Wozu noch ewig lange und endlos viele Filmkritiken lesen, wenn man sich als potentieller Kinogänger mit nur einem Mausklick eine Zahl anschauen kann? Aber nicht etwa nur die Zahl einer einzelnen Bewertung, sondern das durchschnittliche Ergebnis vieler Kritiken zu einem einzelnen Werk. Man sollte meinen, dass es eine gute Idee ist, so etwas bereitzustellen – schneller und komfortabler geht es kaum. Seiten wie Metacritic oder Rotten Tomatoes bieten Interessierten schon seit Jahren einen komprimierten Pressespiegel zu Filmen und auch wir von FILMSTARTS greifen Wertungen von derlei Übersichtsseiten ab und zu auf. Doch nicht alle sehen diese Entwicklung zur Reduzierung ausführlicher Auseinandersetzungen mit Kunst auf eine Zahl positiv: Wie Entertainment Weekly (EW) berichtet, ist Brett Ratner ein ausgeprochener Gegner von Rotten Tomatoes.
Der „Rush Hour“-Regisseur machte am Rande des Sun Valley Film Festivals seine Meinung unmissverständlich klar: „Das Schlimmste, was wir in der heutigen Filmkultur haben, ist Rotten Tomatoes. Ich glaube, die Seite ist die Zerstörung unseres Geschäfts“, holte Ratner aus. Dabei betonte er im Gespräch, dass er großen Respekt vor der Filmkritik an sich habe und mit dem Verständnis aufwuchs, dass auch diese eine eigene Kunstform sei. Doch heute würde es nur noch um eine Zahl gehen, die sich aus positiven und negativen Wertungen zusammensetze.
Ist die Wertung bei Rotten Tomatoes nicht gut, so deutet Ratner an, würde das konkrete Auswirkungen auf die Wahrnehmung eines Films und letztendlich auf die Entscheidung der potentiellen Kinogänger haben, ob sie sich einen Film anschauen oder nicht. Als Beispiel führt er den vielgescholtenen „Batman V Superman: Dawn Of Justice“ an, dessen Wertung seiner Meinung nach wie eine Wolke über ihn hing (die Wertung steht bei 27 Prozent - wir fanden ihn übrigens auch nicht gut).
„Es ist verrückt, es schadet dem Geschäft und es sorgt dafür, dass Menschen nicht in einen Film gehen“, fuhr Ratner fort. „In Mittelamerika sagen sich die Leute: ‚Oh, ein niedriges Ergebnis bei Rotten Tomatoes, also werde ich den Film nicht sehen, denn er muss schlecht sein.‘ Aber diese Zahl ist nur eine Anhäufung und keiner weiß, was sie wirklich bedeutet und sie ist nicht immer korrekt. Ich habe einige tolle Filme mit schlechtem Ergebnis gesehen. Wirklich traurig ist auch, dass die Filmkritik dadurch verschwindet. Es ist wirklich traurig.“
EW bat auch bei Rotten Tomatoes um ein Statement und überraschenderweise weicht dieses nicht allzu sehr von Ratners Meinung ab. So stimme man vollständig zu, dass Filmkritiken wertvoll und wichtig sind. Man möchte es außerdem den Fans schlichtweg einfacher machen, zahlreiche professionelle Kritiken zu Film und Fernsehen an nur einem Punkt zugänglich zu machen. „Das Tomatometer-Ergebnis […] ist zu einem nützlichen Werkzeug bei der Entscheidungsfindung geworden und wir glauben, dass dies nur der Anfang für Fans ist, eine eigene Diskussion anzufangen“, schrieb Jeff Voris, Mitarbeiter der Seite, in dem Statement.
Ob Brett Ratner mit seinen Aussagen nun auf viel Unterstützung oder eher auf Gegenwind treffen wird, bleibt abzuwarten. Unter seinen eigenen Projekten finden sich jedenfalls einige Perlen, die auch bei Rotten Tomatoes gut weggekommen sind – zum Beispiel der oscarprämierte „The Revenant – Der Rückkehrer“, bei dem Ratner mitproduziert hat und der gegenwärtig bei ziemlich guten 81 Prozent steht. Darüber beschwert er sich bestimmt nicht.