Derzeit ist die Macht alles andere als im Gleichgewicht: Mit „Solo: A Star Wars Story“ mussten Disney und Lucasfilm gerade lernen, dass nicht jeder Film ein garantierter Hit wird, nur weil „Star Wars“ draufsteht. Zwar sind drei der vier neuen „Star Wars“-Filme, die unterm Dach des Mäusekonzerns und der Oberaufsicht von Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy entstanden, Kassenhits geworden und alles Gerede, dass das Franchise vor dem Untergang stehe, ist völlig verfrüht, intern wird aber gewiss darüber gesprochen, welche Lehren aus dem ersten „Star Wars“-Flop zu ziehen sind.
Kürzlich berichtete Collider, dass die Arbeiten an allen weiteren Filmen der „A Star Wars Story“-Spin-off-Reihe gestoppt worden seien, was dann auch die (nie offiziell angekündigten) Ableger zu Obi-Wan und Boba Fett betroffen hätte. Der Disney-eigene Sender ABC News dementierte. Es ist momentan also unklar, was Disney und Lucasfilm wirklich machen werden. Aber für mich steht ganz klar fest, was sie machen sollten!
Episode 1 und die Folgen
Um die Jahrtausendwende entstand der erste große „Star Wars“-Shitstorm und der hat bis heute sichtbare Spuren hinterlassen. Damals begannen Fans, sich in Internetforen über „Star Wars: Episode 1“ auszukotzen. Mit den folgenden Prequels wurde die Lage nicht signifikant ruhiger und auch wenn in der Zwischenzeit eine ganz neue Fan-Generation herangewachsen ist, die mit den Episoden 1 bis 3 kein Problem hat oder sie sogar wirklich mag, kam bei Disney vor allem eine Botschaft an, als Lucasfilm 2012 übernommen und neue „Star Wars“-Abenteuer auf den Weg gebracht wurden: Alles muss an früher erinnern, an die alte Trilogie – und nichts an die Prequels!
Diese Herangehensweise empfinde ich persönlich bei den neuen Filmen der Skywalker-Saga, also „Star Wars“ Episode 7 bis 9, als durchaus passend. Die über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren veröffentlichte Gesamtreihe bildet bei allen, auch der unterschiedlichen Technik geschuldeten Stilbrüchen eine lange, zusammenhängende Erzählung, in der drei Generationen Skywalkers teils ähnliche Erfahrungen machen. Da ist nicht nur normal, sondern sogar zwingend, dass sich Situationen und Motive wiederholen. Außerdem handeln die Sequels explizit davon, sich am Bestehenden abzuarbeiten, an den alten Helden und Schurken. Aber dass die Spin-offs auch an den Skywalkers kleben, ist eine verpasste Chance.
Spin-offs sind langweilig
Der erste Ablegerfilm „Rogue One“ bot komplett neue Figuren, ok, aber bei „Solo“, „Obi-Wan“ und „Boba Fett“ sind zumindest die Protagonisten sehr alte Bekannte, die allesamt bereits seit der Originaltrilogie zum Ensemble gehören. Die Drehbuchautoren haben außerdem arg wenig Spielraum, was den Plot angeht: Wohin Han Solos Weg führt, steht schon lange fest. Und was soll eigentlich in dem von einigen Fans herbeigesehnten „Obi-Wan: A Star Wars Story“ mit Ewan McGregor in der Hauptrolle passieren?
Kenobis Verhältnis zu seinem Schüler Anakin wurde in drei Filmen und der Serie „The Clone Wars“ auserzählt, seine Geschichte mit Darth Maul in „Rebels“ zu Ende gebracht und seine letzten Tage plus alles darüber hinaus werden in den Episoden 4 bis 6 gezeigt. Für den „Obi“-Film war Stephen Daldry („Billy Elliot“) als Regisseur gesetzt und Darsteller Ewan McGregor hat richtig Lust drauf, aber möglicherweise ging es damit bisher auch deswegen nicht nennenswert voran, weil niemandem bei Lucasfilm eingefallen ist, was zur Hölle der Jedi eigentlich 130 Filmminuten lang Spannendes machen soll, während er im Exil auf dem Wüstenplaneten Tatooine hockt.
Gebt Rian Johnson noch eine Chance
Spin-offs über bekannte Figuren sind erzählerisch reizlos, aber in der Herstellung trotzdem verdammt aufwändig: Wie bei allen Produktionen einer solchen Größenordnung sind Lucasfilm und all die anderen beteiligten Firmen auch bei den Ablegern mehrere Jahre lang mit den Filmen beschäftigt – von ersten Skizzen über die Dreharbeiten bis zur Werbung. Die hierbei verwendeten Ressourcen und die kreative Energie sollten stattdessen in ein Projekt fließen, das mit etwas Glück zu einer „Star Wars“-Reihe wird, die neue Perspektiven hat und den alten Zauber: Rian Johnsons angekündigte Trilogie.
Ich weiß, dass der von mir geliebte „Star Wars 8“ von vielen Fans so gehasst wird wie kein anderer Film der Reihe seit „Episode 1“. Ich werde jetzt nicht versuchen, jemanden für „Die letzten Jedi“ zu begeistern – es ist ok, den Film nicht zu mögen, solange das nichts mit einer generellen Abneigung gegen weibliche und nicht-weiße Figuren zu tun hat. Mir scheint, dass sich die meiste Kritik an „Star Wars 8“ und Rian Johnson dagegen richtet, wie er mit bekannten Figuren umgeht (siehe „grimmiger Luke“, aber auch „Leia im All“ und Snoke). Aber für die angekündigte Trilogie, von der Johnson mindestens den ersten Teil auch inszenieren wird, gibt es eine ganz neue Ausgangslage, denn dort soll er völlig neue Figuren einführen.
So kann er niemanden vor den Kopf stoßen, der sich ein anderes Schicksal für einen über viele Jahre liebgewonnenen Helden wünscht. Er ist außerdem freier, denn er macht nicht den Mittelteil einer Trilogie, bei dem er sich etwas für Protagonisten ausdenken muss, die von anderen kreiert wurden und deren Geschichte danach im letzten Film nicht mehr in seinen Händen liegt.
Johnson gilt als Querkopf, er verlegte in „Brick“ die Handlung und Sprache eines Film-Noir an eine Highschool der Gegenwart und ließ Walter White in „Breaking Bad“ eine Folge lang hinter einer Fliege herjagen. Er ist bekannt für seine schrulligen Ideen, aber ich mag ihn vor allem deswegen, weil er Action genauso gut inszenieren kann wie Gefühle. Sein Sci-Fi-Thriller „Looper“ ist so rau wie emotional, da Johnson mit dem richtigen Gespür für die Balance von Intimität und Bombast an die Arbeit geht. Dieses Können ist es, das ich so an ihm schätze – und das selbst dann auch in „Star Wars 8“ zu sehen ist, wenn man den Film blöd findet:
Johnson gibt Kylo und Rey die Zeit, in Ruhe zu reden. Und er lässt es totenstill werden im Kinosaal, wo andere die Boxen aufdrehen: Als ein Raumschiff durch ein anderes kracht. Wenn es aber bei Johnson bombastisch wird, beim Kampf im knallroten Thronsaal oder auf dem blutenden Salzplanten, dann möchte ich mir die Bilder in ihrer ganzen stilsicheren Pracht an die Wand hängen.
Rian Johnson hat es verdient, dass man ihm ein Mega-Budget anvertraut und ihm freie Hand gibt. Selbst wenn ihr „Die letzten Jedi“ nicht mögt – er wird einen „Star Wars“ drehen, der auch euch gefällt.