Als stoisch dreinblickender, Zigarillo rauchender und immer ins Schwarze treffender Pistolero ist Clint Eastwood („Mystic River“) in den Sergio-Leone-Klassikern „Für eine Handvoll Dollar“, „Für ein paar Dollar mehr“ und „Zwei glorreiche Halunken“ zur absoluten Ikone des Italo-Western aufgestiegen. Mit „Ein Fremder ohne Namen“, der erst zweiten Regiearbeit von Clint Eastwood nach „Sadistico“, hat sich die Ikone im Jahre 1973 dem Genre angenommen, das ihm einst den Durchbruch ermöglichte – und das auf besonders grausame Art und Weise.
Früher stand „Ein Fremder ohne Namen“ aufgrund seiner nihilistischen Grausamkeiten sogar auf dem Index. Inzwischen ist der Brutalo-Western zwar rehabilitiert, aber immer noch mit einer mehr als verdienten FSK-18-Freigabe versehen. Momentan könnt ihr das 1970er-Jahre-Brett bei Amazon Prime Video kostenpflichtig streamen:
Darum geht’s in "Ein Fremder ohne Namen"
Einen namenlosen Reiter (Clint Eastwood) verschlägt es in die kleine, am Wasser gelegene Stadt Lago. Dort wird er von den Bewohner*innen, die sich nach und nach allesamt als Feiglinge herausstellen, zuerst einmal ziemlich misstrauisch beäugt. Doch als der Fremde dafür sorgt, dass örtlichen Halunken ein für alle Mal der Garaus gemacht wird, wollen ihn die Dörfler*innen unbedingt zum Bleiben bewegen.
In Kürze nämlich wird eine Gruppe Banditen in der Stadt erwartet, frisch aus dem Gefängnis entlassen und auf Rache ob des einjährigen Gefängnisaufenthaltes sinnend. Von den angsterfüllten Einwohner*innen des Ortes wird der Fremde um Hilfe im Kampf gegen die Gangster gebeten und erhält dafür alle Vollmachten. Nach einigem Zögern willigt er schließlich ein...
Ein düsterer Gewaltrausch
Obwohl „Ein Fremder ohne Namen“ erst die zweite Regiearbeit von Clint Eastwood darstellt, sollte er danach nie wieder so bestialisch zu Werke schreiten wie in diesem Fall. Als Geister-Western, den Eastwood selbst Jahre später auch mit dem marginal besseren „Pale Rider“ noch einmal aufgreifen sollte, bekommen wir es hier von Anfang an mit einem identitätslosen Mann zu tun, der einer Fata Morgana gleich aus dem flirrenden Dunst der Wüstenlandschaft auftaucht. Worum es ihm geht, ist bereits nach wenigen Minuten klar: Gewalt.
Obwohl es oberflächlich den Anschein erweckt, dass Clint Eastwoods Geisterreiter eine völlig hilflose Dorfgemeinschaft retten möchte, ist sein wahrer Antrieb der pure Egoismus. Wenn er den Revolver sprechen lässt, dann nicht, um zu helfen, sondern um seine eigenen Triebe (hier in erster Linie Rache, oftmals ist es aber auch purer Sadismus) zu befriedigen. Das führt meiner Meinung nach zwar zu einer sehr stimmungsvollen Dekonstruktion des romantischen John-Wayne-Westerns, birgt aber auch Probleme in sich.
Ein Scheusal von Film
„Ein Fremder ohne Namen“ ist inszenatorisch von dem unbestreitbaren Talent Eastwoods beseelt und schreitet mit einer Grimmigkeit voran, die auch heute noch durchaus überrascht. Das Frauenbild ist allerdings übel, weil es einen durch und durch fragwürdigen Männlichkeitskult fortwährend bestätigt. Clint Eastwood ist nicht nur mit dem Schießeisen äußerst brutal unterwegs, um jede Menge Halunken über den Haufen zu ballern. Er ist auch ein Vergewaltiger, der sich an Frauen vergeht, die ihm noch während dieses Aktes der Demütigung hoffnungslos verfallen.
Das Sehvergnügen wird dadurch natürlich ein Stück weit eingeschränkt, als zutiefst düsterer, durch und durch rustikaler Gewalt-Western aber überzeugt „Ein Fremder ohne Namen“ letztlich dann doch. Dafür ist Eastwoods Handwerk nicht nur einfach zu versiert (gerade das fast schon in surreal-delirante Bildkompositionen gegossene Finale ist ein echter Hingucker), sondern auch in der Entschiedenheit, all das Ätzende, Unmoralische, Schroffe und Ekelhafte dieser (noch halbwegs) gesetzlosen Zeit an die Oberfläche zu kehren, imponierend. Ein ohne mit der Wimper zuckendes Scheusal von Film.
Hier könnt ihr euch den Trailer in der englischsprachigen Originalversion anschauen:
Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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