Mit der Regie bei Serien ist das immer so eine Sache. Oft haben Regisseur*innen hier deutlich weniger Einfluss als bei Filmen – wenn sie nicht gerade die Pilotfolge inszenieren. Denn dieser gibt meist den Stil der gesamten Serie vor, der Rest muss dieser Blaupause folgen. So wurde es durchaus mit Verwunderung betrachtet, dass für „Skeleton Crew“ gleich so viele hochkarätige Namen für die Inszenierung einzelner Episoden verpflichtet wurden. Würden Leute wie David Lowery („Green Knight“) oder Lee Isaac Chung („Minari“) einfach nur den Vorgaben von Serienmacher und Pilot-Regisseur Jon Watts (MCU-„Spider-Man“-Trilogie) folgen?
Gerade bei einem Duo konnte man sich das nicht vorstellen: Daniel Kwan und Daniel Scheinert. Die als „die Daniels“ bekannten Filmemacher wirbeln seit einiger Zeit das amerikanische Indie-Kino auf. Schon „Swiss Army Man“ war eine Sensation, der Oscar-Hit „Everything Everywhere All at Once“ machte sie endgültig bekannt. Beide Titel haben vor allem eine abgefahrene Geschichte, aber fallen auch mit verrückten visuellen Spielereien auf. Würden sie die nun für „Star Wars“ aufgeben? Nein!
Die Kamera ist der heimliche Star der neuen Folge "Skeleton Crew"
Die vierte Episode von „Skeleton Crew“ hat viel, was begeistern kann. Dass die Daniels ausgerechnet für diese Geschichte ausgewählt wurden, erschließt sich schnell. Denn so viel Herz wie „Ich kann nicht sagen, dass ich mich an At Attin erinnere“ hatte noch keine Folge – und die Daniels verstehen sich bestens darauf, Gefühle in einem im ersten Moment diese eher abweisenden Setting zu finden. Und so gibt es die bislang berührendsten Szenen der Serie in einem Lager voller Kindersoldat*innen. Wir könnten hier natürlich die Momente zwischen Neel (Robert Timothy Smith) und der Troik-Kriegerin Hayna (Hala Finley) oder zwischen Fern (Ryan Kiera Armstrong) und Wim (Ravi Cabot-Conyers) feiern, aber so richtig begeistert hat ein anderes Element der Episode: die Kamera.
Denn die Daniels haben in der Folge genial bewiesen, wie man eigene visuelle Spielereien in eine Serienfolge einbringen kann und trotzdem deren eigentlichen Look treu bleibt. Das machen sie vor allem mit der Hilfe der Kamera, für die hier nicht ihr Stammmitarbeiter Larkin Seiple, sondern der „Star Wars“ erfahrene David Klein (u. a. auch Episoden von „The Mandalorian“ und „The Book Of Boba Fett“) verantwortlich war.
Immer wieder überraschen sie mit Kamerapositionen und -bewegungen, die man so nicht erwarten würde und die dem Geschehen plötzlich eine andere Dynamik oder auch mal Intimität geben. Wenn Hayna Neel zum Abschluss einen Kuss gibt, wird plötzlich auf eine Handkamera gewechselt, mit der man sich auf die beiden Figuren zubewegt und schließlich bei diesem besonderen Moment hautnah dabei ist. Das wertet den Moment ganz subtil unglaublich auf. Auch bei den verschiedenen, eigentlich völlig sinnlosen Parkour-Moves von Hayna geht die Kamera plötzlich richtig mit. Achtet mal beim erneuten Anschauen der Folge auf die Kamera-Bewegung, wenn die Teenagerin nach dem ersten Treffen mit dem Kids-Quartett plötzlich den Boden entlangslidet.
Die Snorricam und ein Cameo von Mathieu Kassovitz
Richtig ins Auge fällt der Kamera-Wechsel natürlich in den bedrohlichen Momenten im Finale. Als sich bei SM-33 (Stimme: Nick Frost) sein altes Sicherheitsprotokoll aktiviert und er zur Gefahr für die Kinder wird, kommt die sogenannte Snorricam zum Einsatz. Hier wird eine Kamera direkt am Körper eines Schauspielers oder einer Schauspielerin befestigt. Dadurch bleibt die Person während der Bewegung im Bild stabil, während sich der Hintergrund und die Umgebung um ihn herum dramatisch zu bewegen scheinen.
Oft wird diese Technik eingesetzt, um auf die Orientierungslosigkeit, Panik oder emotionale Turbulenz dieser Figur zu verweisen. Das Publikum soll die mentale und emotionale Perspektive dieser Figuren unmittelbar erfahren. Bekannte Beispiele finden sich in Darren Aronofskys „Requiem For A Dream“, Martin Scorseses „Hexenkessel“ oder Matt Reeves' „The Batman“. Legendär ist auch eine entsprechende Passage im Kultfilm „Hass“ von Mathieu Kassovitz – und der hat hier sicher nicht zufällig eine Nebenrolle als General Strix.
Interessant ist, wie die Daniels hier diese spezielle Kamera-Technik gleich auf zweifache Weise einsetzen. Zum einen haben wir hier den klassischen Hintergedanken bei diesen Bildern. Wir sollen uns fragen, ob SM-33 nun wirklich nur noch darauf aus ist, die Kinder zu töten oder ob in ihm noch etwas anderes vor sich geht, seine jüngsten Erfahrungen, die Kinder zu schützen, vielleicht doch wieder durchdringen. Zum anderen wirkt die Szene natürlich gleich viel, viel bedrohlicher. Ganz nah kommen wir so der einschüchternd wirkenden Fratze des Kampfroboters.
Die vierte Folge von „Skeleton Crew“ ist so eine außergewöhnliche visuelle Besonderheit in der „Star Wars“-Saga. Sie hat da eine eindeutige Ausnahmestellung, fügt sich gleichzeitig aber trotzdem exzellent in die bisherige Erzählung ein. Weiter geht es mit „Skeleton Crew“ dann am ersten Weihnachtsfeiertag. Die ab dem 25. Dezember 2024 verfügbare Folge wurde von Jake Schreier inszeniert. Der wurde einst für visuell aufregende Musikvideos und Werbespots gefeiert. Mal sehen, was wir uns von dem mittlerweile durch das Netflix-Juwel „Beef“ bekannten Regisseur des kommenden MCU-Abenteuers „Thunderbolts*“ erwarten dürfen.
Mehr zur Figur von Jude Law in „Skeleton Crew“ haben wir derweil im folgenden Artikel für euch:
Spielt Jude Law eine bekannte "Star Wars"-Figur in "Skeleton Crew"? Nun gibt es die offizielle Bestätigung zu Crimson Jack