+++ MEINUNG +++
Achtung, der folgende Text enthält Spoiler zu „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“!
In „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ etablierten Regisseur David Yates und Drehbuchautorin J.K. Rowling ein neues, sympathisches Hauptfiguren-Quartett. Dazu gab es ein neues Setting außerhalb Großbritanniens und außerhalb der 1990er Jahre. Der ideale Beginn für eine neue Filmreihe in der äußerst profitablen und von Fans heißgeliebten Wizard World – und vor allem auch ein gelungener Einstieg für alle, die keine eingefleischten „Harry Potter“-Fans sind.
Statt diesen Ansatz weiter zu verfolgen, legen Yates und Rowling mit „Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen“ nun aber plötzlich eine 90-Grad-Wende hin. Auf den einsteigerfreundlichen Beginn folgt nun ein zweiter Film, der nur noch für echte Potterheads gemacht zu sein scheint.
Zu viele Hintergrundgeschichten
Das Problem ist dabei nicht gar nicht, dass ich den reinen Plot von „Phantastische Tierwesen 2“ nicht verstanden hätte, also der Handlung nicht folgen konnte. Vielmehr habe ich nicht verstanden, warum das alles so unglaublich wichtig sein soll. Zu einem gewissen Teil ist das sicherlich meine eigene Schuld, weil ich eben kein riesiger „Harry Potter“-Fan bin.
Aber vor allem haben es die Filmemacher eben auch nicht geschafft, mir zu erklären, warum mir etwa die komplizierte Historie der Familie Lestrange so wichtig sein sollte. Ganz im Gegenteil: Hätte man die darauf verschwendete Zeit genutzt, um die Dreiecksbeziehung zwischen Leta Lestrange (Zoe Kravitz) und den Brüdern Newt (Eddie Redmayne) und Theseus (Callum Turner) zu vertiefen, hätte Letas Tod vielleicht eine noch viel tragischere Wirkung entfaltet.
Zu viele Figuren
Auch die Haupthandlung – der Obscurial Credence Barebone (Ezra Miller) wird sowohl von Bösewicht Grindelwald als auch unseren Helden gejagt bzw. gesucht, während er selbst herauszufinden versucht, wer er ist – hätte durchaus Potential. Um die Geschichte eines Außenseiters auf der Suche nach seiner Identität zu verstehen, muss man kein „Harry Potter“-Fan sein. Doch der Kern der Story droht ständig in einem Dickicht aus Nebenhandlungssträngen unterzugehen, weil Rowling und Yates jeder der vier Hauptfiguren (und noch dazu zahlreichen neuen Figuren) etwas zu tun geben wollen.
Ärgerlicherweise ist auch hier nicht genügend Zeit, um diese vielen Geschichten ordentlich zu erzählen. Queenie (Alison Sudol) etwa stolpert nach dem erzwungen wirkenden Streit mit Jacob (Dan Fogler) lange Zeit planlos durch Paris, nur um sich dann schließlich völlig überraschend Grindewald (Johnny Depp) anzuschließen. Warum sie das tut, konnte ich „Phantastische Tierwesen 2“ nicht entnehmen. Und braucht es die neue Figur Yusuf Kama (William Nadylam) überhaupt, wenn der eigentlich spannende Plot um seinen Unbrechbaren Schwur schlussendlich sowieso im Sand verläuft?
Kein "Harry Potter und der Gefangene von Askaban"
Da hatten es die Macher der „Harry Potter“-Filme mit nur einer echten Hauptfigur (eben Harry Potter) wesentlich leichter. Doch selbst hier zeigte sich: Weniger ist manchmal mehr. „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ ist nämlich auch deswegen der beste Film der Reihe, weil sich Regisseur Alfonso Cuarón wirklich auf das Wesentliche konzentriert und alles drumherum weglässt.
Das hätte auch „Phantastische Tierwesen 2“ gutgetan. So aber hängt die Reaktion auf das zweite Tierwesen-Abenteuer entscheidend davon ab, welche Beziehung man zur Wizarding World hat: Eingefleischte Fans können sich darüber freuen, dass Rowling die Vergangenheit zahlreicher Figuren und Familien näher beleuchtet und es einige offenbar spektakuläre Enthüllungen gibt. Für mich aber war „Grindelwalds Verbrechen“ nur ein dialoglastiges und unnötig kompliziertes Intermezzo auf dem Weg in Richtung des schon lange angekündigten großen Finals: dem Duell zwischen Dumbledore und Grindelwald.
Hoffentlich findet die „Phantastische Tierwesen“-Reihe mit dem nächsten Eintrag wieder in die richtige Spur zurück. Eddie Redmayne und Ezra Miller versprachen uns im Interview jedenfalls, dass schon in Teil drei der große Krieg beginnt. Und wer weiß: Vielleicht erfahren wir dann ja auch, warum diese ganzen Hintergrundgeschichten und neuen Figuren so unglaublich wichtig sein sollen – dass sie eben ein Teil der Wizarding World und deshalb automatisch super relevant sind, reicht mir auf Dauer als Erklärung nämlich einfach nicht aus…