Ich habe mich lange dagegen gewehrt, Richard Kellys Sci-Fi-Trip „Southland Tales“ eine Chance zu geben – und das, obwohl das Erstlingswerk des Regisseurs, „Donnie Darko“, zu meinen absoluten Lieblingsfilmen zählt. Zu durchwachsen waren die Kritiken. Zudem blieb auch dessen 2009 veröffentlichter „The Box – Du bist das Experiment“ deutlich hinter meinen Erwartungen zurück. Und so legte ich „Southland Tales“ erst einmal beiseite, obwohl ich ihn bereits in meiner Sammlung hatte.
„Southland Tales“ fristete seitdem ein unbeachtetes Leben in meinem Blu-ray-Regal. Nur hin und wieder fiel mein schamvoller Blick auf die noch eingeschweißte Hülle. Was würde mich erwarten? Aus den Kurzbeschreibungen zum Film wurde ich irgendwie nicht schlau. Und ganz ehrlich, selbst nachdem ich den Film endlich geschaut habe, weiß ich nicht so recht, ob ich diese 144-minütige Sci-Fi-Dystopie wirklich guten Gewissens jemanden empfehlen kann. Richard Kellys zweiter Kinofilm ist ein wirres Durcheinander, das von seinen eigenen Ideen und der schieren Menge an Storylines geradezu erdrückt wird. Zudem durchziehen den Film kryptisch-religiöse Untertöne, die hier viel präsenter sind als noch in „Donnie Darko“.
Und dennoch: Eine gewisse Faszination geht von „Southland Tales“ definitiv aus, denn der Film ist ein Quell immer neuer, kreativer Ideen, verpackt in einer gewöhnungsbedürftig-trashigen 2000er-Ästhetik. Mit Stars wie Action-Ikone Dwayne Johnson, der hier in einer seiner ersten Rollen zu sehen ist, „American Pie“-Schwerenöter Seann William Scott in einer Doppelrolle, Sarah Michelle Gellar („Buffy“) und Justin Timberlake ist der Streifen sogar noch ausnehmend gut besetzt. Und auch der starke Ambient-Electro-Soundtrack von Moby geht auch heute noch gut ins Ohr.
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"Southland Tales" wird mit jedem Jahr relevanter
Richard Kelly hat mit „Southland Tales“ eine dystopische und teils bitterböse Gesellschafts-Satire erschaffen, die mit jedem Jahr stärker von der Wirklichkeit eingeholt wird. Radikale Strömungen, die aus der Mitte heraus die Gesellschaft zu destabilisieren drohen, privatisierte Kriegseinsätze, Porno-Stars, die zu gefeierten Influencer*innen aufsteigen und deren Wort gesellschaftliches Gewicht besitzt. Ein Präsident, der einen Überwachungsstaat aufbaut, um die eigene Macht zu sichern und ein Land, das Kriege im Ausland führt, aber gleichzeitig den Krieg gegen die Drogen zu verlieren droht. Wem das noch nicht genug ist, der bekommt auch noch rassistische Polizeigewalt und einen Vorgeschmack auf die Macht der Social-Media-Viralität.
Das Ganze wird verpackt in einen wirren Plot um einen Boxer ohne Erinnerung (Dwayne Johnson), der versucht sein Gedächtnis wiederzuerlangen und dabei in eine weitreichende Regierungs-Verschwörung hineingezogen wird. Zudem gibt es auch noch immer wieder Voice-Over-Kommentare von einem religiös-fanatischen Kriegsveteranen (Justin Timberlake), der eigentlich gar nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun hat – und auch bereits nach der Hälfte des Films aus dem Plot aussteigt.
Erschreckend nah an der amerikanischen Gegenwart
Obwohl bereits 2006 erschienen, fühlt sich „Southland Tales“ erschreckend nah an der amerikanischen Wirklichkeit an. Bei so viel prophetischer Energie ist es kaum verwunderlich, dass Richard Kellys ungewöhnlicher Science-Fiction-Thriller über die Jahre einen begeisterten Fankreis aufgebaut hat – der auch heute noch stetig wächst.
Und auch ich bin letztlich unschlüssig, was ich von dem Film halten soll. Man merkt, dass Richard Kelly nach seinem „Donnie Darko“-Erfolg für sein Folgeprojekt deutlich mehr Mittel zur Verfügung hatte, um seine Vision zu verwirklichen und die Hollywood-Stars Schlange standen, um mit dem Regisseur zu arbeiten. Es gibt hier sogar eine Szene, in der der „Hostel“-Regisseur Eli Roth quasi nebenbei auf dem Klo erschossen wird.
Doch in seiner Größe verzettelt sich der Film zunehmend und führt seine erzählerischen Fäden nicht zu einem befriedigenden Ende. Es hätte dem Film sicherlich gutgetan, einige Handlungsstränge wegzulassen und seine Ideen zu fokussieren, statt hier gleich den Untergang der westlichen Zivilisation in all seinen Facetten erzählen zu wollen. Und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – ist „Southland Tales“ ein wahnsinnig spannendes Kleinod, ein geradezu größenwahnsinniges Sci-Fi-Projekt, das jeder Genre-Fan zumindest einmal gesehen haben sollte. Und wer weiß, vielleicht wird das seit einigen Jahren immer wieder angekündigte Prequel ja doch noch Realität...
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