In den USA hat es schon länger Tradition. Kurz vor der Oscarverleihung rücken auch die wenigen Filme, die meist keine umfangreiche Präsenz auf der großen Leinwand haben, in den Fokus: die Kurzfilme. In Paketen gibt es so die Möglichkeit, diese im Kino zu schauen.
In Deutschland verschafft uns der Berliner Verleih DCM diese Möglichkeit. Ab dem heutigen 30. Januar 2020 gibt es in zahlreichen Kinos die fünf nominierten Filme für den Besten Live-Action-Kurzfilm sowie die fünf nominierten Filme für den besten animierten Kurzfilm jeweils im Paket zu sehen.
Nicht nur Leute, die gerne möglichst alle oscarnominierten Beiträge vor der Verleihung sehen wollen, dürfte das freuen. Denn auch wenn man gar nicht so an den Oscars interessiert ist, lohnen sich die Kompilationen, die in diesem Jahr besonders stark sind. Wir haben uns nämlich alle zehn Filme schon einmal für euch angeschaut.
Die besten animierten Kurzfilme
Das Feld der besten animierten Kurzfilme ist in diesem Jahr besonders stark – mit fünf auf sehr unterschiedliche Art berührenden Filmen und vor allem auch sehr unterschiedlichen visuellen Stilen. Hier wird so gleichzeitig auch die Breite des Animationsfilms wunderbar dargestellt. Geschickt ist auch die Entscheidung, die beiden eher leichteren Kurzfilme an Anfang und Ende des Fünferpacks zu stellen. Mit dem Quintett ist es dann übrigens noch nicht vorbei.
„Hair Love“: Die berührende Geschichte eines kleinen Mädchens, dessen wilde Haarmähne den Vater vor große Probleme stellt. Die wundervoll animierte, via Kickstarter finanzierte Geschichte begeistert mit viel Liebe und einem berührenden Schluss.
„Daughter“: Die Erzählung der sprachlosen Beziehung einer Tochter zu ihrem Vater ist vor allem visuell ein Augenschmaus. Die Puppen werden mit eindrucksvoller Stop-Motion-Manier in Szene gesetzt, vor allem die Kameraeinsätze sind herausragend.
„Sister“: Auch „Sister“ ist ein Stop-Motion-Puppen-Film, dessen Hauptfiguren aber aus Stoff sind, sodass sich der Look dann doch deutlich von „Daughter“ unterscheidet. Die Auseinandersetzung mit Chinas langjähriger Ein-Kind-Politik hat ein Finale, das sich als Schlag in die Magengrube entpuppt.
„Mémorable“: Ein weiteres ernstes Thema behandelt „Mémorable“: Demenz. Ein Maler steht im Mittelpunkt und wir sehen die Welt durch seine Augen, was dafür sorgt, dass erst bei modernen Objekten aber schnell bei anderen Menschen Farben und Formen verschwinden. Herausragend!
„Kitbull“: Der wohl bekannteste nominierte Film in dieser Kategorie, denn er stammt von den Animationskünstlern von Pixar. Er ist im Gegensatz zu den meisten Pixar-Produktionen aber in 2D animiert, hat so einen ganz eigenen, bewusst etwas reduzierteren Look. Die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einer streunenden Katze und einem nur auf den ersten Blick gefährlichen Pitbull wird zudem gerade Tierfreunde berühren.
Da die fünf oscarnominierten animierten Kurzfilme gemeinsam noch deutlich von der Spielzeit eines durchschnittlichen Kinofilms entfernt sind, werden im Anschluss übrigens noch vier weitere aktuelle animierte Shorts gezeigt. Diese bleiben inhaltlich teilweise deutlich hinter der Klasse des nominierten Quintetts zurück, aber geben noch einen guten zusätzlichen Überblick über die Breite der aktuellen Animationskünste.
Die besten Live-Action-Kurzfilme
In diesem Jahr kehrt Taika Waititi mit „Jojo Rabbit“ zu den Oscars zurück, denen er schon vor 15 Jahren beiwohnte – damals als Regisseur eines nominierten Live-Action-Kurzfilms. Vielleicht schlagen auch seine in diesem Jahr nominierten Kolleginnen und Kollegen einen ähnlichen Weg ein, denn wie fast in jedem Jahr erweist sich die Kategorie als sehenswerte Talent-Show.
