Lange Zeit kannten wir nur die offizielle Ein-Satz-Synopsis zu Christopher Nolans neuem Projekt „Tenet“: „Ein actionreiches Epos, das in der Welt der internationalen Spionage angesiedelt ist.“ Später haben wir dann dank Steuer-Dokumenten der estnischen Verwaltung zumindest erfahren, dass „Tenet“ mit einem Budget von 225 Millionen Dollar offenbar der zweitteuerste Original-Film der Geschichte werden wird (nur hinter James Camerons „Avatar“ mit einem Budget von 237 Millionen Dollar).
Aber womöglich stimmt das gar nicht – und damit meinen wir nicht die Höhe der Kosten, sondern den Status von „Tenet“ als „Originalfilm“. Denn nachdem nun auch der erste, bisher ausschließlich in US-Kinos veröffentlichte Teaser-Trailer (eine Zusammenfassung des darin Gezeigten könnt ihr hier nachlesen) nicht gerade viel Konkretes offenbart, gibt es die Theorie, dass es sich bei dem Film in Wahrheit um eine Art „Inception 2“ handeln könnte ...
... und zwar stammt die Theorie nicht aus den üblichen Foren und Kommentarspalten, sondern aus einem langen Artikel von Kyle Kizu für das Branchenblatt The Hollywood Reporter. In dem Artikel führt der Filmjournalist gleich eine ganze Reihe von Argumenten und Hinweisen an, die für ihn auf eine mögliche engere Verbindung zwischen dem im Juni 2020 startenden „Tenet“ und dem 2010er-Blockbuster „Inception“ (mit Leonardo DiCaprio, Joseph Gordon-Levitt und Tom Hardy) hindeuten.
Die Kinder aus "Inception" als Protagonisten
Kyle Kizu leitet dafür in seinem Artikel zunächst einmal sehr ausführlich her, wie sich Christopher Nolans Perspektive im Laufe seiner Karriere nach und nach verschoben hat: Ging es in vielen seiner früheren Filme von „Prestige - Die Meister der Magie“ bis „Inception“ noch vornehmlich um Männer, die ihre Familien für ihr Arbeit zurücklassen, lenkte bereits der finale Twist von „Interstellar“ den Blick auf die nächste Generation. Denn während man den ganzen Film über glaubt, dass Matthew McConaughey als Joseph Cooper der eigentliche Held der Sci-Fi-Fantasy-Geschichte ist, stellt sich am Ende heraus, dass es in Wahrheit seine Tochter Murph ist, die den Schlüssel zu dem kosmischen Mysterium in den Händen hält, während Joseph (fast) nur noch zum Zuschauen durch das Bücherregal verdammt ist.
In „Tenet“ könnte nun aber direkt die nächste Generation ins Zentrum rücken – und zwar in Form der (inzwischen erwachsenen) Kinder von Cobb (Leonardo DiCaprio) aus „Inception“ (ein Mädchen und ein Junge, dessen jüngere Version damals von Nolans eigenem Sohn Magnus verkörpert wurde). Wäre das der Fall, würden das wohl die Rollen von Elizabeth Debicki und Robert Pattinson sein. Schließlich hat Pattinson für den Film seine Haare blonder gefärbt – und sieht damit Christopher Nolan selbst nicht unähnlich, was natürlich dazu passen würde, dass er in Wahrheit die erwachsene Version von Nolans eigenem Sohn verkörpert (solche verquasten Gedankenspiele mögen echt abgefahren klingen, aber hey, wir sprechen hier über den Regisseur von „Memento“ und „Prestige“). Zudem wurde ja inzwischen auch Michael Caine als einer der Darsteller aus „Tenet“ angekündigt – spielt er also etwa erneut seine Rolle als „Inception“ und damit den Part des Großvaters von Debicki und Pattinson?
Nur die üblichen Werbesprüche?
