In den kommenden zehn Tagen könnt ihr beim Hard:On:Line, dem Online-Ableger des Horror-Filmfestivals Hard:Line, insgesamt acht der 15 Langfilme aus dem Programm als Stream nachholen (die Filme stehen dann jeweils zwei Tage lang zum Anschauen zur Verfügung). Wir haben uns alle Beiträge vorab angesehen und können euch deshalb sagen, welche der Streams sich unserer Meinung nach unbedingt lohnen – und welche man auch getrost auslassen kann…
Wenn euch einer der Filme interessiert, solltet ihr euch allerdings sputen – für jeden der Filme gibt es nämlich nur 200 Tickets für jeweils fünf Euro, die ihr euch ab sofort auf der Homepage des Festivals sichern könnt...
» Tickets für alle Filme bei Hard:On:Line
14. – 15. April: Handgemachter Puppen-Splatter
Lange sechs Jahre lang haben die Macher*innen an diesem mittelalterlichen Puppen-Fantasy-Splatter gearbeitet! Wenn man im Abspann dranbleibt und sieht, was da hinter den Kulissen alles geleistet wurde, kann man nur ehrfurchtsvoll applaudieren – vor allem, was die liebevoll-detailreiche Inszenierung der plüschigen Blutorgien angeht.
Aber „Frank & Zed“ ist auch sonst trotz einiger Längen ziemlich gelungen – vor allem das Zusammenspiel von Frankensteins Monster Frank und Zombie Zed, die seit Jahrhunderten gemeinsam in einer Burg-WG wohnen und sich dort aufopfernd um den jeweils anderen kümmern, wenn diesem mal wieder ein Körperteil abfällt oder der Strom ausgeht, ist erstaunlich berührend geraten…
16. – 17. April: Meta-Horror mit Bohrmaschinen-Killer
Der Bohrmaschinen-Slasher „The Slumber Party Massacre“ von 1982, zu dem dann später auch noch zwei Fortsetzungen entstanden sind, genießt in gewissen Kreisen sicherlich Kultstatus. Dabei wurde damals gar nicht die ursprüngliche Vision für den Film umgesetzt – stattdessen ist doch nur ein herkömmlicher Slasher dabei herausgekommen. 40 Jahre später hat Regisseurin Danishka Esterhazy den damals angepeilten Geist des Originals weitestgehend wiederhergestellt – und mit „Slumber Party Massacre“ ein ebenso cleveres wie kurzweiliges Remake mit etlichen Twists und Wendungen vorgelegt…
Slumber Party MassacreAktuell steht übrigens noch nicht fest, in welcher Form „Slumber Party Massacre“ nach Deutschland kommt – das Original hat es ja damals auch schon nicht zu uns geschafft. Deshalb macht es doppelt Sinn, sich bei Interesse eines der wenigen Hard:On:Line-Tickets zu sichern:
» "Slumber Party Massacre" bei Hard:On:Line
18. – 19. April: Eine Hellseherin jagt einen Serienkiller
Bai Ling channelt als Telefon-Hellseherin ihren inneren Nicolas Cage und dreht völlig frei. Allerdings geht es in „Night Caller“ sowieso um ihre Kollegin Clementine (Susan Priver), die immer wieder von einem Serienmörder angerufen wird, kurz bevor er wieder eines seiner blutigen Verbrechen begeht. Regisseur Chad Ferrin hat hier mit geringen Mitteln einen echt soliden, ästhetisch sogar aus der Masse herausstechenden Slasher mit starken Giallo-Einflüssen gedreht – kann man sich als Fan des Genres gut angucken.
In „Arboretum“ kommt hingegen alles zusammen, was im deutschen Genre-Kino gerade schiefläuft. Julian Richberg will irgendetwas über Bullying und die abgehängte Jugend in Thüringen sagen, reproduziert dabei aber ausschließlich abgehangene Klischees, die er mit nicht weniger abgehangen Quentin-Tarantino- und Lars-von-Trier-Manierismen aufzupeppen versucht. Dazu kommen zwei Hauptdarsteller, die sich so an ihrem Theater-Sprechrhythmus festklammern, dass man ihnen die Rollen als von Nazis misshandelte Oberstüfler nicht eine Sekunde abnimmt.
20. – 21. April: Atmosphärischer Grusel – mit Mega-Twist!
Kevin Kopacka lässt seinen Meta-Horror „Dawn Breaks Behind The Eyes“ als klassischen Gruselfilm beginnen: Eine nervende Frau und ihr grummeliger Ehemann haben ein verfallenes Schloss geerbt und wollen dort nun zum ersten Mal übernachten. Soweit nichts Neues, aber es ist atmosphärisch und einfach gut gemacht. Und dann ändert der Film plötzlich alles – Schauplatz, Tonart, Genre. Ein überraschender Mega-Twist, der im Anschluss immer weiter ins Wahnsinnige fortgetrieben wird. Zumindest für Interessierte am deutschen Indie-Genre-Kino absolutes Pflichtprogramm.