„A Sister“: Den Auftakt der Kurzfilmrolle macht ein belgisches Thriller-Drama um eine junge Frau, die bei einer Notrufzentrale anruft. Sie findet sich in einer misslichen Lage wieder, doch kann nicht frei sprechen und fingiert so ein angebliches Telefonat mit ihrer Schwester. Dabei wird immer wieder die Spannung hochgeschraubt. Ein solider Auftakt, der aber deutlich hinter den besten Filmen des Quintetts zurückbleibt.
„Brotherhood“: Dazu gehört die Geschichte eines tunesischen Schäfers, der eine folgenschwere Entscheidung trifft. Der älteste Sohn kehrt zurück, versteckt sich vor der Polizei, nachdem er sich dem IS in Syrien angeschlossen hatte. Im Gepäck hat er ein hochschwangeres, voll verschleiertes junges Mädchen. Im verengenden 4:3-Bildformat, immer wieder Gesichter die Leinwand füllen lassen, schafft Regisseurin Meryam Joobeur ein eindringliches Drama, bei dem sich auch der Zuschauer mit Vorurteilen auseinandersetzen muss.
„The Neighbors‘ Window“: Ein gestresstes New Yorker Ehepaar mit anfangs zwei, bald drei Kindern beobachtet zuerst zufällig die neuen Nachbarn in der gegenüberliegenden Wohnung durch die großen Fenster beim leidenschaftlichen Sex. Über vier Jahreszeiten rackern sie sich ab, während drüben scheinbar nur zwischen Party und Sex gewechselt wird. Doch worauf der ziemlich vorhersehbare Kurzfilm raus will, dämmert schnell, sodass der Weg bis zu sehr platten Aussage nur wenige amüsante Einzelmomente bietet.
„Saria“: Ein richtig starkes Stück ist dagegen der auf wahren Begebenheiten basierende Kurzfilm „Saria“ von Bryan Buckley über ein Waisenhaus in Guatemala, das mehr einem Gefängnis und Arbeitslager gleich. Angeführt von der jungen Saria planen einige Kinder die Flucht. Das Ergebnis ist ein intensiver, mitnehmender und im Finale erschütternder Film. Eine laute Anklage, der ein möglicher Oscargewinn eine noch lautere Stimme verleihen würde.
„Nefta Football Club“: Wie bei den animierten Kurzfilmen endet man nach diesem harten Tobak wieder auf einer leichteren Note. Die Geschichte zweier fußballbegeisterter Jungs, die im Grenzgebiet zwischen Tunesien und Algerien einen Esel mit Kopfhörern und mit Satteltaschen voller Drogen finden, ist einfach nur grundsympathisch – und hat einige wundervolle Momente.
Eine Empfehlung
Insgesamt können wir euch beide Kurzfilmrollen empfehlen – gerade die fünf starken und visuell so unterschiedlichen Animationsfilme zeigen einmal mehr, wie vielfältig und umfangreich großartige Filmkunst sein kann.
Einen Vorgeschmack gibt auch noch ein kurzer Trailer für das Programm:
Diese Kinos zeigen die Oscar-Kurzfilme
Wenn ihr nun wissen wollt, wo ihr die Kurzfilmpakete in eurer Nähe sehen könnt, haben wir noch eine Liste aller Kinos für euch, die die Kurzfilm-Collagen zeigen werden – alphabetisch sortiert nach Städten.
Aachen
- Apollo-Filmtheater
Aschaffenburg
- Casino Filmtheater
Augsburg
- Thalia
Berlin
- Kino in der Kulturbrauerei
- b-ware!Ladenkino
- Sputnik Südstern
Bochum
- Casablanca - Kino
Bremerhaven
- Passage Kinocenter
Chemnitz
- Metropol
- Weltecho
Dresden
- Thalia - Kino
Düsseldorf
- Souterrain Kino
Erlangen
- Lamm-Lichtspiele
Essen
- Astra - Filmtheater
Frankfurt
- Harmonie Filmtheater
Freiburg
- Kandelhof Kino
Fritzlar
- Cine Royal
Fürstenfeldbruck
- Lichtspielhaus
Ingolstadt
- Union Filmtheater
Karlsruhe
- Schauburg
Kiel
- Studio Filmtheater am Dreiecksplatz
- Traumkino
Leipzig
- Schaubühne Lindenfels
Lübeck
- Kommunales Kino Lübeck
Magdeburg
- Studio-Kino
Marburg
- Capitol
München
- Monopol-Kino am Nordbad
- Museum Lichtspiele
Nürnberg
- cinecitta
- Kino Meisengeige
- Casablanca Kino
Oldenburg
- Cine k
Reutlingen
- Kamino
Saarbrücken
- camera zwo
Stuttgart
- Cinema
Trier
- Broadway-Kino Trier