Als wir im Sommer 2018 das Set von „Friedhof der Kuscheltiere“ besuchen, ist Lorenzo di Bonaventura nicht vor Ort, sondern wird für eine halbe Stunde per Telefon zugeschaltet. Der umtriebige Produzent hat immer viele Eisen im Feuer und am Wochenende steht die Comic-Con in San Diego an, bei der er natürlich nicht fehlen darf, wie er entschuldigend das Gespräch eröffnet.
Reden kann man mit di Bonaventura aber über sehr viel. Schließlich ist nicht nur uns aus früheren Gesprächen bekannt, dass er kaum ein Blatt vor den Mund nimmt und offen seine Meinung sagt. Und er kennt natürlich Hollywood in- und auswendig. Erst arbeitete er über zwölf Jahre bei Warner und entschied am Ende dort, welches Projekt gemacht wird und welches nicht. Er brachte so „Matrix“ auf den Weg und sicherte dem Filmstudio die „Harry Potter“-Romane. 2002 trennte er sich von Warner, ist seitdem mit seiner eigenen Firma freier Produzent und dabei vor allem für die von ihm verantwortete „Transformers“-Reihe bekannt. Daneben finden sich ganz unterschiedliche Filme wie „Der Sternwanderer“, „R.E.D.“ und „Deepwater Horizon“ in seiner Filmografie – doch Horrorfilme gibt es dort nur wenige.
Daher wollten wir von di Bonaventura natürlich sofort wissen, warum er sich nun ausgerechnet für den Horrorklassiker „Friedhof der Kuscheltiere“ entschieden hat. Außerdem verriet er uns in dem sehr interessanten Gespräch auch noch, warum er ein Problem mit der Buchvorlage hat, wie wenig er von der ersten Verfilmung hält und wie er die beiden eher unbekannten Regisseure entdeckt hat.
FILMSTARTS: Lorenzo, du bist einer der erfolgreichsten und bekanntesten Produzenten Hollywoods. Doch du hast bislang kaum Horrorfilme gemacht. Warum ist das so und was hat dich nun an „Friedhof der Kuscheltiere“ gereizt, deiner zweiten King-Adaption nach „Zimmer 1408“?
Lorenzo di Bonaventura: Ich mag an Horrorfilmen vor allem den psychologischen Aspekt, aber ich habe selbst Angst, mir Slasher-Filme anzuschauen. Daher habe ich nie so einen gemacht, weil ich selbst zu viel Schiss hätte. Und bei vielen anderen Projekten, die mir so in die Hände fallen, fehlt einfach der psychologische Aspekt. Der ist es jedoch, bei dem es eigentlich erst so richtig interessant wird.
„Zimmer 1408“ und nun auch „Friedhof der Kuscheltiere“ haben mich gereizt, weil beide erst einmal nicht Horror sind, sondern es in erster Linie um emotionale Bindungen zwischen Erwachsenen und ihrem Kind geht. Wie weit würdest du gehen, um dein Kind wiederzusehen? Wie weit würdest du gehen, um es zu beschützen? Das sind Fragen, die ich emotional spannend finde. Es passieren zwar schreckliche Dinge, aber viel faszinierender sind doch die Fragen dahinter – wie die Beziehung unserer Gesellschaft zum Tod. Gerade hier in den USA verzichten wir doch auf eine Auseinandersetzung mit dem Konzept des Todes und ich denke, das ist sehr ungesund. Dieses Buch und auch dieser Film zeigen, dass diese Angst vor dem Tod, dieses fehlende Verständnis davon, eine wirklich gefährliche Sache ist.
Die erste Verfilmung ist nix!
FILMSTARTS: „Friedhof der Kuscheltiere“ wurde bereits Ende der 80er von Mary Lambert verfilmt. Wie wollt ihr euch davon abheben?
