Drehbuchautorin Diablo Cody kennt das Lied: Sie schreibt eine Horror-Komödie über eine Schülerin, deren Leben sich nach einem grausigen Abend massiv verändert, eine Mordserie und überkochende Hormone. Der Film bleibt an den Kassen hinter den Erwartungen zurück. Doch die Fans können es nicht erwarten, ihn immer wieder zu sehen und jenen schmackhaft zu machen, die ihn bislang übersehen haben.
So erging es bereits dem zum Kult aufgestiegenen „Jennifer's Body“, und die Chancen stehen nicht schlecht, dass „Lisa Frankenstein“ einen vergleichbaren Wandel durchmacht: Nachdem das leichtfüßige Gruselvergnügen mit „Freaky“-Star Kathryn Newton dieses Frühjahr im Kino noch nicht Funken sprühen ließ, wartet es nun darauf, dass im Streaming und Heimkino der Blitz einschlägt: Ab sofort ist „Lisa Frankenstein“ beim Sky-Streamingdienst WOW abrufbar!
Und solltet ihr nun zu Fans des Films werden: Die DVD und Blu-ray* des Films enthalten als Bonusmaterial unter anderem Pannen vom Dreh, geschnittene Szenen und eine Featurette darüber, wie Regisseurin Zelda Williams den 80er-Vibe ihres Films kreierte.
"Lisa Frankenstein": Ein Wortspiel, das man erst begreifen muss!
1989: High-School-Außenseiterin Lisa (Kathryn Newton) erweckt nach einer desaströsen Party auf unerklärliche Weise eine viktorianische Leiche (Cole Sprouse) zum Leben. Während der wandelnde Tote alles für sie tun würde, gewinnt Lisa von ihrem schweigenden Kumpel inspiriert neues Selbstbewusstsein: Sie krempelt ihren Style um, versucht sich an einer auffälligeren Persönlichkeit und setzt alles daran, damit ihr großer Schwarm Michael (Henry Eikenberry) sie endlich bemerkt.
Doch all dies sorgt nicht nur für Irritation bei Lisas beliebter, gewiefter Stiefschwester Taffy (Liza Soberano), es sorgt auch für Komplikationen zwischen Lisa und ihrer Lieblingsleiche: Zwar beschafft sie dem Toten immer mehr Ersatzkörperteile, damit er menschlicher wird, und sie nutzt ihn als Schulter zum Ausheulen aus. Aber sehen sie wirklich einander auf Augenhöhe?!
Bereits der Filmtitel ist eine Pointe, auch wenn sie sich in Deutschland nicht allen erschließen dürfte: Lisa Frank ist eine in den USA bekannte Designerin, die vornehmlich für grellbunte, zuckrig-niedliche Grafiken auf Schulbedarf steht. Man denke also an Schreibhefte mit Regenbogen-Glitzer-Cover, auf denen zudem Katzenbabys prangen.
Diesen Namen mit dem Titel einer der berühmtesten Horror-Geschichten der Welt zu kombinieren, fasst auch das Wesen der von Newton gespielten Protagonistin zusammen: Lisa ist zwar eine nachdenkliche Außenseiterin mit morbiden Hobbys (sie hängt gerne auf dem Friedhof ab) und einem Faible für Kunst, die sich vielen Gleichaltrigen nicht erschließt (etwa Schwarz-Weiß-Filme und viktorianische Poesie). Allerdings ist sie (zumindest zu Filmbeginn) kein Vollblut-Goth, sondern widerspricht dem Goth-Image auch in einigen Dingen.
Kurzum: Lisa wäre im realen, heutigen Leben eine dieser schwarz gekleideten, von alten Filmen und düsteren Romanen erzählenden Jugendlichen, die ein pink-glitzerndes Federmäppchen mit zur Schule nehmen und auf deren Bett ein Einhorn-Plüschtier thront. Wir alle kennen solche Leute (oder waren so jemand), nicht wahr?
Das Goth-Girl von nebenan und ihr wortlos mordender Leichnam
Wie Williams und Cody somit einen Schlag von Teenies darstellen, der in Jugendkomödien selten vorkommt, trägt enorm zum Kultpotential des Films bei: Es fällt denkbar leicht, sich vorzustellen, wie sich nach und nach immer mehr Filmfans auf „Lisa Frankenstein“ stürzen, weil sie sich oder liebgewonnene Freund*innen wiedererkennen.
Hinzu kommt die innige, ansteckende Spielfreude, mit der Newton die Titelheldin verkörpert und somit einige der Skriptschwächen wie den stockenden Erzählfluss abmildert: „Lisa Frankenstein“ ist eine morbid angehauchte Filmskurrilität für alle, die in einer überzogenen, grellen 80er-Ästhetik mit einer Außenseiterin abhängen wollen, die ihr Image immer bemühter verstellt (und sich nicht so ganz entscheiden kann, wie schlimm sie Mord findet).
Anders gesagt: Während „Poor Things“ eine abgedreht-nachdenkliche, exzentrische und sexuell befreite, feministische Abwandlung der „Frankenstein“-Grundidee ist, ist „Lisa Frankenstein“ die pubertär-feministische, in sexuellen Dingen noch vorsichtige Abwandlung des Stoffes, die sich ebenso sehr an Tim Burton orientiert wie an „Ferris macht blau“, „Breakfast Club“ und ähnlichen Teeniespäßen.
Trotz der FSK-Freigabe ab 16 Jahren gerät das in den Gewaltspitzen mehr grotesk-komisch als drastisch. Schließlich ist dies ein Film, um unter der pechschwarzen Kuscheldecke das nächstbeste Glitzereinhorn zu kraulen, nicht um verschreckt das Popcorn zu verschütten. Ein Film wie ein Venn-Diagramm zwischen Wednesday Addams und Enid Sinclair aus „Wednesday“! Und wenn euer nächster Filmabend fieser ablaufen soll, ist der folgende Rache-Klassiker sicher nach eurem Geschmack:
Heimkino: Quentin Tarantino liebt dieses verstörende Rache-Meisterwerk – das ihr spätestens jetzt nachholen solltetDies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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