Wie zuvor schon bei ihren Marvel-Arbeiten haben sich die „Avengers: Endgame“-Macher Joe und Anthony Russo auch mit ihrem neuen Sci-Fi-Abenteuer „The Electric State“ ein echtes Mammutprojekt vorgenommen. Die Adaption des illustrierten Romans von Simon Stålenhag mit „Stranger Things“-Star Millie Bobby Brown und Chris Pratt soll stolze 320 Millionen Dollar verschlungen hat. Dass so ein Projekt nicht von heute auf morgen entsteht, ist klar.
Wir haben die Geschwister im Interview zum langen Entstehungsprozess und zur Gestaltung der aufwendigen Roboter befragt, die sich im Film im Konflikt mit der Menschheit befinden – und konnten uns natürlich auch eine Frage zu den kommenden Marvel-Mega-Events „Avengers: Doomsday“ und „Avengers: Secret Wars“ nicht verkneifen...
FILMSTARTS: Ihr habt die Verfilmung von „The Electric State“ erstmals 2017 angekündigt. Nun hat es acht Jahre gedauert, bis der Film gedreht und veröffentlicht wurde. Was war da los?
Anthony Russo: Es war ein Prozess, in dem Chris Markus und Steve McFeely, die das Drehbuch geschrieben haben, viel erkunden und entdecken mussten. Simon Stålenhags Buch ist zwar eine unglaubliche Graphic Novel, aber die Erzählung bleibt darin sehr vage. Es gibt keine klare Geschichte, der man einfach folgen kann. Sie mussten also eine Menge erfinden, um eine zusammenhängende Handlung zu schaffen.
Joe Russo: Und dann hat die Designphase ziemlich lange gedauert. Wir haben etwa zwei Jahre damit verbracht, die Welt und den Look der Roboter zu entwickeln, bevor wir mit den Dreharbeiten begonnen haben. Die Dreharbeiten selbst dauerten ungefähr ein Jahr, und anschließend benötigten wir noch einmal zwei Jahre für die Postproduktion. Insgesamt war es also ein fünfjähriger Prozess, diesen Film zu realisieren.

FILMSTARTS: Apropos Roboter-Design. Sind die Roboter eigentlich komplett am Computer entstanden oder kamen hier auch praktische Effekte zum Einsatz?
Joe Russo: Es sind tatsächlich alles Computer-Effekte. Bei der Gestaltung der Roboter haben wir zuerst die Stimmen der Schauspieler aufgenommen, noch bevor wir mit den Dreharbeiten begonnen haben. Dadurch wussten wir genau, wie die Figuren klingen und agieren sollten. Am Set hatten wir dann eine Gruppe von Motion-Capture-Darstellern, die mit Chris und Millie gespielt und die Roboterbewegungen gemacht haben. Ein Großteil ihrer Performance diente dem VFX-Team als Grundlage, um die Roboter zum Leben zu erwecken. Nach den Dreharbeiten wurden die visuellen Effekte über die Motion-Capture-Aufnahmen gelegt, und schließlich haben wir die Stimmen der Schauspieler noch einmal neu aufgenommen. Es war ein sehr vielschichtiger Prozess.
FILMSTARTS: War der Film von Anfang an für Netflix geplant oder hat sich das erst im Laufe der Zeit so entwickelt?
Anthony Russo: Nein, wir haben auch mit anderen Studios Gespräche geführt, aber letztendlich fühlte sich Netflix als der richtige Partner an. Sie haben wirklich an die Geschichte geglaubt und verstanden, dass es ein schwieriger Film werden würde – wegen des aufwendigen World-Buildings und der umfangreichen visuellen Effekte. Aber sie waren voll dabei, begeistert von dem Projekt und haben uns unglaublich unterstützt.
Gibt es dann auch mal Streit am Set?
FILMSTARTS: In „The Electric State“ geht es nicht zuletzt auch um zwischenmenschliche Verbindungen. Ihr beide habt natürlich auch eine besondere Verbindung – nicht nur als Brüder, sondern auch als kreative Partner. Gab es jemals eine kreative Auseinandersetzung, bei der ihr euch richtig streiten musstet, um eine Entscheidung zu treffen?
