Es gibt Bücher, die als unverfilmbar gelten – und dann kommt einer, der macht das Unmögliche doch möglich. Süßkinds „Das Parfum” war so ein Fall, und beinahe ein halbes Jahrhundert zuvor auch Günter Grass’ „Die Blechtrommel”*, das nach seiner Veröffentlichung 1959 einschlug wie selten ein anderer Roman zuvor. Nicht nur galt er praktisch direkt mit seinem Erscheinen als der Roman der Nachkriegsliteratur, auch wurde er heiß und kontrovers diskutiert: von diversen Stellen als „jugendgefährdend” und „blasphemisch” bezeichnet, erhitzte Grass’ tabubrechender Debütroman damals die Gemüter.
Und dann kam 1979 Volker Schlöndorff, der sich als deutscher Regisseur dazu auserkoren sah, den deutschen Stoff auf die Leinwand zu bringen – und schuf wohl eine der besten Literaturverfilmungen aller Zeiten. Die, wie könnte es auch anders sein, ebenso kontrovers betrachtet wurde, wie ihre Vorlage 20 Jahre zuvor. Viele brüskierten sich ob der expliziten Szenen. Noch Jahre später war der Film aufgrund vermeintlich enthaltener Kinderpornografie Teil eines Gerichtsprozesses in den USA, in China ist er bis heute verboten.
Gleichzeitig wurde „Die Blechtrommel” mit Preisen überhäuft – so gewann er gemeinsam mit Coppolas „Apocalypse Now” die Goldene Palme in Cannes und holte 1980 erstmals den Oscar für einen fremdsprachigen Film nach Deutschland. Das brillant-groteske Stück deutscher Filmgeschichte könnt ihr heute Abend um 20.15 Uhr ganz ohne Werbung auf arte sehen – was sich lohnt, denn im Stream ist es aktuell nur als Kauf- oder Leihoption* verfügbar.
Nichtwachsen als Entschluss
Der Film hält sich zwar recht nah an seiner Vorlage, doch lässt er viele Aussparungen. So fehlt der Rahmen des Romans, aus welchem heraus Oskar seine Lebensgeschichte erzählt: Und verheimlicht damit eine nicht ganz unwesentliche Info: Oskar befindet sich eigentlich in einer Nervenheilanstalt – was ihn zu einem unzuverlässigen, in jedem Fall aber unglaubwürdigen Erzähler macht.
Im Film nun müssen wir die Dinge nehmen, wie sie sind: Oskar (David Bennent) kommt „fertig”, mit ausgereiftem Bewusstsein, zur Welt. Schon gegen seine Geburt sträubt er sich, doch einmal draußen, ist eben nichts zu machen – nur die Aussicht auf eine Blechtrommel zu seinem dritten Geburtstag lässt ihn weitermachen. An seinem dritten Geburtstag beschließt er dann, nicht weiterzuwachsen, und stürzt sich die Kellertreppe hinunter. So bleibt er stets Außenstehender, ein Kind, das doch kein Kind ist: Ein bissiger Kommentator und Beobachter, hin- und hergeworfen in einer Zeit, in der die Nationalsozialisten die Weimarer Republik übernahmen.
Eine Trommel gegen die Welt
Sein Trommeln ist ein Aufbegehren, ein lautes „Dagegen”, und ebenso ist es sein schriller Schrei, mit dem er Glas zu brechen vermag. Es ist eine Rebellion gegen das Mitläufertum der Hitlerjugend, gegen die aufgesetzte kirchliche Moral, gegen NS-Nadeln tragende Amtsträger. Schonungslos legt der Film mit dem Buch das Unzeigbare, das Unsagbare offen, prangert eine ganze Generation an und schafft es, Grass’ unglaublich komplexe Vorlage in seiner Essenz einzufangen.
Schlöndorff bedient sich dabei der Symbolik seiner Vorlage, setzt sie bildhaft ins Groteske um: Die Aale, das Brausepulver in Katharina Thalbachs Nabel, das Splittern von Glas. So hat Schlöndorffs „Die Blechtrommel” bis heute nicht an Strahlkraft verloren – übermächtig sind die Bilder, die gesehen werden wollen, um zu bleiben.
Beeindruckend und einprägsam sind auch die Bilder in diesem Streamingtipp, den euch FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler hier ans Herz legt:
Dieser Horrorfilm hat sogar "Gladiator 2"-Regisseur Ridley Scott mächtig beeindruckt – heute Abend streamen*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.