„Ich möchte [...] glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen“, hat der legendäre Enterprise-Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) einst in seinem ersten „Star Trek“-Kinofilm „Treffen der Generationen“ philosophiert.
Und doch kehrt Darsteller Patrick Stewart rund 17 Jahre nach seinem letzten Auftritt als Picard (im unsäglichen „Star Trek: Nemesis“) nun in die Paraderolle zurück, für die er zuvor schon in ganzen sieben Staffeln von „Star Trek: The Next Generation“ (bzw. „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“, wie die Serie im deutschen Fernsehen hieß) nicht nur von Trekkies gefeiert wurde.
Anders als andere Revivals ruht sich „Star Trek: Picard“ nun aber tatsächlich nicht darauf aus, Vergangenes aufleben zu lassen. Hier wird nicht einfach nur das „Next Generation“-Erfolgsrezept aufgewärmt. Stattdessen bekommen wir in „Picard“ eine konsequente Fortführung des Mythos „Star Trek“ – mit einem gewohnt herausragenden Patrick Stewart.
So knüpft "Picard" an "Next Generation" an
„Star Trek: Picard“ spielt 20 Jahre nach „Nemesis“. Jean-Luc Picard ist nach einem tragischen Zwischenfall und eines anschließenden Grundsatzdisputs mit seinen Vorgesetzten mittlerweile aus der Sternenflotte ausgetreten und hat sich auf sein beschauliches Weingut in Frankreich zurückgezogen.
Sein ruhiges Leben dort nimmt jedoch ein jähes Ende, als eines Tages plötzlich die junge Dahj (Isa Briones) auf seiner Matte steht. Sie eröffnet ihm, dass sie einem Anschlag auf ihr Leben mithilfe der überraschend in ihr schlummernden Kräften entrinnen konnte und schließlich durch rätselhafte Visionen zu ihm geführt wurde. Picard versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, und muss bald feststellen, dass das Ganze etwas mit seinem früheren Freund und Enterprise-Kollegen, dem Androiden Data (Brent Spiner), zu tun haben scheint, der sich einst für ihn und seine Crew geopfert hat...
Endlich eine richtige "Star Trek"-Fortsetzung
Nachdem man sich mit dem „Star Trek“-Kino-Reboot der vergangenen Jahre und der Prequel-Serie „Star Trek: Discovery“ zuletzt davor scheute, die „Star Trek“-Geschichte wirklich weiterzuerzählen, ist es allein schon erfreulich, dass wir mit „Picard“ nun endlich eine waschechte Fortsetzung vorgelegt bekommen.
Die Macher um die „Discovery“-Autoren Alex Kurtzman und Kirsten Beyer sowie Oscargewinner Akiva Goldsman („A Beautiful Mind“) und Pulitzer-Preisträger Michael Chabon haben in der Tat viel Arbeit in die Weiterentwicklung des „Star Trek“-Kosmos gesteckt und auch bedacht, welchen Platz jemand wie Picard dabei einnimmt.
Veränderte "Star Trek"-Welt
Die Welt des 24. Jahrhunderts hat sich in „Picard“ weitergedreht. Und auch der Titelheld selbst ist auf gewisse Weise ein anderer. Oder besser gesagt: Picard ist eigentlich noch derselbe besonnene Mann mit denselben Idealen und Prinzipien – nur weitaus desillusionierter, da seine Wertvorstellungen und die der Sternenflotte über die Jahre offenbar zunehmend auseinander gegangen sind.
Seine diplomatische und empathische Art findet bei seinen eigenen Leuten keinen Anklang mehr. In bester „Next Generation“-Manier wirft auch „Picard“ hier spannende moralische Fragen auf (wenn auch bislang noch nicht so vielschichtig wie die besten Folgen der Vorgängerserie).
An einer Stelle stellt Picard selbst konsterniert fest, dass die bedingungslos für Zusammenhalt und Völkerverständigung eingetretene Sternenflotte inzwischen von Angst und Intoleranz geprägt ist. Kurtzman und Co. schwingen zum Glück nicht allzu stark den Holzhammer, trotzdem fällt es nicht schwer, in „Picard“ – ganz „Star Trek“-typisch – Bezüge zu unserer heutigen Gesellschaft zu sehen.
Selbst in ach so aufgeklärten Ecken schüren Führungspersönlichkeiten bisweilen unnötig Hass und Fremdenfeindlichkeit, sodass man nicht nur in der zukünftigen Welt von „Star Trek: Picard“ manchmal den Eindruck bekommen könnte, dass ein durch und durch vernunftbegabter Mann wie der Ex-Sternenflotten-Admiral zu einer aussterbenden Gattung gehört.