Joe Russo: Ich weiß nicht... Zumindest bei diesem Film fällt mir gerade nichts Konkretes ein. Vielleicht wäre das eine bessere Frage für Millie oder Chris – die erinnern sich bestimmt besser daran als wir.
FILMSTARTS: Ihr habt ja bereits viel Erfahrung mit der Adaption von Comics und Romanen. Auch „The Electric State“ ist nun eine Adaption. Was reizt euch daran? Und macht es die Arbeit leichter oder sogar schwerer, wenn es bereits eine Vorlage gibt?
Joe Russo: Beides. Eine Vorlage hat den Vorteil, dass man bereits Themen, Charaktere, Stimmungen und Emotionen spüren kann. Uns macht es Spaß, Dinge zum Leben zu erwecken, die wir selbst gerne lesen oder anschauen. „The Electric State“ ist eine visuell sehr beeindruckende Graphic Novel, und die Themen haben uns so sehr angesprochen, dass wir sie unbedingt weiterentwickeln und eine ganze Welt darum herum erschaffen wollten.

FILMSTARTS: Ihr habt sowohl für Streaming-Plattformen als auch fürs Kino produziert. Was bevorzugt ihr? Gibt es jeweils Vor- oder Nachteile? Oder spielt das für die Arbeit selbst gar keine so große Rolle?
Anthony Russo: Wir lieben es einfach, Geschichten zu erzählen und sie mit anderen zu teilen. Wir leben in einer Zeit des technologischen Wandels. Die Art und Weise, wie Menschen Geschichten erleben, hat sich drastisch verändert. Es gibt das klassische Kino, aber auch Streaming zu Hause oder sogar auf mobilen Geräten. Es gibt heutzutage eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten, Inhalte zu konsumieren. Natürlich lieben wir das Kino – wir sind damit aufgewachsen, und es prägt unsere Denkweise beim Erzählen von Geschichten. Aber wir sind offen dafür, wie Menschen ihre Geschichten erleben möchten. Wir wollen keine Wertung abgeben, welches Format „besser“ ist. Solange unsere Geschichten ihr Publikum erreichen, ist das für uns das Wichtigste.
FILMSTARTS: Ihr wart nicht nur für einige der größten Blockbuster aller Zeiten verantwortlich, sondern habt auch eine der größten Prime-Video-Serien und gleich zwei der größten Netflix-Filme gedreht. Was kann da jetzt überhaupt noch kommen? Wie kann man das jetzt noch toppen?
Joe Russo: Indem wir erstmal schlafen gehen!
Nur noch wenige Wochen bis zum Start der Arbeit an "Avengers 5"
FILMSTARTS: Oder vielleicht ja auch mit „Avengers 5 & 6“, auf die ich zumindest kurz noch zu sprechen kommen muss? Ich halte es aber mal vage und lasse euch die Arbeit machen. Gibt es irgendetwas zu den beiden Filmen, das ihr anteasern könnt und bisher noch nicht angeteasert habt?
Joe Russo: Es ist schwierig, weil wir immer drum herumreden müssen. Aber ja, wir sind nur noch ein paar Wochen vom Drehstart für den ersten Film entfernt. In vielerlei Hinsicht wird die Geschichte für das Publikum noch herausfordernder als „Infinity War“ oder „Endgame“. Aber es ist fantastisch, wieder mit Robert Downey Jr. zu arbeiten – und das in einer völlig neuen Rolle. Es ist unglaublich, ihm dabei zuzusehen, wie er eine Figur zum Leben erweckt.
Einer der überraschendsten Punkte des World-Buildings von „The Electric State“ ist, dass ausgerechnet Walt Disney „an allem Schuld ist“. Wie es dazu kam, erklären wir euch im folgenden Artikel:
Ausgerechnet Walt Disney ist im Netflix-Blockbuster "The Electric State" für das Ende der Welt verantwortlich?! Das steckt dahinter