Ihr habt Halloween gut überstanden und wollt euch einen garstigen Horror-Nachschlag gönnen, doch zu eurer Überraschung zeigt das Kino eurer Wahl heute nicht „Terrifier 3“? Und ihr habt bereits sichergestellt, dass ihr euch in eurem cineastischen Blutdurst nicht ins örtliche Arthouse verirrt habt?
Ihr habt sogar im Programm eures Kinos nachgeschaut und verdattert festgestellt, dass „Terrifier 3“ ab morgen, dem 2. November 2024, wieder gezeigt wird? Für dieses erste große Mysterium im Nebelmonat November gibt es eine einfache Erklärung: Ihr befindet euch im falschen Bundesland!
"Terrifier 3": Eine ungekürzte Bedrohung für religiöse Gefühle
Damien Leones neuer Slasher rund um den Killer-Clown Art (David Howard Thornton) und die kämpferische Sienna (Lauren LaVera) sorgt wie schon der heiß debattierte Vorgänger für Aufsehen: Mit seinen schmerzhaften Kills, drastischen Verstümmelungseffekten und einer unbequemen Verschmelzung aus Schrecken, Gewalt und Humor erntet „Terrifier 3“ sowohl erstauntes Lob als auch angewiderte Kritik.
Der deutsche Jugendschutz kam mit der 2-Millionen-Dollar-Produktion recht gut klar: „Terrifier 3“ erhielt ohne Kürzungen eine FSK-Freigabe ab 18 Jahren. Was allerdings häufig vergessen wird: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft ist nicht nur dafür zuständig, Altersfreigaben zu erteilen. Sie wägt auch ab, ob Filme an stillen Feiertagen im Kino aufgeführt werden dürfen. Und bei der Prüfung, ob er sich für den Kinoeinsatz an stillen Feiertagen eignet, ist „Terrifier 3“ durchgerasselt.
Terrifier 3Als stille Feiertage versteht man ausgewählte kirchliche Feiertage von ernstem Charakter – bestens bekannt sollte etwa das bundesweit geltende Tanzverbot an Karfreitag sein. In katholisch geprägten Bundesländern ist der 1. November ebenfalls ein stiller Feiertag – dort wird nämlich Allerheiligen gefeiert.
In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland sind daher beispielsweise Tanzveranstaltungen, Volksfeste und Märkte verboten – sowie die Kinoaufführung von Filmen, denen die FSK das Attribut „nicht feiertagsfrei“ zugesprochen hat. So schätzt die FSK einen Film ein, wenn er der Ernsthaftigkeit des Feiertages „so sehr widerspricht, dass eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens zu befürchten ist.“
Dass „Terrifier 3“ als grotesk-intensiver Slasher über einen wortlosen Clown, der sich provokant durch das Weihnachtsfest und dessen Ikonografie hackt, in diese Kategorie fällt, kommt vor diesem Hintergrund vielleicht nicht sonderlich überraschend.
Die FSK selbst hinterfragt diese Regelung
Bevor sie sich unverdiente Schelten einholt: Auf ihrer Website stellt die FSK selbst in Frage, dass ihr die Aufgabe zuteil wurde, durch Feiertagsverbote von Kinofilmen den Schutz sensibler religiöser Gemüter zu gewährleisten. „Sicherlich diskussionswürdig ist, inwieweit diese Regelung insgesamt noch als zeitgemäß empfunden wird“, heißt es dort, und weiter regt die FSK an: „Hier wären ein gesellschaftlicher Diskurs und der Gesetzgeber gefragt.“
Das interne Widerstreben der FSK hinsichtlich der Feiertagsregelung spiegelt sich in ihren Filmeinschätzungen wider: 2021, 2022 und 2023 wurde jeweils nur ein einziger Kinotitel als „nicht feiertagsfrei“ beurteilt, 2020 gab es (vielleicht pandemiebedingt) gar keinen Start ohne Feiertagsfreigabe. Generell wird das Feiertagsverbot kaum noch ausgesprochen. Weniger als ein Prozent aller seit 2000 veröffentlichten Kinospielfilme wurde als „nicht feiertagsfrei“ abgestempelt.
Zum Vergleich: In den 1950ern wurden noch 59,9 Prozent der Filme so eingeschätzt, in den 1960ern sogar 65,9 Prozent. In den 1970ern sank der Anteil der Neustarts ohne Feiertagsfreigabe auf 54,2 Prozent, in den 80ern ging er runter auf 33,1 Prozent und in den 90ern stürzte er bereits auf 3,8 Prozent.
Nein: "Mary Poppins" unterliegt nicht demselben Verbot wie "Terrifier 3"!
Aufgrund der Urteile früherer Generationen an FSK-Mitgliedern, existiert trotzdem eine lange Liste mit Werken, für die an stillen Feiertagen ein Aufführungsverbot gilt. Mediale Erinnerungen daran erscheinen mit erstaunlicher Verlässlichkeit: Jahr für Jahr wird sich an Karfreitag in Artikeln und Social-Media-Posts darüber lustig gemacht, dass unter anderem das lebensbejahende, bunte Disney-Musical „Mary Poppins“ und der frohe Heinz-Rühmann-Spaß „Die Feuerzangenbowle“ nicht laufen dürften.
Solche Berichte fußen allerdings auf einer veralteten Liste: Laut FSK wurden diese und einige andere Filme bereits vor vielen Jahren neu geprüft und als feiertagstauglich beurteilt. Dass nicht noch viel mehr einst mit einem Feiertagsverbot bedachte Filme wieder freigegeben wurden, hat bürokratische Gründe. Denn die FSK darf nicht nach eigenem Gusto Filme von der Feiertagsverbotsliste streichen.
Eine erneute Begutachtung muss vom Verleih beantragt werden – und diese Kosten und Mühen sparen sich die Firmen oftmals. Dabei ließ die FSK 2023 gegenüber dem RBB durchblicken, dass beispielsweise die Geisterkomödie „Ghostbusters“ und die Superheldenfarce „Batman hält die Welt in Atem“ mittlerweile feiertagsfrei wären – würde man bloß ein neues Urteil anfordern.
Bis dahin müssen sich Adam Wests Batman und die New Yorker Geisterjäger halt auf derselben Liste tummeln wie der diabolische Clown Art. Wie harsch eine Begegnung mit dem ausgehen kann, können Filmfans im Saarland, in NRW, Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz ja ab morgen wieder auf der großen Leinwand erleben. Wie es mit Art danach weitergeht, erfahrt ihr indes im folgenden Artikel:
Ist nach Teil 4 Schluss? "Terrifier"-Regisseur spricht über die Zukunft von Horror-Clown Art: "Es wird episch"