelegt war auch das Fantasy-Spektakel "Dungeons & Dragons" zwei Jahre später, allerdings bedeutete der inzwischen zum Trash-Kult erhobene Film für den Darsteller eine künstlerische und kommerzielle Bauchlandung. Wenig gut aufgenommen wurde auch "The Time Machine" von 2002, und das trotz des Regie-Tandems von Gore Verbinski und Simon Wells, dem Urenkel von H.G. Wells, der seinerzeit die Buchvorlage verfasste. Es waren durchwachsene Jahre für Jeremy Irons, der sich in Interviews nicht selten beklagte, altersbedingt keine guten Angebote zu erhalten. "Königreich der Himmel", das Historienepos von Ridley Scott von 2005, brachte Irons wieder im großen Stil zurück auf die Leinwand. Auch "Casanova" (2005), einer der letzten Filme des 2008 verstorbenen Heath Ledger, zeigte den Darsteller in einem prominent besetzten Großprojekt unter der Regie des renommierten Lasse Hallström, wenn auch abermals nicht in einer Hauptrolle.
Kontrastreiches Spätwerk
Einen großen späten Erfolg stellte die Miniserie "Elizabeth I." aus dem gleichen Jahr dar – für seine Darstellung des Robert Dudley, des Geliebten der Königin, erhielt Jeremy Irons einen Emmy und eine Golden-Globe-Nominierung als Bester Nebendarsteller. Im Kontrast dazu folgte das Effekt-Spektakel "Eragon", die Verfilmung des gleichnamigen, überaus erfolgreichen Fantasy-Romans, in dem Irons als Geschichtenerzähler Brom zu sehen ist. Im Anschluss mutete er seinen Fans erneut radikale Kurswechsel in kurzer Zeit zu, indem er mit David Lynch für den verstörenden Avantgarde-Film "Inland Empire" zusammenarbeitete, 2009 aber mit "Der rosarote Panther 2" neben Steve Martin in einer Komödie mitspielte. Was also steht von dem großen Charakterdarsteller und Wandlungskünstler in Zukunft zu erwarten? Im September 2011 startete der hochgelobte Wall-Street-Thriller "Der große Crash" in den deutschen Kinos – Irons ist darin als abgebrühter CEO John Tuld zu sehen. 2012 folgt "The Words" mit Bradley Cooper und Olivia Wilde, 2013 dann "Night Train To Lisbon" mit Danny Huston und Mélanie Laurent.
1978 heiratete Jeremy Irons seine irische Schauspielkollegin Sinéad Cusack, mit der er zwei Söhne hat, und lebt im irischen Städtchen Watlington.