Lorenzo di Bonaventura: Ich möchte andere Filme nicht kritisieren. Ich weiß, dass viele diesen Film mögen, aber er ist nicht so, wie ich denke, dass man es machen sollte. Ich gebe auch zu, dass ich nicht verstehe, warum Leute den ersten Film lieben. Das Buch ist viel besser und selbst wenn ich den ersten Film lieben würde, glaube ich, dass man hier noch eine andere Interpretation machen kann. Und das tun wir nun.
Dabei benutzen wir natürlich und zwangsläufig ähnliche Elemente, aber wir setzen diese oft ganz verschieden ein. Wir nehmen auch ein paar Dinge auf, die sie damals weggelassen oder nicht so gelungen umgesetzt haben. Ich merke schon, das ist eine gefährliche Antwort, die ich die hier gebe, denn Stephen King hat damals ja das Drehbuch geschrieben. Aber inzwischen sind 25 Jahre vergangen. Die Gesellschaft hat sich verändert und ich denke, wir können einige Themen neu interpretieren oder sie uns auf andere Weise vorknöpfen.
FILMSTARTS: Wir erleben gerade eine richtige Horrorwelle im Kino und es kommen dabei auch ganz außergewöhnliche Filme heraus. Habt ihr etwas vom aktuellen Horrorkino für die Adaption eines über 30 Jahre alten Buches gelernt?
Lorenzo di Bonaventura: Da wir natürlich das Buch als Grundlage haben, hat uns das, was außen herum passiert, kreativ erst einmal nur sekundär berührt. Denn egal, was die aktuelle Horrorwelle uns erzählt, wir würden immer erst einmal dem Buch folgen. Aber heutige Horrorfilme haben dafür gesorgt, dass nicht mehr ganz so engstirnig gedacht wird. Lange Zeit wurden eigentlich nur Slasher-Filme gemacht. Aber nun haben Filme wie „Conjuring“ oder auch „Es“ jeden daran erinnert, dass sowohl emotionale als auch visuelle Ideen in diesem Genre sehr wichtig sind. Und das hat natürlich einen Einfluss, weil es genau das ist, was wir machen.
Zu viele Horrorfilme sehen schlecht aus!
FILMSTARTS: Wenn du von visuellen Ideen sprichst: Welche Rolle spielen dabei Dennis Widmyer und Kevin Kölsch? Und wie seid ihr überhaupt auf diese beiden bislang sehr unbekannten Regisseure gekommen?
Lorenzo di Bonaventura: Wir haben bei der Suche nach Regisseuren sicher an die 40 Filme geschaut und mich hat wirklich verwundert, wie viele davon einfach nicht gut aussahen und nicht gut gefilmt waren. Und dann sah ich „Starry Eyes“ von Dennis Widmyer und Kevin Kölsch und war sofort beeindruckt. Er war nicht nur anders als alle anderen, sondern hat auch all das, was ich eben auch an Stephen King so liebe, vor allem die surrealen Elemente. Meine Lieblingsszene im Buch ist, wenn sie das erste Mal in den Wald gehen und über den Wall aus Totholz klettern. Das ist eine furchteinflößende, verrückte und herausfordernde Szene. Und „Starry Eyes“ hat genau den surrealen Horror dieser Szene.
Als wir uns dann mit Dennis und Kevin trafen, merkten wir gleich, dass sie auf eine Weise von Stephen King besessen sind, von der ich sofort wusste, dass sie dem Film helfen würde. Sie können dir alles über jedes Buch, jede Verfilmung sagen. Wenn du mit ihnen über das Buch sprichst, kannst du sie fast fragen: „Was passiert auf Seite 142?“ – und sie erzählen es dir. Und ich glaube, dass es sehr hilfreich ist, um dem Geist von Stephen King treu zu bleiben, wenn du Leute hast, die so für das Thema brennen.
