Twists und Turns auf dem Weg zum Slasher-Feminismus
Von Jochen WernerDass der Bohrmaschinen-Horrorfilm „The Slumber Party Massacre“ von 1982 nicht unbedingt zu den ganz großen Klassikern des Slasher-Genres zählt, liegt sicherlich auch an der etwas chaotischen Entstehungsgeschichte. Die Schriftstellerin Rita Mae Brown, die heute vor allem für eine Endlosserie von Katzenkrimi-Bestsellern bekannt ist, in den 70er Jahren aber eine durchaus radikale lesbische Aktivistin war, hatte das Drehbuch zunächst unter dem Titel „Sleepless Nights“ als feministische Persiflage auf die als allzu heteronormativ empfundenen Filme der ersten Slasher-Welle um „Halloween“, „Freitag der 13.“ und ihre endlos vielen Rip-Offs geschrieben. Als das Skript nach einiger Zeit in der Schublade schließlich doch in Produktion ging, hatte Produzent Roger Corman allerdings längst beschlossen, die parodistischen Elemente zugunsten einer konventionelleren Herangehensweise zurückzunehmen – und so entstand ein seltsam gespaltener Film.
Zwar waren im finalen Film noch vereinzelte Spurenelemente jenes weiblichen Blicks zu erkennen, der Brown ursprünglich einmal als Gegengewicht zum etablierten male gaze des Genres vorschwebte (auch wenn wir spätestens seit Carol J. Clovers „Men, Women, And Chainsaws: Gender In The Modern Horror Film“ wissen, dass es sich mit dem male gaze dann doch nicht ganz so einfach verhält und die Identifikationsstrukturen im Slasher-Genre durchaus geschlechterübergreifend und mithin queer funktionieren). So richtig zum Alleinstellungsmerkmal in der nahezu unüberschaubaren ersten Slasherwelle reichte dieser im Keim erstickte Ansatz jedoch nicht. Eine ganze Reihe von Fans hat der nie in Deutschland veröffentlichte Film gleichwohl bis heute – einfach weil er ein wunderbar knapper, geradliniger, etwas struppiger Vertreter seines Genres ist.
Der Bohrmaschinen-Killer ist zurück ...
Nach zwei qualitativ recht unterschiedlichen Sequels, der grellen und sehr blutigen Pop-Splatter-Komödie „Slumber Party Massacre II“ von 1987 und dem etwas faden „Slumber Party Massacre III“ von 1990, wagt sich Regisseurin Danishka Esterhazy („The Banana Splits Movie“) nun an ein offen feministisches Reboot: Das neue „Slumber Party Massacre“ nimmt somit, etwas paradox, gar nicht unbedingt eine revisionistische, sondern eher eine restaurative Perspektive gegenüber der Vorlage ein. Das Remake versucht also anders als etwa Sophia Takals „Black Christmas“ von 2019 nicht, das Original gegen den Strich zu lesen – vielmehr versuchen Esterhazy und ihre Mitstreiter*innen, jenes Projekt freizulegen, das Rita Mae Brown ursprünglich einmal vorschwebte.
Um das zu erreichen, bricht sie in ihrem ausgerechnet für die Billig-Trashschmiede SyFy („Sharknado“) inszenierten Film zunächst einmal mit der zweiten goldenen Regel der Slumber-Party-Massaker, der zufolge keiner der Filme länger als 75 Minuten sein darf. Die erste goldene Regel hat hingegen weiter Bestand: Alle Beiträge zur Reihe werden von Regisseurinnen inszeniert, was in den Achtzigern in diesem Genre durchaus noch recht ungewöhnlich war. Da allerdings die ersten zehn Minuten einem 30 Jahre vor der Haupthandlung spielenden Prolog gewidmet sind, kommt es dann für die eigentliche Pyjamaparty rechnerisch doch wieder aufs selbe heraus – auch wenn Esterhazy diese Spielzeit völlig anders nutzt als der narrativ minimalistische Vorläufer.
Der Reboot ist nämlich zum Platzen vollgestopft mit allerlei Twists und Turns, von denen an dieser Stelle nicht zu viel preisgegeben werden soll, da ihr Nachvollzug den Spaß an diesem Film doch bedeutend erhöht. Dabei fängt doch alles so klassizistisch an: ein Ferienhaus an einem einsamen See, eine Pyjamaparty, eine einzelne Überlebende und ein vermeintlich toter Killer, dessen Leiche aber nie gefunden wurde. Dann, fast 30 Jahre später, die ewige Wiederholung des immer Gleichen, die Tochter einer traumatisierten Mutter auf einem Roadtrip mit amüsierwilligen Freundinnen, eine Autopanne, dasselbe Ferienhaus…
Der erste große Twist kommt dann aber rasch, clever und wirkungsvoll, Genrekonstellationen werden hier ebenso lustvoll verdreht wie Geschlechterbilder, insbesondere wenn dann noch eine ziemlich beschränkte Jungstruppe mit Rollennamen wie „Guy 1“ und „Guy 2“ ins Spiel kommt, die Esterhazy hier mit einer ansteckenden Freude beim Kissenschlachten und Duschen filmt, wie man sie sonst höchstens noch aus den homophilen Slashern von David DeCoteau (das Mastermind hinter der minimalistischen „1313“-Reihe) kennt. Und wenn dann auf halber Strecke plötzlich schon alles auserzählt erscheint, dreht das temporeiche Skript dann doch noch ein paar neue Pirouetten – die meisten davon inspiriert und/oder witzig.
... um sich 30 Jahre später auf einer neuen Pyjama-Party seine Opfer zu suchen.
Im Falle eines solchen revisionistischen Meta-Horrorfilms darf natürlich auch nicht die Frage fehlen, wie es denn, jenseits all der ironischen Spielereien, um das Funktionieren des Ganzen als Genrefilm aussieht. Denn das vergisst man ja mitunter allzu leicht beim Dekonstruieren all dieser Genreklischees – dass das Slasher-Publikum aller postmodernen Cleverness zum Trotz meist trotzdem eingeschaltet oder seine Eintrittskarte gekauft hat, weil es halt gern Slasher sieht, auch wenn das Genre meist gar nicht so doof ist, wie es hin und wieder verkauft wird.
Aber auch in dieser Hinsicht bleibt nur festzustellen, dass Esterhazy den Slasherfilm offensichtlich sowohl verstanden hat als auch liebt, denn der Tonfall verrutscht ihr nur ganz selten einmal kurz ins allzu Witzelnde. Über weite Strecken ist „Slumber Party Massacre“ einfach ein hervorragend funktionierender, gut inszenierter Slasher, in dem halt nur einige Dinge völlig anders laufen als man es im Genre gemeinhin gewohnt ist...
Fazit: Vor den Vorgängern aus der 80er-Jahre-Slasherwelle muss sich Danishka Esterhazys cleveres, feministisches Reboot ganz und gar nicht verstecken. Vollgepackt mit Plottwists und überraschenden Abweichungen von der Standardformel macht „Slumber Party Massacre“ extrem viel Spaß – sowohl als gut inszenierter Genrefilm als auch als oftmals ziemlich lustige Dekonstruktion von Genreklischees.
Wir haben „Slumber Party Massacre“ im Rahmen des Hard:Line Festival 2022 gesehen, wo der Film als Abschlussfilm gezeigt wurde.