Seit heute steht fest, wer die Oscars 2020 gewinnt. Alle knapp 8.500 Wähler mussten ihre Stimmzettel abgeben, der Computer hat sie auch direkt ausgewertet und genau zwei Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers kennen schon die Ergebnisse – und müssen sie nun noch ein paar Tage für sich behalten.
Der Hollywood Reporter hat eine feste Tradition zum Ende der Oscar-Wahlen. In dem Branchenblatt erscheinen dann mehrere „brutal ehrliche Oscar-Stimmzettel“ diverser Academy-Mitglieder. Und natürlich sucht man sich beim Hollywood Reporter dann immer Personen mit provokanten, für Aufsehen sorgenden Aussagen raus – doch dieses Jahr trifft das ganz besonders zu.
Nationalismus bei den Oscars?
Die Aussagen stammen von einer Schauspielerin, die natürlich sonst anonym bleibt, da die Wahlen eigentlich auch geheim bleiben sollen – und ihre Kernaussage steht fundamental gegen die aktuellen Bestrebungen der Oscars.
Die anonyme Person ist nämlich der Meinung: Die Oscars sind ein amerikanischer Filmpreis und es sollen nur amerikanische Filmschaffende gewinnen.
Auch wenn es historisch natürlich korrekt ist, dass die Oscars ein amerikanischer Filmpreis sind, entwickeln sie schon lange in eine Gegenrichtung. Es geht mittlerweile um Filme, die in Nordamerika in den Kinos gelaufen sind, aber von Personen aus aller Welt gemacht wurden und sogar aus aller Welt stammen können.
Die Academy versucht sogar ganz bewusst, genau diese Internationalität zu verstärken: Seit Jahren werden mehr und mehr Mitglieder aus aller Welt eingeladen (also längst nicht mehr nur amerikanische oder in Amerika arbeitende Filmschaffende). Mit „Parasite“ könnte in diesem Jahr sogar das allererste Mal eine nicht-englischsprachige Produktion den Oscar für den besten Film gewinnen.
Selbst Sam Mendes hat bei ihr keine Chance
So stimmte die anonyme Wählerin in der Kategorie „Beste Regie“ für Quentin Tarantino. „Ich will, dass ein amerikanischer Regisseur gewinnt. Die Oscars sind eine amerikanische Sache, britische Dinge gewinnen die BAFTAS“, erklärte sie so, warum der Brite Sam Mendes für „1917“ bei ihr keine Chance hat, obwohl sie dessen Regie mag.
Eigentlich konnte sie sich in der Kategorie sogar nur zwischen „Joker“-Regisseur Todd Phillips und Tarantino entscheiden, denn der dritte Amerikaner Martin Scorsese hat mit „The Irishman“ einen Film abgeliefert, der sie gar nicht begeistern konnte: „Niemand will es sagen, aber der ist einfach nicht gut.“
Mit ihrer Stimme für Tarantino dürfte die Wählerin aber nicht die Mehrheit der Academy vertreten - und am Ende wahrscheinlich sogar enttäuscht werden, weil wohl gerade kein Amerikaner das Rennen macht. Denn die Favoriten in dieser Kategorie, zwischen denen es sich entscheiden dürfte, sind ausgerechnet die einzigen beiden Nicht-Amerikaner: Der bereits angesprochene Brite Sam Mendes und der Südkoreaner Bong Joon-ho.
Mehrere Enthaltungen
Die kompletten Erklärungen des Wahlzettels mit weiteren brutal-ehrlichen Aussagen gibt es übrigens beim Hollywood Reporter. Dort erzählt die anonyme Wählerin auch, dass sie sich in verschiedenen Kategorien enthalten hat: in zwei Kurzfilm-Kategorien, weil sie keine Zeit hatte, die Filme zu schauen, bei den besten Songs, weil sie keinen einzigen mochte sowie in den Kategorien für die beste Tonmischung und den besten Tonschnitt.
Denn wie so viele Oscar-Wähler kennt sie hier den Unterschied nicht (eine leicht heruntergebrochene Erklärung gibt es übrigens in Folge 5 unseres Podcasts Leinwandliebe). Viele Wähler stimmen deswegen einfach in beiden Kategorien für denselben Film, sie enthielt sich stattdessen.
Die Oscars werden übrigens in der Nacht von Sonntag, den 9. Februar, auf Montag, den 10. Februar, verliehen. Auf unserem Twitter-Kanal begleiten wir die Oscarverleihung live – mit Tipps, Einschätzungen und Infos rund um den bedeutendsten Filmpreis der Welt.
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