Achtung: Spoiler zu Film und Büchern
Bei der Verfilmung von James VanderMeers Science-Fiction-Bestseller „Auslöschung“ hat sich „Ex Machina“-Regisseur Alex Garland nach eigenem Bekunden nur vage an die Vorlage des ersten Romans gehalten, dem VanderMeer noch die weiteren Teile „Autorität“ und „Akzeptanz“ folgen ließ. Er habe das Buch einmal gelesen und danach mehr „den Traum von einem Buch“ verfilmt. Aber gerade in dieser sehr freien Adaption liegen auch die Stärken des Films, weil er die Motive VanderMeers nimmt und sie in Filmsprache übersetzt. Das führt jedoch zu einer Reihe von Änderungen – die Erweiterung der Teammitglieder (von vier auf fünf), die nun auch konkrete Namen haben (statt nur in ihren Funktionen als Biologin, Psychologin etc. zu agieren), dazu spielen die im Buch wichtige Hypnose von Expeditionsteilnehmern sowie auch der zentrale Handlungsort des Turms bzw. Tunnels keine Rolle. All diese und einige weitere Anpassungen, die für die Verfilmung einen Sinn ergeben, stellen für eine mögliche Fortsetzung noch kein Problem dar.
Wie soll man mit dem veränderten Ende umgehen?
Gravierender sind dann schon die Änderungen gegen Ende der Story. Bei Garlands meisterhaft atmosphärischem Film geht die Handlung dort in eine komplett andere Richtung. Im Buch wird der Ehemann der Biologin in der Zone weiter vermisst und deswegen entschließt sie sich, „tiefer in die Area X vorzudringen, so weit zu gehen wie möglich, bevor es zu spät ist, meinen Ehemann die Küste hinauf zu folgen, sogar über die Insel hinaus“. Im Buch ist ihre genetische Kopie als Doppelgängerin zur Regierungsorganisation Southern Reach außerhalb der kontaminierten Zone hinter den Schimmer zurückgekehrt, um sich dem Verhör zu stellen. Im Film handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die echte Lena (differenziert gespielt von Natalie Portman), die in der Schlussszene auf die definitiv genetische Kopie ihres Mannes Kane (Oscar Isaac) trifft – das Original verbrannte sich schließlich in einem Akt des Wahnsinns mit einer Phosphorgranate selbst, um der Assimilation durch die außerirdische Macht der Area X zu entkommen.
AuslöschungDie atmosphärisch überragenden letzten Dialogzeilen, als sich Lena und Kane in einer hermetisch abgeriegelten, sterilen Isolierstation begegnen:
Lena: „Du bist nicht Kane! Oder doch?“
Kane: „Nein, ich denke nicht. Bist du Lena?“
Anschließend kommt von Lena nur ein Seufzen, bevor sich beide umarmen und nicht nur bei Kane, sondern auch bei Lena dezent ein Schimmer in den Augen funkelt. Das lässt sich auf verschiedene Weisen interpretieren: Den Filmgeschehnissen zufolge müsste es sich um die echte Lena handeln, doch die ist ohnehin schon von dem außerirdischen Organismus infiziert worden, sodass dieser für eine mögliche Fortsetzung trotz der unterschiedlichen Enden (im Film zerstört sie die Area X) zurückkehren könnte – und sowieso noch in Kanes Doppelgänger schlummert.
Das geschieht in der Buch-Fortsetzung von „Auslöschung“
In der Buch-Fortsetzung „Autorität“ dreht sich alles um den Nachfolger von Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh), der Leiterin von Southern Reach. Der ehemalige Geheimdienstler John Rodriguez, nur Control genannt, untersucht die Geschehnisse der vergangenen Expeditionen. Es stellt sich heraus, dass die im Buch offiziell zwölf Expeditionen jeweils mehrfach durchgeführt worden sind, sodass man auf mehrere Dutzend kommt. Im Zentrum des zweiten Romans geht es um Controls Beziehung zu der Doppelgängerin der Biologin, die unter Quarantäne gefangen gehalten wird. Dazu macht dem neuen Southern-Reach-Chef die stellvertretende Leiterin und Vertraute der ehemaligen Leiterin (= die Psychologin) mit ihrem Misstrauen das Leben schwer. Im Buch fliehen Control und die Doppelgängerin am Ende gemeinsam vor den Häschern der Geheimorganisation Central, die Southern Reach steuert, und wagen den Sprung in die Area X, um sich dort zu verstecken.
Für eine mögliche Film-Fortsetzung wäre es denkbar, dass man sich wieder sehr frei an die Motive des Romans hält oder komplett davon weggeht. Im Gegensatz zum dritten Roman „Akzeptanz“ der aus einer komplizierten Rückblenden-Struktur mit einem geringen Anteil an Gegenwartshandlung besteht (die Original-Biologin verwandelt sich in der Area X in ein gigantisches Meerestier), ist der zweite Teil noch stringenter und filmischer erzählt.
Alex Garland: Absage an Fortsetzung von „Auslöschung“
Ob es tatsächlich zu einem Sequel kommt, ist aber eher unwahrscheinlich. An der nordamerikanischen Kinokasse spielte „Auslöschung“ bisher 27,6 Millionen Dollar ein (bei einem Budget von 40 Millionen). Am Ende der Auswertung dürften in den USA und Kanada gut 30 Millionen zu Buche stehen. Der weltweite Kinoeinsatz erfolgt stark limitiert, in Deutschland erscheint der Film nur auf Netflix (seit dem 12. März 2018 zu sehen) und kam nicht in die Kinos. Alex Garland hat einer Fortsetzung bereits für sich persönlich eine Absage erteilt. „Ich möchte mich nicht in derselben Welt bewegen, in der ich die vergangenen drei Jahre verbracht habe. Ich will etwas anderes machen, ein Sequel reizt mich nicht im Geringsten“, sagte Garland ComingSoon.
Zusammengefasst: Kann es ein Sequel geben? Ja, trotz der Unterschiede zwischen Film und Buch ist das ohne Zweifel machbar. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Fortsetzung? Eher gering! Alex Garland hat abgesagt, kommerziell war „Auslöschung“ in Nordamerika zwar kein Flop (startete nur in 2.000 Kinos), hat aber auch zu wenig Geld eingespielt, um als Selbstläufer durchzugehen.