Anfang Dezember 2020 gab Warner bekannt, dass alle Kinostarts 2021 in den USA zeitgleich auch beim Streamingdienst HBO Max verfügbar sein werden. Noch immer ist nicht endgültig klar, was das für die meisten anderen Länder der Welt bedeutet. Es gibt nur wenige Ausnahmen: So wurde etwa in Großbritannien ein Sky-Deal abgeschlossen, der das Streaming-Angebot nur wenige Wochen nach Kinostart vorsieht.
In Deutschland soll hingegen – Stand jetzt – an einer klassischen Kinoveröffentlichung und späteren Pay-TV-Auswertungen bei Sky festgehalten werden. Der zeitliche Abstand zwischen Kino und Streaming ist aber noch offen (dasselbe gilt für einen Alternativplan, wenn die Kinos doch noch länger geschlossen bleiben).
Mit der Ankündigung überraschte Warner die gesamte Branche – inklusive der eigenen Mitstreiter*innen: Die Regisseure Christopher Nolan („Tenet“) und Denis Villeneuve („Dune“) übten öffentlich harsche Kritik. Besonders entsetzt soll man zudem bei Filmproduktionsfirma Legendary sein – und nun sogar über eine Klage nachdenken.
Die eigenen Partner sind sauer
Legendary war unter anderem an der „Dark Knight“-Trilogie und der „Hangover“-Reihe beteiligt. Und auch sonst produziert das Studio regelmäßig Filme für Warner – darunter mit „Godzilla Vs. Kong“ und „Dune“ zwei der potenziell größten Blockbuster 2021 im Portfolio des Studios. Legendary trug bei beiden Projekten rund 75% der Produktionskosten und partizipiert dafür erheblich an den Kinoeinnahmen.
Doch genau diese dürften mit einem parallelen HBO-Max-Start ziemlich einbrechen. Wenn Leute die Filme gleichzeitig zu Hause streamen können, werden weniger ins Kino gehen. Und von den Streamingeinnahmen bei HBO Max sieht die Produktionsfirma womöglich keinen Cent. Denn dort schließen die Kund*innen ein allgemeines Abo und bezahlen nicht für einen Film. Die Einnahmen lassen sich also nicht einem speziellen Film zuordnen.
Die Produktionsfirma ist also ziemlich sauer, weil sie sich um viel Geld gebracht sieht. Geholfen hat dabei sicherlich auch nicht, dass Legendary von der Warner-Ankündigung ebenfalls erst kurz vor der Pressebekanntgabe informiert und somit vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.
Ist das "Dune"-Franchise bereits tot?
Bei Legendary gibt es aber noch weiteren Grund zum Ärger. „Dune“ sollte ein Franchise starten. Es war ein zweiter Kinofilm geplant und eine Serie. Mit beidem hätte Legendary noch einmal viel Geld verdient, vor allem mit der Serie. Wenn der erste Film im Kino nicht genug einspielt, sind diese Pläne allerdings direkt wieder Geschichte.
Von seiten des Produktionsstudios soll es sogar heißen, dass das „Dune“-Franchise mit den aktuellen Streamingplänen bereits tot sei. So ähnlich sieht es auch Regisseur Denis Villeneuve, der bereits beklagte: „Warner Bros. hat womöglich gerade das 'Dune'-Franchise gekillt!“
Schachern um "Godzilla Vs. Kong"
Für viele Brancheninsider ist klar, dass Warner nun reagieren muss. Da „Dune“ erst im Herbst 2021 anlaufen soll (aktueller deutscher Kinostart: 30. September 2021), wenn sich die Corona-Situation womöglich gebessert hat, scheint ein Einlenken des Studios denkbar: „Dune“ kommt doch exklusiv in die Kinos – und Legendary verzichtet im Gegenzug auf eine Klage.
Dabei könnte auch „Godzilla Vs. Kong“ eine Rolle spielen. Im Gegenzug könnte Legendary hier dem Streamingstart zustimmen und keine Klage anstrengen, die auf eine exklusive Kinoveröffentlichung abzielt. Allerdings will die Produktionsfirma dafür womöglich Geld sehen. Schließlich soll Netflix zwischenzeitig 250 Millionen Dollar für die Streamingrechte am Monster-Treffen geboten haben.
Warner erteilt dem Angebot damals eine Absage. Wenn Warner den Film aber nun auf dem eigenen Streamingdienst ausrollt, will Legendary das Geld halt vom bisherigen Partner sehen. Dann droht doch noch eine Klage – halt nicht auf einen Kinostart abzielend, sondern auf die Geldzahlung.
Auch Will Smiths "King Richard" ist ein Streitfall
Immer mehr drängt sich aber der Eindruck auf, dass bei Warner die Streamingentscheidung ohne Rücksicht auf bestehende Verträge getroffen wurde. Das beklagen nicht nur Filmschaffende wie Villeneuve oder Partner wie Legendary, sondern zeigt auch der Film „King Richard“.
Das Sport-Biopic über den von Superstar Will Smith gespielten Vater der Tennis-Legenden Venus und Serena Williams soll ebenfalls 2021 erscheinen. Auch hier kündigte Warner an, den Film parallel zum Kinostart auf HBO Max zu zeigen. Doch womöglich ist dies gar nicht erlaubt.
Denn wie Deadline berichtet, sehen die Verträge mit Will Smith und der Williams-Familie ausdrücklich vor, dass der Film exklusiv zuerst im Kino gezeigt werde. Dieser Punkt sei sogar das Argument gewesen, warum der Film überhaupt bei Warner landete und nicht bei Netflix, wo auch großes Interesse bestand. Folglich droht auch hier eine juristische Auseinandersetzung, sollte Warner an seinem Plan festhalten.
Es sind nicht die einzigen Rechtsstreitigkeiten, die drohen. So dürften zum Beispiel auch viele Schauspielerinnen und Schauspieler, die an den Kinoeinnahmen beteiligt sind, darüber nachdenken, ob sie hier nicht gerade um Geld gebracht werden. Für Missmut soll in der Branche sorgen, dass „Wonder Woman 1984“-Regisseurin Patty Jenkins und Hauptdarstellerin Gal Gadot von Warner angeblich eine Entschädigung für diese Ausfälle gezahlt wurde, andere Stars ein solches Angebot aber nicht bekamen. Einige Stars sollen schon überlegen, die PR-Arbeit für die Filme (also Interviews etc.) zu boykottieren.
Serienkiller-Thriller "The Little Things" macht den Anfang
Die Details zu den Streitigkeiten rund um Warners Streaming-Strategie erreichen uns übrigens via Deadline rund um die Veröffentlichung des ersten Trailers zu „The Little Things“ - nicht ganz ohne Grund.
Nachdem „Wonder Woman 1984“ als Sonderfall gerade schon bei HBO Max erschien, ist der mit Denzel Washington, Rami Malek und Jared Leto hochkarätig besetzte Serienkiller-Thriller der erste Kinofilm 2021, der die Parallel-Auswertung Kino und Streaming bekommen wird.
In Deutschland steht für „The Little Things“ weiter ein Kinostart am 28. Januar 2021 im Kalender und es bleibt spannend, was Warner hierzulande macht. Doch nicht weniger spannend ist wohl, ob das renommierte Hollywood-Studio seine großen Pläne, den schwach gestarteten eigenen Streamingdienst zu pushen, tatsächlich so durchziehen kann wie geplant. Und wenn sie es durchziehen, welche Auswirkungen sich daraus für die Zukunft ergeben, weil Stars & Regisseure so sauer sind, dass sie bei folgenden Projekten lieber mit anderen Studios zusammenarbeiten...