Als die Oscar-Wähler Christopher Nolans universell abgefeierten „The Dark Knight“ nicht als Bester Film nominiert haben, wurde anschließend sogar die Zahl der Nominierten in der Königskategorie von fünf auf zehn Filme angehoben. Aber geholfen hat das bisher trotzdem wenig: Von „Avengers“ bis „Wonder Woman“ – immer wieder wurde über die Oscar-Chancen von Comic-Blockbustern diskutiert, aber herausgekommen ist dabei am Ende meist nichts.
Die einzigen nennenswerten Ausnahmen sind bisher der Nebendarsteller-Oscar für Heath Ledger (als Joker in „The Dark Knight“) sowie „Black Panther“ mit sieben Nominierungen (u.a. als Bester Film) sowie drei Siegen für Beste Musik, Beste Kostüme und Bestes Produktionsdesign.
Nach der Verleihung des Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig an „Joker“ wurde dann aber natürlich trotzdem sofort wieder die Frage gestellt: Kann „Hangover“-Regisseur Todd Phillips diesmal den Oscar-Fluch brechen? Immerhin fühlt sich sein düsterer Psychopathen-Noir ohnehin mehr an wie eine Martin-Scorsese-Hommage als ein typischer Comic-Blockbuster…
Das sind die Herausforderungen
Nach der Premiere in Venedig sind jedoch einige Dinge passiert, die der anfänglichen Euphorie und damit den Oscar-Chancen von „Joker“ schaden könnte. Dabei geht es vor allem um…
… die Kritiken, die doch nicht so überschwänglich ausgefallen sind: Zunächst sah es so aus, als würde „Joker“ mit die besten Kritiken des Jahres erhalten. Aber inzwischen ist „Joker“ doch erstaunlich umstritten und auf einen Metacritic-Schnitt von nur noch 59 Prozent abgestürzt. Damit liegt er auf einem Niveau mit „Aquaman“ (55 Prozent) und „Deadpool 2“ (66 Prozent) – und spielt nicht in einer Liga mit universell gefeierten Comic-Verfilmungen wie „The Dark Knight“ (84 Prozent) oder „Black Panther“ (88 Prozent).
… den Vorwurf, der extremen Rechten und fanatischen Waffennarren in die Hände zu spielen: Wir sagen das ganz klar: Unserer Ansicht nach sind diese Vorwürfe Unfug! Aber das ändert nichts daran, dass diese Debatte nun gerade in den USA in der breiten Öffentlichkeit geführt wird – und das könnte den Oscar-Chancen des Films sehr wohl schaden, weil es sich für einige Wähler so einfach nicht gut anfühlen könnte, einem „problematischen“ Film wie „Joker“ die Stimme zu geben.
… Martin Scorsese, der ganz allgemein gegen Comic-Verfilmungen losgestänkert hat: Martin Scorsese ist in Hollywood über jeden Zweifel erhaben – übrigens genau wie Steven Spielberg, der im vergangenen Jahr mit seinem Anti-Netflix-Rant mit dafür gesorgt hat, dass „Green Book“ und nicht „Roma“ den Oscar als Bester Film mit nach Hause genommen hat. Genauso könnten Scorseses Anti-MCU-Aussagen nun auch dafür sorgen, dass einige Wähler im Sinne der Verteidigung des „wahren Kinos“ ihre Stimme eher keinem Comic-Film geben wollen – und das würde dann eben nicht nur „Avengers 4“, sondern auch „Joker“ schaden. Geholfen hat es jedenfalls sicher nicht.
Joaquin Phoenix als Bester Hauptdarsteller?
Die Kollegen der Awards-Seite GoldDerby, die die Meinungen von mehr als 20 erfahrenen Oscar-Experten in ihre Analysen einfließen lassen, sehen Joaquin Phoenix aktuell ganz knapp auf dem zweiten Platz der Schauspieler mit den besten Chancen auf den Oscar-Sieg als Bester Hauptdarsteller. Hauchdünn an der Spitze liegt stattdessen gerade noch Adam Driver („Star Wars 9“) für seine Rolle in Noah Baumbachs Netflix-Scheidungsdrama „Marriage Story“, in dem Driver an der Seite von Scarlett Johansson brilliert (und am Ende auch noch singt, was bei Oscar-Wählern traditionell immer sehr gut ankommt).
Auf den Plätzen hinter den beiden, die den Sieg am Ende aber wahrscheinlich eh unter sich ausmachen werden, liegen noch Konkurrenten wie Robert De Niro in „The Irishman“, Leonardo DiCaprio in „ Once Upon A Time... In Hollywood“ und Antonio Banderas in „Leid und Herrlichkeit“.
Unsere Prognose: Phoenix hat echte Oscar-Chancen, selbst wenn Adam Driver aktuell noch an der Spitze liegt!
"Joker" als Bester Film?
Die Nominierung von „Joker“ als Bester Film wird nach den Rückschlägen der letzten Wochen wohl eine ganz knappe Sache. Ein Sieg scheint ohnehin ausgeschlossen, den werden wohl vielmehr „The Irishman“, „Marriage Story“ und „Once Upon A Time... In Hollywood“ unter sich ausmachen. Womöglich haben auch noch „Parasite“, „Jojo Rabbit“ und „Little Women“ Außenseiterchancen. Die Chancen, dass es „Joker“ aber immerhin noch in die Reihe der Nominierten schafft, liegen aktuell bei etwa Fünfzig-Fünfzig.
Unsere Prognose: 50/50, dass der Film nominiert wird, keine reelle Chance auf einen Gewinn!
Sehr viel besser sind die Chancen hingegen in einer Reihe von technischen Kategorien. Denn da hat „Joker“ mit seiner Quasi-Siebziger-Retro-Optik natürlich eine ganze Menge zu bieten, an dem die Oscar-Wähler kaum vorbeikommen werden.
„Joker“ läuft seit dem 10. Oktober 2019 in den deutschen Kinos.
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