Kizu geht in seinem Artikel auch auf die Texteinblendungen im Teaser-Trailer zu „Tenet“ ein. Dort heißt es nämlich, dass die „Zeit für einen neuen Protagonisten“ und „die Zeit für eine neue Art von Mission“ gekommen sei. Aber was soll das eigentlich heißen? Nur weil Christopher Nolan mit John David Washington („BlackKklansman“) zum ersten Mal einen schwarzen Hauptdarsteller besetzt hat, würde man das schließlich kaum groß extra in einem Trailer bewerben. Warum also der Hinweis auf einen „neuen Protagonisten“, wenn es doch gar keinen „alten Protagonisten“ gibt? Es sei denn natürlich, der „alte Protagonist“ ist Cobb.
Ähnliches gilt für die „neue Art der Mission“. Solche „neue Art von“-Ankündigungen hört man ja andauernd und in 99 Prozent der Fälle sind sie sowieso nur leeres Marketinggeschwafel. Aber bei Nolan neigen wir schon dazu, zu glauben, dass er auf diese Ansage auch entsprechende Taten folgen lässt – sprich: das Kino mal wieder ein Stück weit neu erfindet. Auch möglich ist aber auch hier, dass sich das „neu“ nicht auf das Medium Kino an sich, sondern lediglich auf die „alte Mission“ in „Inception“ bezieht.
Spionage in der Vergangenheit
Natürlich ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass „Tenet“ gar nichts mit „Inception“ zu tun hat, das gibt auch Kizu ohne Umschweife zu – schließlich hat Nolan bisher noch zu keinem seiner Original-Projekte eine Fortsetzung in Angriff genommen, egal wie erfolgreich sie auch waren (die „Dark Knight“-Trilogie war ohnehin immer schon ein ganz anderes Biest und fällt so auch ein Stück weit aus Nolans Filmografie heraus). Trotzdem könnte man sich das storytechnisch schon ganz gut vorstellen – zumindest klingt Kizus Idee gar nicht mal so weit hergeholt und zudem ziemlich spannend:
Da man im Trailer bereits den Einsatz einer Art SWAT-Team sieht und es zudem Gerüchte gibt, dass Nolan einen extrem aufwendigen Action-Stunt mit einem Panzer gedreht haben soll, spricht vieles dafür, dass es in „Tenet“ nicht nur um Spionage, sondern speziell auch um das Militär gehen wird – und die Inception-Technologie wurde ja ursprünglich auch vom Militär entwickelt. Nun könnte man sich eine Weiterentwicklung dieser Technologie gut vorstellen, die nicht nur das Spionieren in Träumen, sondern auch in anderen Zeiten ermöglicht (die verschiedene Wahrnehmung von Zeit und die daraus resultierenden Folgen haben schließlich in „Inception“ ebenfalls schon eine ganz zentrale Rolle gespielt).
Der Kreisel dreht sich noch immer? Oder auch nicht!
Kizu weist korrekterweise darauf hin, dass man sich nur schwer vorstellen kann, dass Nolan die Ambiguität der letzten Einstellung von „Inception“ (wird der Kreisel nun umfallen oder nicht?) opfert, nur um eine Sequel-Geschichte zu erzählen, die dann noch nicht mal mit Cobb selbst direkt etwas zu tun hat. Wobei: Vielleicht ist Cobbs ja auch schon tot? Dann könnte man das filmische Universum weiterentwickeln und sich noch mehr Gedanken über die Zeit und ihre Wahrnehmung machen, ohne das Original zu beschädigen.
Also noch mal zusammengefasst: Wir glauben es selbst nicht wirklich und würden auch keine zehn Cent darauf wetten, dass sich „Tenet“ tatsächlich als „Inception 2“ entpuppt. Aber es wäre schon irgendwie ganz cool und würde auch von der Story her durchaus passen. Zumal Christopher Nolan sowieso immerzu mit Zeitebenen und Zirkelschlüsseln („Tenet“ ist sicherlich nicht von ungefähr ein Palindrom) hantiert, weshalb ein Sprung zurück ins Jahr 2010 mitsamt einem im selben Moment in die Zukunft weisenden Kniff eigentlich genau das Passende für den womöglich aufregendsten Blockbuster-Regisseur seiner Generation ist.
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