„Wicked“ ist vor und nach den bekannten Geschehnissen aus dem Klassiker „Der Zauberer von Oz“ alias „Das zauberhafte Land“ angesiedelt. Doch wer den Film deswegen als Prequel oder Sequel zu dem berühmten Kino-Musical mit Judy Garland bezeichnet, sagt strenggenommen die Unwahrheit. Um zu verstehen, warum dies ein weitverbreiteter Irrglaube ist, müssen wir auf die Grundlagen der jeweiligen Filme schauen.
Mitte der 1990er-Jahre schrieb Autor Gregory Maguire einen Prequel-Roman zu dem Kinderbuch-Klassiker „Der Zauberer von Oz“ von Lyman Frank Baum. Aus diesem Buch wurde 2003 das Broadway-Musical „Wicked“, welches „Crazy Rich“-Erfolgsregisseur Jon M. Chu jetzt als zweiteiligen Film in die Kinos bringt. Diese „Wicked“-Kinofilme erzählen also die Vorgeschichte zum Roman „Der Zauberer von Oz“ – da würde man meinen, sie sind automatisch auch Prequels zum legendären Film „Der Zauberer von Oz“. Dem ist aber nicht so!
Im folgenden Artikel erklären wir zunächst, wie man die Unterschiede zwischen den Filmwelten von „Wicked“ und „Der Zauberer von Oz“ erkennt. Und danach führen wir aus, warum es zu dieser Besonderheit kommt, dass „Wicked“ zwar Prequel zum „Oz“-Buch ist, aber eben nicht zum Film:
Die deutlichsten Unterschiede: Rote Schuhe und die Optik der grünen Hexe
Legendär sind in „Der Zauberer von Oz“ die roten Schuhe, welche Dorothy kurz nach ihrer Ankunft im magischen Land Oz an den Füßen hat. Sie spielen auch in „Wicked“ wieder eine Rolle. Doch Fans des Kino-Klassikers werden sich erst einmal verwundert die Augen reiben. Die Schuhe sind ja gar nicht rot, sie sind silber – in „Wicked - Teil 1“ sind sie bereits an den Füßen von Elphabas Schwester Nessarose (Marissa Bode) zu sehen.
Ein anderer Unterschied ist subtiler. Das Erscheinungsbild von Elphaba (Cynthia Erivo) in „Wicked“ unterscheidet sich bei genauem Hinsehen doch deutlich von jener der bösen Hexe des Westens (Margaret Hamilton) in „Der Zauberer von Oz“. Dabei handelt es sich trotzdem um dieselbe Figur. Doch die Unterschiede sind sehr bewusst gesetzt worden.
Aus rechtlichen Gründen: "Wicked" muss sich von "Der Zauberer von Oz" unterscheiden
Für den 1900 veröffentlichten Roman „Der Zauberer von Oz“ von Lyman Frank Baum existiert kein Urheberrechtsschutz mehr. So konnte Maguire mit den Figuren eine Vorgeschichte entwickeln, daraus dann ein Musical und nun ein Kinofilm werden. Bei dem vom einstigen Hollywood-Giganten MGM produzierten Kino-Klassiker ist die Lage anders. Dieser ist in den USA weiterhin urheberrechtlich geschützt. Und beim damaligen Film nahm man einige Änderungen gegenüber der Romanvorlage vor – und diese unterliegen weiterhin dem Schutz.
Die roten Schuhe sind so eine reine Erfindung für den alten Film. Im Roman bekommt Dorothy silberne Schuhe, die eine symbolische Rolle spielen, indem sie den Konflikt zwischen ländlicher Einfachheit und industriellem Fortschritt in den USA reflektieren. Für die Verfilmung von 1939 wurden diese aus einem rein ästhetischen Grund in rubinrote Schuhe geändert. Technicolor, das damals innovative Farbfilmsystem, war ein zentrales Element des Films, und die leuchtend roten Schuhe wirkten auf der Leinwand deutlich beeindruckender als die silbernen. Das veränderte die popkulturelle Wahrnehmung der Geschichte völlig. Schließlich sind die rubinroten Schuhe seither eines der ikonischsten Elemente des Films, durften aber bei „Wicked“ nicht verwendet werden. Deswegen griff man wieder auf die silbernen Schuhe zurück.
Auch bei der bösen Hexe des Westens nahm man sich in den 1930er-Jahren bei der Hollywood-Adaption von Baums Roman einige Freiheiten. In Baums Beschreibung hat die Hexe ein unheimliches und furchterregendes Aussehen, aber von grüner Hautfarbe fehlt jede Spur. Auch das Mal am Kinn der Figur in den 1939-Verfilmung ist eine reine Erfindung der Verantwortlichen um Regisseur Victor Fleming.
Folglich musste man auch hier aufpassen, was man übernimmt, wenn man diese Figur erneut nutzt. Eine grüne Hexe ist per se nicht schützenswert, da diese schon vor dem 1939er-Film in der Popkultur auftrat. Das genaue Design durfte man aber nicht kopieren. Also entschloss man sich in „Wicked“ Elphaba zwar wieder grüne Haut zu geben (und diese sogar zu einem ganz zentralen Element der Handlung zu machen), verzichtete aber darauf, den genauen Grünton und die sonstige Optik aus dem Originalfilm zu übernehmen.
„Wicked“ ist übrigens nicht das erste Projekt, bei dem hier mit Bedacht gearbeitet werden musste. Als Sam Raimi für Disney vor etwas über einem Jahrzehnt mit „Die fantastische Welt von Oz“ eine eigene Vorgeschichte zum legendären Märchen entwickelte, soll sogar immer jemand aus der Rechtsabteilung des Maushauses am Set gewesen sein. So wollte man sicherstellen, dass es auch keine Möglichkeit für den mittlerweile die Rechte an „Der Zauberer von Oz“ haltenden, und über das damalige Filmprojekt sehr erbosten Konkurrenten Warner gibt, das Studio wegen einer Urheberrechtsverletzung zu verklagen. Für die hier Theodora genannte und von Mila Kunis verkörperte Hexe wurde dabei sogar extra ein neuer Grünton entwickelt, damit dieser auch ja anders ist als der im 1939er-Kinoklassiker.
„Wicked“ läuft seit dem heutigen 12. Dezember 2024 offiziell in Deutschland in den Kinos, nachdem es am Wochenende davor bereits hunderte sehr gut gefüllte Preview-Vorführungen gegeben hat. Auch hierzulande dürfte die Erfolgsgeschichte des sich bereits jetzt mit großen Schritten auf ein herausragendes Einspielergebnis von 500 Millionen Dollar zu bewegenden Musicals fortgeschrieben. Die Fortsetzung „Wicked – Teil 2“ kommt dann am 20. November 2025 in die Kinos. Falls ihr wissen wollt, ob ihr im Kino sitzenbleiben solltet, werdet ihr im folgenden Artikel fündig:
Lohnt sich das Sitzenbleiben bei "Wicked"? Wir verraten euch, ob der Musical-Hit eine Post-Credit-Szene hat