Wer sich für Arthaus und Independent-Filme(macher*innen) interessiert, kommt an Jim Jarmusch nicht vorbei – seit über drei Jahrzehnten steht der Indie-Regisseur für exzentrisches, außergewöhnliches und ästhetisch reizvolles Kino mit Tiefgang. Was seine Filme so besonders macht, sind eine gewisse Lakonie und Entschleunigung, eine symbolische Kraft der Bilder, die seine Filme beinahe in die Nähe von Träumen rückt.
Hinzu kommen eine gute Portion Sarkasmus und unkonventionelle Figuren, bei denen es sich meist um Außenseiter in der amerikanischen Gesellschaft handelt. Berühmt wurde Jarmusch 1984 mit „Stranger Than Paradise”, in dem er Tristesse und Alltäglichkeit in bestechender Schwarz-Weiß-Ästhetik verpackte. Dem Stil dieses Films, für das er damals die Goldene Palme für den besten Debütfilm bekam, blieb er weitestgehend treu: Viele seiner Filme sind in Schwarz-Weiß gedreht und spinnen sich eng um ihre Charaktere.
So auch „Dead Man”, für den er auch das Drehbuch schrieb. Johnny Depp, 1995 nach „21 Jump Street” und „Edward mit den Scherenhänden” noch relativ am Anfang seiner Karriere, fügt sich perfekt in die kontrastreiche Szenerie ein. „Dead Man” empfiehlt sich quasi im doppelten Sinne: Nicht nur ist der Film eine Zeitreise in den Wilden Westen, wobei er alles andere als ein konventioneller Western ist – er ist gleichzeitig auch eine Zeitreise zurück zu einem Johnny Depp, bevor er seinen Jack-Sparrow-Tick bekam und fortan fast nur noch Varianten davon ablieferte.
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Mit einem toten Mann reist es sich nicht gut
William Blake (Johnny Depp) reist aus Cleveland in den Westen, sein Ziel ist die Endstation mit dem Namen „Machine”. Dort soll er den Posten als neuer Buchhalter einer Fabrik übernehmen – doch stattdessen endet er mit einer Kugel in der Brust auf dem gestohlenen Pferd des von ihm erschossenen Sohns des Fabrikleiters (Robert Mitchum).
Schwer verwundet entgeht Blake nur knapp dem Tod, weil er von einem etwas eigenartigen Ureinwohner namens Nobody (Gary Farmer) gefunden und gepflegt wird. Nobody, der eigentlich Xebeche heißt, was so viel bedeutet wie „der, der laut redet und nichts sagt”, hält Blake für die Reinkarnation des von ihm verehrten englischen Dichters William Blake und so kommt es, dass die beiden zusammen weiterreisen. Dabei geraten Sie in absurde und gleichermaßen gefährliche Situationen – denn Kopfgeldjäger sind ihnen bereits auf der Spur…
Wie der Titel selbst bereits vorwegnimmt, ist die Figur des William Blake von Anbeginn ein toter Mann. Der unausweichliche Tod und die damit einhergehende Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit zwingt den Film fest in eine Klammer, angefangen mit dem Zitat „es empfiehlt sich nicht, mit einem toten Mann zu reisen” von Henri Michaux zu Beginn bis hin zum bitteren Ende.
Vom Saubermann zum Outlaw
Dabei durchläuft Blake eine Art spiritueller Transformation im Laufe des Films: Anfangs ein naiver und verletzlicher Außenseiter, wird er durch seine Erlebnisse im Westen zu einem todgeweihten, fast geisterhaften Wesen. Vom gescheiterten Buchhalter und Saubermann wird er zum verfolgten Outlaw und Mörder mit verdrehtem moralischen Kompass.
Damit hebt er sich klar ab von den rechtschaffenen Helden der klassischen Western, wie sie bei Howard Hawks oder John Ford zu sehen sind: In diesen Filmen sind die Charaktere oft klar definiert, die Helden sind mutige, einem Ehrenkodex folgende Männer, und die Antagonisten sind unmissverständlich böse.
Eine poetische Reise Richtung Tod
Nicht nur anhand der Figurenzeichnung des William Blake allein unterwandert „Dead Man” den traditionellen Western. Hinzu kommt die für Jarmusch so typische Ästhetik: Das kontrastreiche Schwarz-Weiß und die statischen Einstellungen erinnern an die Stummfilmära und höchstens noch an frühe Western. Der sphärische Score von Neil Young und die Kamera von Robby Müller (bekannt für seine Arbeit mit Wim Wenders und Lars von Trier), tragen ebenfalls dazu bei, dass der Film eine zeitlose und fast mythische, poetische Qualität erhält.
Und nicht nur in den Bildern liegt die Poesie: Sie findet sich schon im Namen William Blakes, der benannt ist nach dem großen englischen Dichter und Naturmystiker. Für Blake zeigte sich das Göttliche in der Natur, und so schließt sich der Kreis: Auch Jarmuschs Blake kehrt mit einem indigenen Ritus in die Natur zurück, was den Film auf spirituelle, beinahe transzendentale Weise enden lässt.
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