Kein plumper Fanservice
Obwohl „Picard“ uns in die Zukunft der „Star Trek“-Zukunft entführt, bleibt eine gewisse Rückbesinnung auf die Vergangenheit natürlich trotzdem nicht aus. Das liegt bei der Wahl der Hauptfigur einfach in der Natur der Sache. Picard hat sein Päckchen zu tragen und bringt jahrzehntelange Erfahrung mit sich.
Aber zumindest in den ersten drei Folgen von „Star Trek: Picard“ werden Verweise und Anspielungen auf die bisherige „Next Generation“-Geschichte stets so geschickt eingebaut, dass sie niemals zu bloßem Namedropping verkommen, sondern entweder direkt in der Story verwurzelt sind oder zumindest den Gemütszustand des vom Leben gezeichneten Picard illustrieren.
Die Auftaktszene der Serie bringt uns – in einem Traum Picards – beispielsweise sowohl die geliebte Enterprise D als auch Data zurück, gleichzeitig wird hier aber auch schon in wenigen Momenten ein wesentliches Story-Element angedeutet und ein eindringliches Gefühl für diesen älteren Picard vermittelt. Letzteres ist aber vor allem auch Patrick Stewart zu verdanken.
Picard überstrahlt alle(s)
Allein wegen Stewart lohnt sich bei „Star Trek: Picard“ das Einschalten. Der britische Vollblut-Mime lebt die Rolle einfach – und das auch nach all den Jahren noch spielend. Was der 79-Jährige schon in einzelne Blicke zu legen vermag, bekommen andere nicht mal durch größte Mimik- und Gestik-Verrenkungen hin. Dabei scheint er sichtlich Freude daran zu haben, die Integrität seiner Figur zu wahren und sie trotzdem auch in Nuancen weiterzuentwickeln.
Im Gegenzug bleibt die Riege der vielen neuen Nebenfiguren aber erst einmal auf der Strecke. Die müssen aus dem Stand heraus gegen den alles überragenden Jean-Luc Picard bestehen und das klappt zumindest zu Beginn noch nicht wirklich. In ihr Schicksal ist man zunächst nur investiert, weil auch Picard damit verknüpft ist. Ob sie im Laufe der Serie mehr eigenes Profil jenseits gängiger Sci-Fi-Klischees gewinnen und sich halbwegs aus dem Schatten der „Star Trek“-Legende herausbewegen können, bleibt abzuwarten.
Dabei wird sich in den ersten Folgen sogar viel Zeit gelassen, sodass die nötige Bühne dafür eigentlich schon gegeben wäre. „Star Trek: Picard“ legt ein recht gemächliches Tempo vor, das die Macher (bisher) auch nicht durch Action-Overkill künstlich in die Höhe treiben wollen – im Gegensatz zu manch anderem neueren „Star Trek“-Titel. Gerade in Bezug auf die neuen Figuren wird die gestreckte Erzählzeit aber nicht immer effektiv genutzt. Es dauert, bis das Ganze Fahrt aufnimmt. Tatsächlich startet das eigentliche Abenteuer in „Picard“ im Grunde erst am Ende der von uns gesichteten drei Folgen.
Fazit
Auch wenn die Figuren in „Star Trek: Picard“ nicht immer respektvoll mit der titelgebenden Ikone umspringen, die Macher der Serie tun das definitiv. Mit viel Bedacht und der tatkräftigen Unterstützung des brillanten Patrick Stewart bescheren sie der TV-Ikone ein gebührendes Comeback – wogegen der Rest der Serie bislang aber ein Stück weit abfällt.
Nach dem etwas schleppenden Anfang in den ersten drei Folgen, hoffen wir, dass die Serie mit dem eigentlichen Abenteuer im Rest der Staffel ihr ganzes vorhandenes Potential voll entfalten (und sich so in unserer Wertung vielleicht noch einen halben Stern dazu verdienen) kann. Dass „Picard“ dem Sternenflotten-Veteranen einen wesentlich angemesseneren Abschied bescheren wird als einst „Nemesis“, steht für uns aber schon jetzt fest.
Die zehn Folgen der ersten Staffel von „Star Trek: Picard“ laufen in Deutschland ab dem heutigen 24. Januar 2020 immer wöchentlich bei Amazon Prime Video. Eine zweite Staffel ist bereits bestätigt.