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    Noch aufwändiger als "Kubo": Wie die "Mister Link"-Macher Filmmagie erschaffen

    Nach gefeierten Werken wie „Coraline“ und „Kubo“ bringt Laika mit „Mister Link“ seinen nunmehr fünften Film auf die große Leinwand. Wir hatten die Gelegenheit, uns die beeindruckende Arbeit des Stop-Motion-Studios vor Ort mal genauer anzuschauen.

    Laika

    Als wir auf den Parkplatz der Laika-Studios in einem Vorort von Portland, Oregon einbiegen, können wir uns nur schwer vorstellen, dass an diesem Ort magische Filmmomente entstehen. Dass in dem unscheinbaren Gebäudeblock Nachwuchs-Samurai Kubo gegen einen Skelett-Riesen gekämpft hat oder die aufgeweckte Coraline in einer Knopfaugen-Parallelwelt gelandet ist, könnte uns nicht abwegiger vorkommen. Doch soll uns an diesem regnerischen Tag noch ein wahres „Alice im Wunderland“-Gefühl überkommen: Je tiefer wir in den Laika-Kaninchenbau abtauchen, desto mehr verzaubern uns das schier unfassbare Handwerk und die unbändige Leidenschaft, die hinter der schmucklosen Hausfassade schlummern.

    Nach einem herzlichen Willkommen werden wir kurz nach unserer Ankunft erst einmal in den hauseigenen kleinen Kinosaal geführt, wo uns auch schon Chris Butler begrüßt. Der Filmemacher gehört bereits seit Laikas erstem eigenen Spielfilm „Coraline“ zum Team und ist als sogenannter Head Of Story seitdem für den Feinschliff der Geschichten des Studios verantwortlich. Selbst zur Feder griff er für die Drehbücher zu „Kubo - Der tapfere Samurai“ (als Co-Autor) und „ParaNorman“, den er zusammen mit seinem Kollegen Sam Fell auch inszenierte. Bei Laikas neuem Leinwand-Abenteuer „Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer“ war Butler nun erstmals alleiniger Autor und Regisseur. Und man merkt sofort, dass ihm „sein Baby“ sehr am Herzen liegt.

    Der aufwändigste Laika-Film

    „‚Mister Link‘ ist der ambitionierteste Film, den wir je gemacht haben“, erklärt Butler vollmundig. Dass das in diesem Fall kein leeres PR-Versprechen ist, kann man auch in unserer Kritik zum Film nachlesen, wird vor Ort aber noch eindrucksvoller demonstriert. In der Abenteuer-Komödie, die Butler selbst als Mischung aus „Indiana Jones“, „Sherlock Holmes“ und „In 80 Tagen um die Welt“ beschreibt, verschlägt es den britischen Entdecker Sir Lionel Frost und den titelgebenden Affenmenschen auf eine Reise quer über den Globus. 60 verschiedene Schauplätze wurden für den Film (größtenteils) von Hand errichtet. Zum Vergleich: Der „Mister Link“-Vorgänger „Kubo“ kam gerade mal auf rund 20 unterschiedliche Schauplätze.

    Dieser enorme Aufwand birgt in finanzieller Hinsicht natürlich auch ein gewaltiges Risiko, gerade für die Zukunft von Laika. Die Filme des Studios waren nie große Box-Office-Hits, doch die Tendenz ist hier sogar stark fallend. „Kubo“ gelang es beim bisherigen Standard-Laika-Produktionsbudget von 60 Millionen Dollar gerade so, die Kosten wieder einzuspielen. Auf „Mister Link“, der diesmal noch ein ganzes Stück teurer gewesen sein dürfte, lastet nun ein noch größerer Erfolgsdruck.

    Dessen ist sich auch Chris Butler bewusst: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass der Box-Office-Druck mich kalt lässt. Ich habe diesen Film gerade fertiggestellt und nun große Angst. Ich möchte, dass er erfolgreich läuft. Ich möchte, dass Menschen ihn sehen und lieben. Es ist immer ein großes Glücksspiel. Du hoffst einfach, dass du etwas machst, das die Leute anspricht und berührt.“

    Während der eigentlichen Arbeit an einem Film versuchen Butler und sein Team den finanziellen Aspekt so gut es geht auszublenden, doch früher oder später muss man wohl stärker darauf reagieren, um das Ruder rumzureißen (zumal sich „Mister Link“ Wochen nach unserem Laika-Besuch mit einem US-Einspiel von gerade mal 16 Millionen Dollar tatsächlich als das Laika-Abenteuer mit dem bislang schlechtesten Ergebnis herausstellen sollte).

    Mehr Real- als Animationsfilm

    Fast alles, was man in der neuesten Stop-Motion-Produktion aus dem Hause Laika sieht, ist tatsächlich physisch vorhanden, kann angefasst und bewegt, am heutigen Tag aber vor allem von uns aus nächster Nähe bestaunt werden. „Wir machen hier eigentlich eher einen Realfilm als einen Animationsfilm – mit echten Sets, echten Requisiten und echten Kostümen“, gibt uns Produktionsdesigner Nelson Lowry zu verstehen, als er uns später tiefer in den Laika-Kaninchenbau und durch die riesigen Hallen innerhalb des Studios führt, in denen allein für den „Mister Link“-Dreh über 12.000 Quadratmeter Fläche genutzt wurden.

