Mit sage und schreibe 150 Millionen Dollar Produktionskosten gilt „The Great Wall“ als teuerste chinesische Koproduktion überhaupt. Mit Matt Damon als Zugpferd sollte auch der westliche Markt erobert werden. Das Fantasy-Setting lieferte darüber hinaus einen frischen Ansatz und hätte genau das Spektakel auffahren können, nach dem sich viele Genrefreunde nach dem Ende der „Hobbit“-Trilogie sehnsüchtig die Finger leckten. „The Great Wall“ liefert uns schließlich eine der schlichtesten, aber auch schönsten Versionen alternativer Geschichtsschreibung in zeitgenössischen Effektfilmen: Die Chinesische Mauer wurde nicht zu Abwehr menschlicher Angreifer errichtet. Dafür ist sie schließlich viel zu gigantisch. Der wahre Anlass waren nämlich Heere von missgelaunten Ungetümen, die die Welt unterjochen wollten und Welle um Welle gegen den Schutzwall brandeten.
Und doch floppte das Schlachten-Spektakel: In den USA wurden gerade einmal 45,5 Millionen Dollar eingespielt. Dass die Gesamtsumme mit knapp 335 Millionen Dollar ordentlich ist, ist nur der sehr ausdauernden und erfolgreichen Auswertung auf dem chinesischen Markt mit 171 Millionen Dollar Einnahmen zu verdanken. „The Great Wall 2“, der sich bei dem verspielt-opulenten Fantasy-Setting durchaus angeboten hätte, ist damit ausgeschlossen.
“The Great Wall“: Nur einer von vielen Flops aus dem Reich der Mitte
„The Great Wall“ stellt nur einen von etlichen Filmen dar, mit denen China versucht, sich mit sündhaft teuren Filmepen an die Spitze des internationalen Markts zu kämpfen. Von den 25 teuersten Filmen, die nicht aus den USA stammen, sind ganze 16 chinesisch. Doch häufig werden die in die Filme gesetzten Hoffnungen unterlaufen.
Das krasseste Beispiel ist „Asura“, der zur Veröffentlichung 2018 bis dato teuerste chinesische Film überhaupt. Geplant wurde der 110 Millionen Dollar teure Filmsuperlativ als Fantasy-Franchise mit den Dimensionen eines „Herr der Ringe“ und weltweitem Appeal. Zu trauriger Berühmtheit gelangte der Film dann aber nur durch seinen katastrophalen Absturz an den Kinokassen in China, woraufhin er nach nur drei Tagen panisch aus den Kinos genommen wurde.
Riesenerfolge im Inland: Die andere Seite der chinesischen Filmwelt
Doch man darf nicht glauben, dass in China nur Flops produziert werden. Die meisten mega-teuren Produktionen aus dem Reich der Mitte sind alleine mit ihren Einnahmen in der Heimat gewaltige Hits. Kurz nachdem der angesprochene „Asura“ floppte, kam „Monster Hunt 2“, kostete mit rund 143 Millionen Dollar noch einmal deutlich mehr, spielte 361 Millionen Dollar ein und brach etliche Kinokassenrekorde. Filme wie Zhang Yimous „The Flowers Of War“ mit Christian Bale, „Dragon Blade“ mit Jackie Chan oder John Woos Historien-Epos „Red Cliff“ waren genauso erfolgreich wie der Mega-Hit „Die wandernde Erde“, der an den chinesischen Kinokassen 2019 mit Einnahmen von 691 Millionen Dollar sogar „Avengers 4: Endgame“ (614 Millionen Dollar) übertraf.
Gerade ein Super-Hit wie „Die wandernde Erde“ oder der patriotische Action-Kracher „Wolf Warrior 2“, der allein in China 854 Millionen Dollar einspielte (mehr als die erfolgreichsten Filme aller Zeiten „Avatar“ und „Avengers 4: Endgame“ in irgendeinem einzelnen Land der Welt), befeuern natürlich zusätzlich die Frage, warum diese Filme nicht im Ausland funktionieren, und hierzulande – wie bei diesen beiden China-Hits – auf Netflix quasi „verramscht“ werden?
Wieso haben es chinesische Großproduktionen bei uns so schwer?
Eine schlichte Antwort kann es naturgemäß nicht geben. Feststeht, dass gerade die enorm teuren Werke zumeist effektbeladene Epen mit einem Hang zu großen Gesten sind. Auch die Grenze zum Kitsch wird gerne überschritten und ein für westliches Verständnis etwas klamaukiger Humor ist häufig substanzieller Bestandteil. Zieht man aber Filme wie „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ oder „Jurassic World: Das gefallene Königreich“ zum Vergleich heran, findet man auch in solchen westlichen Blockbuster-Erfolgen gerne Kitsch und Klamauk. Das allein kann also noch nicht die Ursache sein.
Wenn es aber nicht die Elemente an sich sind, so ist womöglich ihre kulturspezifische Kombination und Gewichtung eine denkbare Erklärung dafür, weshalb chinesische Film-Epen einen so schweren Stand bei uns haben. Humor und Erzählkonventionen orientieren sich schließlich an Grundannahmen, die sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. Dass Filme wie „Avengers: Endgame“ oder die „Fast & Furious“-Reihe auch in China Mega-Hits sind, zeigt zwar, dass kulturelle Unterschiede nicht immer eine Rolle spielen, doch es sind womöglich eher die Ausnahme als die Regel – wie auch zum Beispiel „Tiger & Dragon“ von Ang Lee oder „Hero“ von Zhang Yimou als Gegenbeispiel, die auch im Westen erfolgreich liefen und viel Geld einspielten.
Doch oft fallen Unterschiede in den Sehgewohnheiten so groß aus, dass automatisch bei vielen Kinogängern das Interesse kleiner ist, wenn Filme aus einem anderen Kulturkreis stammen und von „Stars“ angeführt werden, von denen man noch nie gehört hat. Da hilft es dann auch nichts, wenn man wie im Fall von „The Great Wall“ Matt Damon als Galionsfigur dem Geschehen voranstellt.
Das geht übrigens durchaus in beide Richtungen. Es hat schließlich einen Grund, warum zum Beispiel „Transformers 4 - Ära des Untergangs“ extra auf den chinesischen Markt abgestimmt wurde – und dort dann zum damals erfolgreichsten ausländischen Film überhaupt avancierte. Auch von „Iron Man 3“ wurde eigens fürs chinesische Publikum eine alternative Version erstellt. Dort hatten chinesische Stars mehr Screentime und Tony Stark genoss statt Alkohol eine Milch. Bei „The Great Wall“ beschränkte man sich nur auf zwei originale Sprachfassungen (eine englische und eine in Mandarin).
„The Great Wall“ läuft heute Abend um 20:15 Uhr auf RTL.
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