Kaum der Rede wert ist hingegen „Hall“. In dem Virus-Horror checken Menschen in ein Hotel ein – und verrecken einige Zeit später auf dem titelgebenden Flur. Mit Ausnahme einiger klischeehafter Allgemeinplätze zum Thema toxische Maskulinität war’s das dann aber leider auch schon wieder…
22. – 23. April: Ein Horror-Highlight weit vor Kinostart!
Ein Architekt (Thomas Niehaus) steckt im umgekippten Dixi-Klo fest, währen Micaela Schäfer in der eröffnenden Traumsequenz ausgerechnet zur Musik der Münchner Freiheit strippt – und dann heißt der Film auch noch „Ach du Scheiße!“. Da kann man doch gar nicht mehr anders, als platt-dummen Billig-Trash zu erwarten. Aber Pustekuchen! Hier gehen der ansteigende Suspense in Anbetracht der baldigen Sprengung und der karikaturesk-schwarze Humor um die Machenschaften eines Psycho-Bürgermeisters (Gedeon Burkhard oben auf dem Titelbild dieses Artikels) über weite Strecken erstaunlich gut ineinander über.
Der Film ist wirklich sooooo viel besser, als es Plot und Titel vermuten lassen – und falls ihr euch davon selbst schon fünf Monate, bevor „Ach du Scheiße!“ dann im September regulär in die Kinos kommt, überzeugen wollt, solltet ihr euch wahrscheinlich beeilen, denn gerade bei diesem Titel dürften die 200 Karten eher früher als später vergriffen sein:
» "Ach du Scheiße!" bei Hard:On:Line
Warum „Ach du Scheiße!“ und speziell dessen Regisseur durchaus das Zeug dazu haben, das darbende deutsche Genrekino ein ganzes Stück weit nach vorne zu bringen, könnt ihr übrigens auch in unserer ausführlichen Kritik zum Film nachlesen:
Ach du Scheiße!Neben dem überraschenden Highlight „Ach du Scheiße!“ gibt es zum Abschluss auch noch unser persönliches Low-Light im Stream: In Kapiteln erzählt, in Schwarz-Weiß gefilmt, mit prätentiösen Schnitt- und Sound-Design-Entscheidungen garniert mutet „The Parker Sessions“ an wie ein Film, den ein Filmstudent ausschließlich für andere Filmstudent*innen gedreht hat. Zumal die Story um eine an Schlafstörungen leidende junge Frau und ihren psychologischen Berater nicht mehr ist als ein grausam in die Länge gezogener Kurzfilm-Joke. Furchtbar nervig…
Highlights aus dem übrigen Programm
Neben den Beiträgen, die nun auch online angeboten werden, liefen auf dem Hard:Line-Festival noch sieben weitere Langfilme, darunter aserbaidschanischer Survival-Horror „Aporia“ (fängt verstörend-intensiv an, wird dann aber, sobald die Hauptfiguren in einem Erdloch festsitzen, zunehmend unplausibel) und der vor allem im Finale aufdrehende, aber bis dahin unnötig umständlich erzählte Selbstjustiz-Nu-Metal-Reißer „The Retaliators“ …
Nachdrücklich empfehlen für eure persönliche Watchlist der kommenden Monate möchten wir euch aber vor allem zwei der Titel: In „Catch The Fair One“ gibt die US-amerikanische Profiboxerin Kali Reis ihr Debüt als Schauspielerin – und brilliert dabei mit einer wahnsinnigen Leinwand-Präsenz! Der Regisseur und Co-Autor Josef Kubota Wladyka, der nicht von ungefähr auch für die neue Michael-Mann-Serie „Tokyo Vice“ angeheuert wurde, erzählt auf absolut geradlinige, betont zurückgenommene und gerade deshalb so einnehmende Weise von einer Ex-Boxweltmeisterin, die sich freiwillig von Menschenhändlern verschleppen lässt, um so womöglich ihre schon vor Jahren verschwundene jüngere Schwester wiederzufinden…
Eine absolute Entdeckung ist auch „The Medium“, der schon auf einer ganzen Reihe von Festivals – zu Recht – mächtig Eindruck hinterlassen hat. Ja, der Found-Footage-Ansatz um eine Dokumentarfilm-Crew, die die Arbeit einer thailändische Schamanin verfolgt, wird nicht konsequent umgesetzt – und dennoch sorgt Banjong Pisanthanakun mit seiner zunächst noch naturalistischen, dann zunehmend ins Ungemütliche bis geradeheraus Verstörende kippenden Inszenierung für reichlich frischen Wind im ansonsten so ausgelutschten Exorzismus-Genre…