Wenn ein neuer Disney-Animationsfilm weltweit weniger als 235 Millionen Dollar an den Kinokassen generiert, liegen die Worte „finanzielle Enttäuschung“ schnell auf den Lippen. Von dem Trickstudio wird schlicht mehr erwartet. Ja, selbst von der Allgemeinheit längst vergessene Disney-Trickfilme wie „Bärenbrüder“ haben bessere Ergebnisse erzielt. Und auch die Pandemie lässt sich nur noch begrenzt zur Erklärung heranziehen – beweist aktuell doch „Sing 2“, dass Animationsmusicals auch unter den aktuellen Umständen höhere Ergebnisse erzielen können.
Trotzdem ist hier keineswegs von einem verborgenen Disney-Juwel die Rede. Denn dem ernüchternden Kino-Ergebnis zum Trotz hat sich „Encanto“ längst zu einem globalen Phänomen gemausert, dem ein Ehrenplatz in der Trickfilmhistorie sicher ist. Wer sich den historische Zahlen schreibenden Trickfilm anschauen will, ist übrigens nicht weiter auf's Streaming (der Film ist seit Weihnachten auch bei Disney+ verfügbar) angewiesen. Denn ab dem 10. Februar 2022 ist „Encanto“ auf DVD und Blu-ray erhältlich.
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Als Bonus sind auf der Blu-ray unter anderem der Kurzfilm „Far from the Tree“, Pannen-Clips von den Tonaufnahmen, geschnittene Szenen und Mini-Dokus über die Entstehung von „Encanto“ enthalten. Das Deluxe-Set ist nicht nur hübscher aufgemacht als die Standard-Edition, sondern enthält auch Sammelkarten mit Designs aus dem Film.
Das ist "Encanto"
In den Bergen Kolumbiens führen die Madrigals ein zauberhaftes Dasein: Nicht nur, dass sie in einem farbenfrohen, magischen Haus leben – alle Nachkommen der Matriarchin Abuela verfügen seit ihrer Kindheit über besondere Kräfte! Naja, fast alle. Die quirlige, unangepasste Mirabel hat nämlich keine spezielle Fähigkeit, was sie gewissermaßen zur Außenseiterin macht. Wenigstens ist sie keine Persona non grata wie ihr Onkel Bruno! Doch als Mirabel anfängt, über dieses schwarze Schaf zu recherchieren, entstehen ernsthafte Risse im Familienidyll...
Das von Jared Bush, Byron Howard („Zoomania“) und Charise Castro Smith („Spuk in Hill House“) inszenierte Animationsmusical lässt sich guten Gewissens als Sleeper-Hit bezeichnen. Denn zunächst zeigte das Publikum Berührungsängste mit dem Stoff: In Deutschland etwa wurden während der Kino-Startwoche weniger als 100.000 Tickets verkauft. In den USA startete der Film während des verlängerten Thanksgiving-Wochenendes und generierte mit 40,6 Millionen Dollar ein geringeres Einspiel als etwa Pixars Dinosaurier-Abenteuer „Arlo & Spot“, der sechs Jahre zuvor auch mit 55,4 Millionen als großer Misserfolg galt.
Doch durch hervorragende Mundpropaganda entwickelte sich „Encanto“ allmählich zum Phänomen – und ging im Streaming schließlich völlig durch die Decke. Laut dem Marktforschungsinstitut Nielsen wurde der Film allein in den USA in seinen ersten beiden Wochen nach Streamingstart noch häufiger abgerufen als der parallel veröffentlichte Netflix-Megahit „Don't Look Up“.
Viel Liebe für Bruno
Der Status von „Encanto“ als weltweites Phänomen zeigt sich allerdings am deutlichsten in der Popularität des Soundtracks. Der größte Hit, „Nur kein Wort über Bruno“ (oder wie er im Original heißt: „We Don't Talk About Bruno“) wischt mit dem jahrelang omnipräsenten „Lass jetzt los“ aus „Die Eiskönigin“ geradezu den Boden – sei es in Sachen YouTube-Aufrufe oder auf diversen Musik-Streamingportalen.
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Um den gigantischen Erfolg von „We Don't Talk About Bruno“ in Relation zu setzen, muss man sogar bis in die sogenannte Disney-Renaissance zurückgehen: Der eingängige Song von „Hamilton“-Schöpfer Lin-Manuel Miranda ist das erste Disney-Lied seit „A Whole New World“ aus „Aladdin“, das es an die US-Chartspitze geschafft hat. Und von der Liebesballade aus dem 90er-Jahre-Klassiker wurde immerhin ein Pop-Cover veröffentlicht, während die Lästernummer über den geheimnisvollen Bruno Madrigal eine waschechte, vom Filmkontext abhängige Musicalnummer darstellt. Das macht ihren Erfolg umso beeindruckender.
Ein moderner Disney-Klassiker
Dem gigantischen Erfolg der „Encanto“-Songs zum Trotz, wäre es aber ein Fehler, den beschwingten Fantasyfilm auf seine Musik zu reduzieren. Denn die Geschichte über intergenerationale Traumata, familiäre Fehlkommunikation und die Unfähigkeit, besorgte Warnungen als solche zu erkennen, wird auch für ihre Story, ihren Look und ihre illustren Figuren gefeiert.
In der FILMSTARTS-Kritik etwa wird „Encanto“ als „eine fabelhaft gestaltete, musikalisch mitreißende Familiengeschichte“ bezeichnet, die neben wunderschönen Bildern und Figuren voller Ecken und Kanten auch immens hohen Identifikationsfaktor bietet. Und auch wenn es also in den ersten Tagen der „Encanto“-Kinoauswertung nicht so aussah: Ein neuer Disney-Klassiker ist geboren.
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