Acht Filme stehen in der Vorauswahl für den deutschen Oscar-Beitrag 2016, der in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ ins Rennen gehen soll. Darunter befindet sich „Victoria“, der eigentlich die logische Wahl wäre. Die Kritiker hierzulande sind begeistert, auch in den USA fährt man auf den Film ab. Schauspielerin Jennifer Lawrence soll sich zum Beispiel eine Privatvorführung organisiert haben, einen US-Kinostart wird es geben. Dazu dürfen mittlerweile alle Mitglieder der Academy in der Kategorie für den sogenannten „Auslands-Oscar“ abstimmen – es müssen also nicht mehr zwingend Geschichtsthemen sein…
Doch „Victoria“ hat ein Problem. Rund die Hälfte des Films, in dem ein paar Berliner Jungs auf ein spanisches Mädchen treffen und man gemeinsam durch die Stadt zieht – ein paar Bier und ein Banküberfall inklusive – ist in englischer Sprache. Daher könnte „Victoria“ disqualifiziert werden. Wie der Focus und Die Welt übereinstimmend berichten, wurde daher bereits ein Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung gestellt: „Victoria“ soll trotzdem zugelassen werden. Laut Welt sind bei genauer Zählung 49% der Dialoge in englischer, 51% in deutscher oder spanischer Sprache. Ein leichtes, minimales Übergewicht des fremdsprachigen Anteils wäre daher gegeben. Ein Großteil der „englischen“ Dialoge sind zudem eher Denglisch, das die Berliner Jungs radebrechen. Nach den Informationen der Tageszeitung liegt die offizielle Grenze der Academy, die aber nicht in den öffentlich zugänglichen Richtlinien genannt wird, allerdings bei maximal 41% englischer Sprache für die Zulassung.
Am morgigen Donnerstag, dem 27. August 2015, soll die Entscheidung der deutschen Vorauswahlgruppe bekannt gegeben werden. Es ist nicht zu erwarten, dass man bis dahin eine Nachricht aus den USA hat. Da die Frist für die Einreichung der Beiträge bis Ende September 2015 läuft, wäre zwar bei einer Benennung von „Victoria“ bei der morgigen Entscheidung und späterer Ablehnung durch die Academy eventuell noch eine Nachmeldung möglich, diese wäre aber riskant. Der neue Kandidat wäre sogleich als „zweite Wahl“ beschädigt. Zudem ist nicht sicher, ob die Entscheidung in den USA überhaupt rechtzeitig erfolgt.
Neben „Victoria“ stehen noch „Elser“ von Oliver Hirschbiegel, „Freistatt“ von Marc Brummund, „Honig im Kopf“ von Til Schweiger, „Im Labyrinth des Schweigens“ von Giulio Ricciarelli, „Jack“ von Edward Berger, „Schmidt Katze“ von Marc Schlegel und „Wir sind jung. Wir sind stark.“ von Burhan Qurbanis zur Auswahl.
Unabhängig von der Entscheidung, ob „Victoria“ ins Rennen um den „Auslands-Oscar“ geschickt wird, wird sich Sebastian Schippers Berlin-Drama mit dem kommenden US-Kinostarts übrigens für weitere Kategorien qualifizieren. Nominierungen für Regisseur, Darsteller oder Kamera wären damit möglich, sind aber aufgrund der massiven (Werbe-) Konkurrenz der großen US-Produktionen eher unwahrscheinlich…