    Laika

    Chris Butler sieht auch die Vorzüge der traditionellen Tricktechnik gerade gegenüber moderner Computeranimation: „Was Stop-Motion so besonders macht, ist, dass wir hier echtes Licht auf echten Objekten zu sehen bekommen. Das ist etwas, wonach Computeranimation strebt. Die Unvollkommenheit der Realität hat etwas nicht Greifbares, das es so real wirken lässt.“

    5 Jahre in der Mache

    Abgesehen von der finalen Farbkorrektur und dem Einspielen der Filmmusik findet die gesamte Produktion eines Laika-Films innerhalb der eigenen vier Studiowände statt – von der Ideenfindung über die Aufnahmen selbst bis hin zur Nachbearbeitung in der Postproduktion. Das erleichtert den Arbeitsprozess zwar ungemein, dennoch nimmt die Realisierung eines Films hier eine Menge Zeit in Anspruch. Auch die Produktion von „Mister Link“ hat nun alles in allem fünf Jahre gedauert, wovon ein Jahr in die Drehbuchphase und Vorbereitung und je zwei Jahre in den eigentlichen Dreh und die Postproduktion geflossen sind.

    Dass die Laika-Werke trotzdem in einem Abstand von nur zwei bis drei Jahren erscheinen, liegt daran, dass parallel zu einem schon die Arbeit am nächsten begonnen wird. Während wir durch die Laika-Hallen streifen, eröffnet uns Produktionsmanager Dan Pascall so auch, dass ein Teil des inzwischen fast 500 Mann starken Teams irgendwo hier schon fleißig an Film Nummer 6 werkelt. Um was es sich dabei genau handelt, bleibt allerdings noch streng geheim.

    Viele kleine Welten

    Sehr offen ist man dafür bei der Präsentation der Sets aus „Mister Link“. Die einzelnen Areale, in denen sich die Bauten für die verschiedenen Szenen befinden, sind mit riesigen schwarzen Vorhängen voneinander abgetrennt. Und jedes Mal, wenn ein solcher gelüftet wird, treten wir in eine neue kleine Welt ein – von einem opulenten Bergtempel, über einen Bahnhof inklusive Zug bis hin zum Straßenzug einer Westernstadt. Spätestens als wir Sir Lionels Arbeitszimmer genauer unter die Lupe nehmen, hätten wir am liebsten tatsächlich eine Lupe dabeigehabt. Denn der angeschnittene Raum ist nicht viel größer als ein Puppenhaus, aber so vollgestopft mit Einzelteilen, die ihn auch ohne die Protagonisten darin absolut lebendig wirken lassen.

    Laika

    Die Liebe zum Detail, die hier an den Tag gelegt wird, lässt sich kaum in Worte fassen. Ebenso wie bei den Puppen, die die Szenerie hier und da bevölkern, müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass wir hier keine bloßen Modelle, die lediglich der Anschauung dienen, sondern tatsächlich die Schauplätze und „Hauptdarsteller“ des Films vor uns haben, die im fertigen Endergebnis zu sehen sind.

    Kleinschrittige Arbeit

    Dass die Laika-Mitarbeiter besonders akribisch zu Werke gehen, liegt bei Stop-Motion generell in der Natur der Sache. Neben der Erschaffung der Set-Bauten und der Puppen ist die aufwändige Animationstechnik auch der Hauptgrund für die lange Produktionszeit. Damit sich eine Figur im finalen Film flüssig bewegt, werden viele Einzelbilder von ihr aufgenommen, bei der ihre Stellung von Bild zu Bild minimal verändert wird und die später dann aneinandergereiht werden. Dementsprechend wird hier auch nicht mit großen Filmkameras, sondern (fast) ausschließlich mit kleineren Fotokameras gearbeitet. Da sich eine Sekunde Film aus 24 Einzelbildern zusammensetzt, kann man sich vielleicht ungefähr ausmalen, wie kleinschrittig es hier vorangeht. Pro Woche werden in der Regel nur wenige Sekunden Material fertiggestellt, erst recht, wenn – wie so oft – gleich mehrere Figuren in einer Szene vorkommen, die alle individuell animiert werden müssen.

    Um eine reibungslose Umsetzung zu garantieren, werden die Szenen im Vorfeld detailliert mit Storyboards vorskizziert und geprobt. Bei der Realisierung orientiert man sich aber auch stark an der Performance der jeweiligen Sprecher (im Fall von „Mister Link“ etwa Hollywood-Stars wie Hugh Jackman und Zach Galifianakis), die sehr früh aufgenommen wird und die Figuren mit formt. Der eigentliche Durchlauf muss dann sitzen; wenn Einzelbilder nicht passen, wird das ganze Resultat in Mitleidenschaft gezogen.