FILMSTARTS: Es gibt Regisseure, die ganz klar ihrer Vision verfolgen und diese niemals kompromittieren wollen. Nun bist du ein einflussreicher Produzent, der seit Jahren im Geschäft ist, und die Regisseure sind zwei relative Neulinge, die an ihrem ersten großen Film arbeiten. Bist du also hier eher derjenige, der die Regeln aufstellt und die rote Linie zieht, die nicht überschritten werden darf?
Lorenzo di Bonaventura: Meine einzige rote Linie, die einzige Sache, bei der ich nicht zu einem Kompromiss bereit bin, ist das Thema Teamwork. Ich hatte das Glück, mit Oliver Stone zu arbeiten, der auf der Höhe seines Schaffens ganz allein die Vision eines Films tragen und durchsetzen konnte. Aber das gibt es nur ganz, ganz selten. Meistens läuft es eher so: Ich will Regisseure, die eine klare Vorstellung haben, für die sie auch bereit sind, zu kämpfen, die aber gleichzeitig auch wissen, dass es Zeiten gibt, in denen wir ihnen widersprechen. Vor allem aber will ich mit Regisseuren, Schauspielern und anderen Crew-Mitarbeitern arbeiten, die immer hundert Prozent geben. Ich toleriere es nicht, wenn jemand faul ist oder sagt, das ist „gut genug“. Ich bin ganz schlecht bei „gut genug“, denn ich will immer das Beste, was möglich ist.
Wichtig ist dabei übrigens auch der Kameramann. Ich will einen Kameramann anheuern, der bei seinen Entscheidungen Eier zeigt. Das war schon so, als ich noch ein Studio-Verantwortlicher war. Wenn du so viele Filme machst wie ich, dann ist es unausweichlich, dass du auch mal scheiterst. Auch ich liege nicht immer richtig. Und daher sage ich nur: Warum nicht voll angreifen? Denn wenn du dann scheiterst, dann scheiterst du wenigstens glorreich und nicht halbherzig. Das ist mein Mantra, das ist meine rote Linie.
Das Problem der Buchvorlage
FILMSTARTS: Wenn wir schon über die beteiligten Personen reden, müssen wir zum Schluss auch kurz auf einen Darsteller eingehen. John Lithgow ist eine durchaus überraschende Entscheidung, immerhin hat er bei über 100 Rollen erst zwei Horrorfilme gemacht…
Lorenzo di Bonaventura: John Lithgow ist sicher auf den ersten Blick eine leicht unkonventionelle Wahl für die Rolle. Aber er ist einfach ein exzellenter Schauspieler und das braucht es, denn seine Figur ist wirklich besonders. Der schwierigste Punkt im Buch ist doch – und ich bin hier ganz ehrlich, das ist eine der Sachen, die ich persönlich nie akzeptieren konnte – die Frage, warum Jud Crandall seinem Nachbarn Louis überhaupt von der Grabstätte erzählt, wo er doch genau weiß, dass das ganz und gar keine gute Idee ist.
Ich habe an dieser Stelle jedes Mal große Probleme beim Lesen des Buches, ich hatte große Problem damit beim ersten Film und ganz am Anfang auch bei unserem Film. Während der Entwicklung des Drehbuchs mussten wir erkennen, dass bei jedem Versuch, rational zu erklären, warum Jud sein Geheimnis erzählt, das Ergebnis falsch war. Denn es ist keine rationale Entscheidung, es ist eine emotionale. Und hier passt John Lithgow einfach perfekt. Er kann sich von einem mürrischen alten Mann in einen Typ verwandeln, dessen Herz so schmilzt, als er diese Familie kennenlernt, dass er dann aus diesen Emotionen heraus einfach die völlig falsche und nicht rational erklärbare Entscheidung trifft.
„Friedhof der Kuscheltiere“ kommt am 4. April 2019 in die Kinos. In unserem ausführlichen Set-Bericht verraten wir euch noch, was wir bei den Dreharbeiten erfahren haben. Zudem wurde auch gerade ein neuer Trailer veröffentlicht, der schon mehr als deutliche Änderungen zur Vorlage zeigt.