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    Mega-Shitstorm gegen Marvel: Das steckt hinter dem gewaltigen Problem – das eine ganze Branche betrifft
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Seit mehr als 20 Jahren schreibt Björn Becher über Filme und Serien. Hier bei FILMSTARTS.de kümmert er sich um "Star Wars" - aber auch um alles, was gerade im Kino auf der großen Leinwand läuft.

    Mit „Thor 4“ in den Kinos wird auch mal wieder über die Qualität von Computereffekten bei Marvel diskutiert. Ein riesiger Shitstorm gegen den Konzern hat aber nichts mit deren Qualität zu tun. Er kommt von den Machern der visuellen Effekte selbst...

    Disney und seine verbundenen Unternehmen

    Es ist ein schon zwei Monate alter Reddit-Thread und nicht der erste seiner Art. Es sind nur wenige Worte, in welcher jemand vorwirft, dass Marvel „die schlechteste Produktionsmethode und das schlechteste VFX-Management“ im Gewerbe habe. Das Studio könne sich nie für die finale Optik entscheiden, bevor schon die Hälfte der für die Visuellen Effekte eingeplanten Zeit abgelaufen sei.

    Der Beitrag wurde auf einem sogenannten Board auf der Diskussionsplattform gepostet, in dem sich vor allem Personen austauschen, die im VFX-Bereich tätig sind, also Visuelle Effekte in der Post-Produktion für u.a. Filme und Serien machen. Daher folgten schnell weitere Beschwerden. Zahlreiche Menschen, die erklärten, bereits VFX-Arbeit für Marvel gemacht zu haben, beklagten sich über die unmöglichen Arbeitsbedingungen und die Planlosigkeit des Konzerns.

    Da bei Marvel in der Post-Produktion so oft noch Dinge über den Haufen geworfen werden, die Verantwortlichen bei dem Konzern nie wissen, was sie am Ende wollen und welcher Look ihnen vorschwebe, addiere sich die Arbeitslast massiv. Am Ende gehe die Zeit aus, weil plötzlich noch so viel oder so viel neu und anders gemacht werden müsse, was zu Überstunden bis zur völligen Überarbeitung führe.

    Im Thread wird von Burn-outs berichtet, Leute erzählen, dass sie während ihrer Arbeit an Marvel-Projekten nicht mehr schlafen konnten und Beziehungen in die Brüche gingen. Es fällt auch der vor allem aus der Spielewelt bekannte Begriff „Crunch“, der das bis zur völligen Überarbeitung führende Anhäufen von Überstunden zur Einhaltung einer Deadline beschreibt.

    Kein neues Problem, aber endlich Aufmerksamkeit

    Weil der Beitrag aber auf einem Board erschien, auf dem vor allem VFX-Artists unterwegs sind, bekam er zuerst auch keine allzu große Aufmerksamkeit. Allen schien das Problem bekannt, es gab sogar schon einmal einen sehr ähnlichen Thread. Wahrscheinlich wäre es wieder versandet. Doch dann wurden einige Aussagen aus dem Thread plötzlich auf Twitter geteilt und dort so eine breite Masse auf das Thema aufmerksam. Ein wahrer Shitstorm entbrannte, indem weitere Menschen Horror-Geschichten teilten, aber vor allem viele Fans der Filme sich schockiert über die Zustände zeigten.

    Klar ist dabei auch, dass es kein neues Problem ist. VFX-Artists erklären, dass es nichts mit der neuen Führung bei Disney zu tun habe oder mit der Übernahme von Marvel durch Disney, sondern das Problem habe es mit Marvel von Anfang an gegeben. Zu viel Arbeit und viel zu wenig Zeit bis zur Deadline ist auch kein reines Marvel-Problem in der VFX-Branche, doch wie man sich weitgehend einig ist, seien Marvel-Produktionen dabei das größte Problem.

    Denn das Studio ändere so oft wie kein anderes Vorgaben und setze zu knappe Deadlines. So arbeite man über Wochen an den Visuellen Effekten für eine Szene, nur um sie dann in die Tonne kloppen zu dürfen, weil Marvel plötzlich entscheide, dass die Szene ganz anders aussehen soll, aber trotz des nun nötigen Neubeginns der Arbeit die Abgabe-Deadline nicht verlängere.

    Gewisse Marvel-Planlosigkeiten sind in der Branche legendär, wie die komplett aus dem Ruder gelaufene Produktion von „Iron Man 2“. Aber laut den vielen VFX-Künstler*innen auf Reddit und Twitter sei es bei dem Studio nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel, dass wegen laufender Änderungen irgendwann massive Überstunden anfallen und trotzdem zu wenig Zeit sei, um alles ordentlich fertigzustellen.

    Kein Bock mehr auf VFX-Arbeit – wegen Marvel!

    Die Verantwortlichen für die Visuellen Effekte sind in der Regel nicht bei Hollywood-Studios selbst, sondern bei eigenen Firmen angestellt. Marvel beauftragt diese Firmen. Einige VFX Artists erklären, dass sie Vereinbarungen mit ihren Chefs getroffen haben, nicht mehr an Marvel-Projekten arbeiten zu müssen. Es soll auch bereits Firmen geben, die deswegen überaupt nicht mehr mit Marvel arbeiteten wollen.

    Noch weiter ging der VFX-Macher Dhruv Govil, der u.a. an „The Amazing Spider-Man 2“, „Guardians Of The Galaxy“ und „Spider-Man: Homecoming“ arbeitete. In einem viral gegangenen Tweet verrät er, dass ihn die Arbeit an Marvel-Projekten dazu gebracht habe, die Industrie komplett zu verlassen.

    Das massive Problem mit Crunch – wie übrigens auch mit schlechter und unzureichender Bezahlung nicht nur der Arbeitnehmer*innen, sondern auch der VFX-Studios selbst – ist kein völlig neues und überraschendes Problem in der Branche. Noch nie gab es aber wohl eine so große Aufmerksamkeit für das Thema, die über die eigene Blase hinaus geht. Das bringt für viele die Hoffnung mit sich, dass sich etwas ändert, wie auch in der Gaming-Branche eine große Diskussion über Crunch vor einigen Jahren zumindest einige positive Veränderungen und ein neues Bewusstsein für das Problem mit sich gebracht hat.

    Ob das passiert, wird die Zukunft zeigen. Marvel hat sich bislang noch nicht öffentlich zu dem Thema geäußert.

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