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    Damit die Figuren inmitten der größeren Sets problemlos platziert und bearbeitet werden können, bestehen letztere aus einzelnen und beliebig verschiebbaren Elementen mit einem Hohlraum darunter, sodass die Animatoren problemlos zu jedem Punkt gelangen können. Für einen sicheren Halt werden die Puppen in spezielle Apparaturen gespannt oder von unten immer wieder festgebohrt, was den ganzen Prozess natürlich noch weiter verlangsamt.

    Lebendige Figuren

    Doch damit nicht genug: Um die unbelebten Figuren so lebensecht wie möglich wirken zu lassen, hat man sich einige raffinierte Kniffe überlegt. So sind nicht nur die Körperteile an sich dank eines besonders beweglichen, aus über 250 Einzelteilen bestehenden Metallskeletts unter der in handgefertigte Kostüme gesteckten und handbemalten Puppenhaut sehr flexibel, auch wird mithilfe besonderer Schraubvorrichtungen zum Heben und Senken des Brustkorbs ein Atmen simuliert.

    Das Herzstück zur Erschaffung lebendiger Charaktere sind jedoch die Gesichter. Die sind bei den Puppen abtrennbar und können somit beliebig ausgetauscht werden. Pro Figur werden mittels modernster 3D-Drucktechnik (die in Zusammenarbeit mit dem deutschen Fraunhofer-Institut immer weiter optimiert wird) tausende Gesichter mit verschiedensten Gesichtsausdrücken in unterschiedlichen Stadien hergestellt, mit denen man den Figuren ihre Mimik verpasst. Die beweglichen Augen und Augenlider, die zum Puppenskelett gehören, werden je nach Bedarf mit einem kleinen Skalpell in winzigen Schritten verstellt.

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    Unverzichtbares CGI

    Ganz ohne Animationen aus dem Computer geht es aber selbst bei Stop-Motion-Verfechtern wie Laika nicht. Nicht umsonst wurde „Kubo“ 2017 nicht nur für einen Oscar als bester Animationsfilm, sondern auch in der Kategorie beste visuelle Effekte nominiert. Wie uns Visual-Effects-Chef Steve Emerson erklärt, werden bei Laika nämlich genau genommen „Hybrid-Filme“ produziert. Das Kernstück bleibt dabei ohne Frage die Stop-Motion-Technik, doch wird diese hier und da mit digitalen Eingriffen verfeinert, die stets in enger Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen (wie den Puppen- und Set-Bauern) und immer im Sinne der Geschichte erfolgen, um diese so zu erzählen, wie es die Autoren beabsichtigt haben. Diese müssen sich so nahtlos in das Gesamtbild einfügen, dass der Zuschauer sie gar nicht als digitale Elemente wahrnimmt.

    Die Effektarbeit von Emersons Team betrifft zunächst einmal die digitale Erweiterung von Sets und Hintergründen, um der Größe der Umgebungen Rechnung zu tragen. Hinzu kommen Elemente, die man bei Erzeugung direkt am Set nur sehr schwer kontrollieren könnte – wie etwa Rauch, Wasser oder Wetter. Außerdem gibt es auch allerlei kosmetische Ausbesserungen. Die erwähnten Vorrichtungen und Schrauben an den Figuren sowie auch die feinen Lücken an den Stellen, wo die abtrennbaren Gesichter auf die Köpfe der Puppen aufgesetzt werden, werden von den Effekt-Spezialisten nachträglich entfernt.

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    Hybrid-Filme

    Um mehr Vielfalt und Leben in die Bilder zu bringen, werden aber tatsächlich auch so manche Figuren auf Grundlage real gebauter Modelle digital erzeugt. Während es sich bei den Hauptfiguren und solchen, die sehr prominent im Bild sind und Text haben, immer um echte Puppen handelt, stammen manche Nebencharaktere im Hintergrund oder am Rand – gerade bei Massenszenen – bisweilen aus dem Computer. Von den 1486 Einstellungen in „Mister Link“ wurden 325 mit digitalen Hintergrund-Performances angereichert, wofür 182 Puppen computeranimiert wurden, listet uns Steve Emerson die Effekt-Fakten auf.

    Wenn man inzwischen diese Möglichkeiten hat, kann es gerade bei besonders aufwändigen und zeitintensiven Szenen eigentlich nur verlockend sein, einfach den nächstbesten Rechner anzuschmeißen und das Ganze kurzerhand am Computer zu animieren. Doch das kommt für die Stop-Motion-Gurus bei Laika natürlich nicht in Frage: Ihre Arbeit sei zwar ständig frustrierend, verrät uns Chris Butler, „aber keine Form der Animation ist einfach, egal ob 2D, computeranimiert oder Stop-Motion. Wir machen es nur, weil wir es lieben. Und spätestens nach diesem Tag glauben wir ihm das aufs Wort. Als wir schließlich schweren Herzens das Laika-Wunderland wieder verlassen, erstrahlt der triste Gebäudekomplex auch von außen plötzlich viel heller.

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    „Mister Link“ läuft seit dem 30. Mai 2019 in den deutschen Kinos.

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