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    "Wir sollten unseren Dracula nicht Hollywood überlassen": Rumänischer Regie-Star plant eigenen Film über die legendäre Schauerfigur
    Alena Martens
    Alena Martens
    -Freie Autorin
    Fiebert seit Jahren leidenschaftlich bei den Oscars und Filmfestivals mit und entdeckt gern uralte sowie brandneue Filmperlen aus aller Welt. Binge Watching bei Netflix muss aber auch sein!

    Beim Filmfestival in Locarno spricht Radu Jude, der mit Gesellschaftssatiren wie „Bad Luck Banging Or Loony Porn“ in den letzten Jahren zum Kritiker-Liebling avancierte, über aktuelle Projekte und Hürden für Filmschaffende in Rumänien.

    Universal Pictures

    Spätestens seit seinem Erfolg mit der sozialkritischen Satire „Bad Luck Banging Or Loony Porn“, die ihm 2021 den Goldenen Bären auf der Berlinale einbrachte, ist Radu Jude als experimentierfreudiger, scharfsinniger und unkonventioneller Filmemacher international bekannt. Der rumänische Regisseur stellt derzeit beim Festival in Locarno seine zwei neuesten Filme vor: „Sleep #2“, eine Hommage an Andy Warhol, und „Eight Postcards From Utopia“, eine dokumentarische Collage ausschließlich aus post-sozialistischem rumänischem Werbematerial.

    Jude, der schon letztes Jahr für die Premiere seines Films „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ in Locarno zu Gast war, saß dieses Jahr zudem bei einer Masterclass auf dem Podium – und dort gab es Berichten der Branchenmagazine wie The Hollywood Reporter zufolge reichlich Gesprächsstoff und ein begeistertes Publikum, das auf Judes gewohnt forsche Meinungsäußerungen mit viel Applaus und Gelächter reagierte.

    Den Kultvampir zurück in die Heimat holen

    Gefragt nach kommenden Filmprojekten erwähnte Radu Jude seine Dracula-Idee und warum es wichtig sei, dass er als Rumäne sich dieser Aufgabe annehme: „Es ist an der Zeit, dass jemand aus Rumänien einen Dracula-Film dreht, denn das hat bisher nur Hollywood gemacht – und das schon tausend Mal.“

    Die zahlreichen Darstellungen des Vampirs, der den jahrhundertealten Sagen nach in Transsylvanien sein Unwesen trieb, haben mittlerweile Kultstatus: ob „Nosferatu“ von 1922 oder die ikonischen Verkörperungen von Schauspielern wie Bela Lugosi, Christopher Lee und Gary Oldman in späteren Verfilmungen. Jude will das berühmte Grusel-Narrativ wieder zurück über den Atlantik ziehen: „Ich komme aus Rumänien. Mein Vater kommt sogar aus Transsylvanien. Wir sollten unseren Dracula nicht Hollywood überlassen."

    Wie genau Radu Jude sich der legendären Figur als Gegenentwurf zu Hollywoods Interpretationen annähern will und wann sein Film erscheinen soll, ist noch nicht bekannt. Wir wissen bisher nur, dass der Film „Dracula Park“ heißen wird. In einem Interview für Mubi Notebook letztes Jahr erklärt Jude nur vage: „Es ist nicht wirklich Dracula, aber etwas, das ihm nahe kommt“, und der Titel spiele auf einen Vergnügungspark an. Nun denn – eine waghalsige Achterbahnfahrt wird der Film wie schon seine vorherigen Werke ganz bestimmt.

    Radu Jude kriegt nicht genug: "Ich sage zu allem Ja"

    Doch „Dracula Park“ sei nur eines von vielen aktuellen Projekten, erzählte der Filmemacher. Er drehe zudem mehrere kleine Independent-Filme, darunter auch einen französischsprachigen Film. Früher habe er nicht an mehreren Projekten zeitgleich gearbeitet, weil ihn das zu sehr belastet habe. Mittlerweile stürze er sich jedoch beherzt in alles mögliche gleichzeitig. „Es gibt so viel momentan, weil ich zu allem Ja sage“, gab er zu, und: „Es ist eine Frage der Gier. Ich bin gierig. Ich möchte so viel wie möglich mit dem Kino in allen Formen experimentieren.“ Eine kleine Einschränkung machte Jude aber doch: In die Werbefilmbranche würde er, auch wenn diese besser bezahlt sei, nur ungern zurückkehren.

    Neben den selbstironischen Kommentaren schlug Radu Jude jedoch auch kritischere Töne an, als er zu den Bedingungen für Filmschaffende in seinem Heimatland befragt wurde. Das rumänische Filmzentrum (Centrul National al Cinematografiei) werde „von Idioten geleitet“, schimpfte er, und attackiert damit Anca Mitran, die umstrittene Leiterin der Institution. Er lieferte auch Argumente für diese harschen Worte: Das Zentrum vergleiche fertige Filme stets mit dem Drehbuch, das von den Filmschaffenden ursprünglich eingereicht wurde, und wenn es irgendwelche Änderungen gäbe, würden sie ihr Geld zurückverlangen. Eine institutionelle finanzielle Förderung für weniger strikte, experimentellere Projekte zu erhalten sei deshalb außerordentlich schwierig.

    Für weitere News frisch aus Locarno könnt ihr euch hier die offizielle FILMSTARTS-Kritik zum Familiendrama „Der Spatz im Kamin“ durchlesen, der beim diesjährigen Festival im Wettbewerb läuft:

    Der Spatz im Kamin

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