Über 80 Frauen haben Harvey Weinstein schon direkt verschiedener Formen der sexuellen Belästigung bezichtigt, rund ein Dutzend erklärten dabei, dass Weinstein sie im Zuge dessen zum Oralsex oder zum Geschlechtsverkehr gezwungen hat. Im Fokus des Skandals steht auch längst die Traumfabrik Hollywood selbst, denn viele Menschen räumten mittlerweile ein, dass sie von Weinsteins Treiben wussten, es ignorierten oder die Vorfälle herunterspielten.
Bekannt war Harvey Weinstein in Hollywood auch über Jahrzehnte als Zahlentrickser. Immer wieder beschwerten sich Regisseure und Produzenten, dass sie vereinbarte Beteiligungen an den Kinoeinnahmen ihres Films nicht oder nicht in voller Höhe bekommen haben, weil Weinstein den Gewinn runtergerechnet hat. Zu Klagen kam es selten, denn am Ende hatten alle Angst davor, auf Weinsteins berüchtigter Abschussliste zu landen und keinen Job mehr zu bekommen. Doch aufgrund des aktuellen Fokus auf Weinstein geht nun der deutsche Produzent Michael Simon de Normier an die Öffentlichkeit und wirft Weinstein vor, mit ebensolchen Zahlentricksereien Nordrhein-Westfalen betrogen zu haben.
1,5 Millionen Euro für "Der Vorleser"
Gegenüber dem Hollywood Reporter blickt Michael Simon de Normier auf die Geschehnisse rund um den in Deutschland von Harvey Weinstein produzierten „Der Vorleser“ zurück, an dem auch de Normier beteiligt war. Die Film- und Medienstiftung NRW stellte damals 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, damit Teile des Films in Nordrhein-Westfalen gedreht wurden. Bei dieser Finanzierung ist es üblich, dass das Geld zurückgezahlt wird, wenn der Film Gewinne einfährt. Obwohl „Der Vorleser“ erfolgreich war, soll Weinstein nur einen kleinen Teil zurückgezahlt haben, denn laut Rechnungen von Weinsteins Firma, die von einer renommierten Wirtschaftsprüfungsfirma bestätigt wurden, habe die Bestselleradaption mit Kate Winslet nicht genug eingenommen, um eine volle Rückzahlung zu rechtfertigen.
De Normier erklärte gegenüber dem Hollywood Reporter, dass er eigentlich im Rahmen der Produktion von „Der Vorleser“ eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben hat, sich aber nach der Welle an Vorwürfen gegen Weinstein entschieden hat, sich trotzdem zu äußern. Er habe zudem offizielle Beschwerde wegen der Vorgänge eingereicht. Diese richten sich aber nicht gegen Harvey Weinstein oder die Firma The Weinstein Company, sondern gegen die Führung der Film- und Medienstiftung NRW, weil diese keine Maßnahmen ergriffen habe, um das Geld einzutreiben.
Deutsche Filmemacher zahlen zurück!
Dass man Harvey Weinstein selbst in Deutschland noch wegen Betrug belangen kann, ist nämlich unwahrscheinlich, da die Sache verjährt sein dürfte. Nach den Ermittlungen des Hollywood Reporters zieht der Fall aber weitere Kreise: So rückt auch „Inglourious Basterds“ in den Fokus. Für den ebenfalls von Weinstein produzierten Film von Quentin Tarantino lieh das Medienboard Berlin-Brandenburg 600.000 Euro, damit Teile in Berlin-Babelsberg gedreht wurden. Laut dem Hollywood Reporter sei weniger als die Hälfte zurückgezahlt worden, obwohl der starbesetzte Kriegs-Actioner mit Brad Pitt zum Hit wurde. Weinstein rechnete ihn trotzdem irgendwie zum Flop um.
Dieses Gebaren wirft allgemein ein Licht auf die Förderung großer Hollywood-Produktionen in Deutschland. Auch deutsche Filme – der Hollywood Reporter nennt exemplarisch „Toni Erdmann“ - profitieren von diesen Leihen. Ob die Filme von Til Schweiger oder Matthias Schweighöfer oder auch die „Fack Ju Göhte“-Reihe, die Filmstiftungen der Länder versuchen die Produktionen zu sich locken, um so die lokale Wirtschaft zu fördern, weswegen dann „What A Man“ oder „Schlussmacher“ zu großen Teilen in Hessen spielen. Allerdings wird bei diesen großen deutschen Erfolgen auch genau darauf geachtet, dass alles Geld wieder zurückgezahlt wird, teilweise diese Rückzahlung sogar öffentlichkeitswirksam inszeniert. Diese Ungleichbehandlung stößt natürlich auf Unverständnis, wenn deutsche Produktionsfirmen genau überprüft werden, sich die fernab in Hollywood sitzende Konkurrenz aber die Zahlen schönrechnen kann.