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    Der längste Sci-Fi-Film der Welt: Dieser Kino-Flop wurde erst in einer 5-Stunden-Fassung (!) zum Kult
    Michael Bendix
    Michael Bendix
    -Redakteur
    Schaut pro Jahr mehrere hundert Filme und bricht niemals einen ab. Liebt das Kino in seiner Gesamtheit: von Action bis Musical, von Horror bis Komödie, vom alten Hollywood bis zum jüngsten "Mission: Impossible"-Blockbuster.

    Die ursprüngliche Fassung von „Bis ans Ende der Welt“ dauerte 20 (!) Stunden. Im Laufe der Jahre wurden daraus eine gefloppte 158-Minuten-Kinofassung – und später ein fünfstündiger Kultfilm, der sogar einen Rekord hält.

    Den Grundstein für den Science-Fiction-Film legte 1902 – und damit vor über 120 (!) Jahren – das 16-minütige Tricktechnik-Kunstwerk „Die Reise zum Mond“ von Georges Méliès. In den folgenden Jahrzehnten hat das Genre immer epischere Formen angenommen. Fritz Langs „Metropolis“, Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ oder natürlich die erste „Star Wars“-Trilogie setzten neue Meilensteine.

    Doch wenn es um den längsten Sci-Fi-Film aller Zeiten geht, hängt sie einer alle ab: „Bis ans Ende der Welt, den der deutsche Regisseur Wim Wenders im Jahr 1991 mit einer internationalen Starbesetzung realisierte – unter anderem William Hurt („Avengers: Endgame“), Sam Neill („Jurassic Park“) und Max von Sydow („Minority Report“) waren in dem ehrgeizigen Epos dabei.

    „Bis ans Ende der Welt“ dreht sich um die junge Claire Tourneur (Solveig Dommartin), die Bekanntschaft mit dem mysteriösen Sam Farber (Hurt) macht. Dieser reist durch die Welt, um mithilfe einer Spezialkamera die verschiedenen Stationen im Leben seiner erblindeten Mutter Edith (Nouvelle-Vague-Ikone Jeanne Moreau) festzuhalten, um die so entstandenen Bilder in einem Geheimlabor in ihr Gehirn zu projizieren. Doch das ist nicht das einzige Experiment, an dem Dr. Farber arbeitet: In einem anderen versucht er, Träume sichtbar zu machen.

    Wer „Bis ans Ende der Welt“ sehen will, sieht sich mit einem wahren Wirrwarr an verschiedenen Versionen konfrontiert. Das hat gute Gründe! Denn die allererste Fassung des Films war sagenhafte 20 (!) Stunden lang – was mehr als nur ein bisschen mit der vertraglichen Vereinbarung kollidierte, einen ca. zweieinhalbstündigen Kinofilm abzuliefern...

    Ein ambitionierter Flop

    Am Ende musste sich Wenders also zähneknirschend fügen: Die nordamerikanischen Zuschauer*innen bekamen eine auf 158 Minuten eingestampfte Fassung vorgesetzt, während das europäische Publikum als Kompromiss immerhin noch 179 Minuten von „Bis ans Ende der Welt“ zu sehen bekam. Doch obwohl sich die Kritiker*innen fasziniert zeigten von dem „gigantische[n] Reise-, Abenteuer-, Science-Fiction-, Musik- und Liebesfilm“ (Lexikon des internationalen Films), wurde „Bis ans Ende der Welt“ zum ambitionierten Flop: Gerade einmal 752.856 US-Dollar konnte das Mammutwerk am Box Office erwirtschaften. Doch Wenders hatte noch einen Joker in der Hand ...

    ... denn er fertigte aus den Negativen der ursprünglichen Version eigenhändig einen Director's Cut an, der schließlich rund 287 Minuten – und damit fast fünf Stunden – lang war. Diesen könnt ihr zurzeit auf dem Amazon-Prime-Video-Channel ARTHAUS+ sehen, mit einem 7-tägigen Probeabo sogar kostenlos:

    In einem Interview mit Vulture hat der „Paris, Texas“-Regisseur auf „Bis ans Ende der Welt“ zurückgeblickt: „Der Film war das ehrgeizigste Projekt, das ich je gemacht habe, und wahrscheinlich auch der teuerste unabhängige Autorenfilm aller Zeiten, zumindest damals. Es war ein episches Abenteuer, und wir drehten ein Jahr lang. Beim Schnitt wurde mir klar, dass ich niemals die versprochenen zweieinhalb Stunden abliefern konnte, auf denen alle Vertriebsverträge beruhten. Der ideale Film, den ich machen wollte, war knapp fünf Stunden lang. Ich habe vergeblich versucht, meine Koproduzenten und Verleiher davon zu überzeugen, den Film in zwei Teilen zu veröffentlichen.“

    Heute ist das eine gängige Praxis, doch Anfang der 90er Jahre hätte es sich dabei um ein so nie dagewesenes – und in diesem Fall wohl auch kaum Erfolg versprechendes – Experiment gehandelt. Also fertigte Wenders mithilfe seines Stamm-Kameramanns Robby Müller die laut Wenders „ideale Schnittfassung“ an, die er fortan exklusiv auf verschiedenen Veranstaltungen (u. a. auch im berühmten MoMA in New York) zeigte, was maßgeblich zum Mythos um den Film beigetragen hat.

    Nur veröffentlichen wollte den an den Kinokassen bereits in der deutlich kürzeren Variante gescheiterten Film weiterhin niemand – erst viele Jahre später erbarmten sich auf Kunst- und Autorenfilme spezialisierte Vertriebe, den 5-Stunden-Cut doch noch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So erschien er unter anderem als Teil der von Cinephilen gefeierten Criterion Collection. Auf diese Weise wurde „Bis ans Ende der Welt“ zwar noch immer kein Kassenschlager, aber innerhalb seiner Nische doch immerhin zum Kultfilm, dem ein großer Ruf vorauseilt.

    „Die ganze Arbeit, die wir investiert haben, mein Team, die Schauspieler, die Musiker, hatte sich endlich ausgezahlt“, so Wenders. „Das Lustige ist, dass das, was ich mir damals als Science-Fiction-Film vorgestellt habe, den ich Mitte der 80er Jahre geschrieben hatte und der um die Jahrtausendwende spielen sollte, jetzt genauso weit von der Handlungszeit entfernt ist wie damals, nur dass sie jetzt in der Vergangenheit liegt. Ich denke, es muss eine einzigartige Erfahrung für einen Filmemacher sein, zu sehen, wie sein Werk von einem Science-Fiction-Film zu einem historischen Film wird.“

    Wenn ihr wissen wollt, welcher Sci-Fi-Film sich an den Kinokassen als gewaltiger Flop entpuppte, obwohl er ein technischer Meilenstein war, dann lest auch den folgenden Artikel:

    Dieser Sci-Fi-Film war vier Jahre lang in Arbeit und ein technischer Meilenstein – doch im Kino fiel er gnadenlos durch!

    Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels. Dieser Artikel ist von einem Beitrag inspiriert, der zuvor auf unserer spanischen Schwesternseite Espinof.com erschienen ist.

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