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    TV-Tipp: Ein ungewöhnlicher Anti-Kriegsfilm-Klassiker mit einem unvergessenen Hollywood-Idol in Topform
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Der Vietnamkrieg, wie man ihn sonst nie gesehen hat: Der tragikomische Hitfilm „Good Morning, Vietnam“ erzählt, frei nach wahren Begebenheiten, von einem aufmüpfigen Radiomoderator, der die US Army durchrüttelt – brillant gespielt von Robin Williams!

    Üblicherweise erwartet man von (Anti-)Kriegsfilmen, dass sie sich zu großen Teilen dem Geschehen an der Front oder den unmittelbaren, drastischen Folgen des Krieges widmen. Allerdings gibt es wirkungsvolle Ausnahmen wie „Good Morning, Vietnam“: Die von wahren Ereignisse inspirierte Tragikomödie zeigt den Konflikt aus der Sicht eines unangepassten Radiomoderators.

    Dabei herausgekommen ist ein Film, der dank des brillant aufgelegten Hauptdarstellers Robin Williams nicht nur unverschämt unterhaltsam ist, sondern auch militärische Gehorsamkeit einprägsam kritisiert. „Good Morning, Vietnam“ läuft heute, am 24. Juni 2024, ab 22.40 Uhr bei Nitro. Außerdem ist der Film bei Disney+ im Abo enthalten:

    "Good Morning, Vietnam": Wichtige Botschaften muss man nicht immer bitter vermitteln

    1965: Die USA befinden sich in einem sinn- und aussichtslosen Krieg mit Nordvietnam. Selbst innerhalb der Army werden Zweifel am Unterfangen laut. Radiomoderator Adrian Cronauer (Robin Williams) trifft beim Armed Forces Radio Service da genau den richtigen Nerv: Das sympathische Plappermaul hat einen ungehobelten Sinn für Humor und muckt auch gegen Vorgesetzte auf.

    Das bringt ihm immense Popularität bei den Soldaten ein, führt aber dazu, dass er Ranghöheren zum Dorn im Auge wird. Erst recht, weil sich Cronauer unter die vietnamesische Zivilbevölkerung mischt: Er übernimmt eine Stelle als Englischlehrer und baut Beziehungen zu den Geschwistern Tuan (Tung Thanh Tran) und Trinh (Chintara Sukapatana) auf, was seinen Blick auf das Handeln der USA weiter verhärtet...

    Gewiss: Im Pantheon der Anti-Kriegsfilme ist „Good Morning, Vietnam“ ein Leichtgewicht. Filme wie „Komm und sieh“, „Feuer im Grasland“ oder „The Painted Bird“ sind grausamer, betrüblicher, verstörender. Doch machen wir uns nichts vor: Kritik an Kriegstreiberei, blind-militärischem Gehorsamkeitsdenken und ideologischer Verblendung ist so wichtig, sie sollte nicht allein an Filmbegeisterte gerichtet werden, die bereit (und fähig) sind, sich solchen Werken zu stellen.

    Interessanterweise hat der Vietnamkrieg sogleich mehrere Filme inspiriert, die ihre Anti-Kriegsbotschaft so vertreten, dass sie auch andere Zielgruppen erreicht, ohne an Eindringlichkeit und Aufrichtigkeit zu verlieren. Dazu zählt etwa das Flowerpower-Epos „Hair“, das dieses Jahr ein Heimkino-Comeback feierte:

    Einer der größten und ungewöhnlichsten Anti-Kriegsfilme der Geschichte kehrt ins Heimkino zurück

    Auch „Good Morning, Vietnam“ zählt zu den Filmen, die eine stark vermittelte, denkwürdige Botschaft vertreten, aber Menschen erreichen, die sich niemals „Komm und sieh“ anschauen würden: Mit urkomischen Schnellfeuermonologen einer äußerst charismatischen Hauptfigur bestückt und frei von expliziten, drastischen Darstellungen von unaussprechlichem Elend, ist diese Tragikomödie toll gemachte Massenunterhaltung.

    Und doch ist „Good Morning, Vietnam“ eindringlich! Regisseur Barry Levinson und Drehbuchautor Mitch Markowitz verdeutlichen unter anderem, dass man die militärpolitische, grobschlächtige Zeichnung einer schlicht als „der Feind“ geschilderten Zivilbevölkerung stets hinterfragen sollte.

    Robin Williams als Rüpel mit Herz und Verstand

    „Good Morning, Vietnam“ ist zudem eine Art Wegweiser für das Publikum, das sich „nicht zu sehr“ mit „zu unschönen Themen“ auseinandersetzen will: Adrian Cronauer stößt in seiner Gute-Laune-Rebellion alsbald an seine Grenzen. Sowohl, weil ihm Riegel vorgeschoben werden, als auch aufgrund dessen, dass er einsehen muss, dass es Dinge gibt, die Witz und Leichtigkeit nicht mehr angemessen in Worte fassen können.

    Somit tut „Good Morning, Vietnam“ unterschwellig mehr dafür, ein sich auf sanfte Stoffe begrenzendes Publikum anzuregen, drastischeren Stoffen eine Chance zu geben, als es eine Traube an erfahrenen Filmfans, die auf Anti-Kriegsfilm-Neulinge verbal eindreschen, jemals könnte. Da hat Robin Williams als vor der Kamera wild improvisierender Meister seines Fachs einfach die bessere Ausstrahlung und Wirkkraft.

    Das Schauspielass, das bei turbulenter Komik (wie z. B. im englischen Originalton des Zeichentrickklassikers „Aladdin“) ebenso aufblühte wie bei herzzerreißender, ruhiger Tragikomik, gab in „Good Morning, Vietnam“ eine seiner besten Darbietungen ab: Cronauer ist ein makelbehafteter Protagonist, der aber bemüht ist, zuzuhören, mitzudenken und dazuzulernen. Das ist einer der Gründe, weshalb seine Karrierechancen in der Armee begrenzt sind – aber auch einer der Gründe, weshalb sein beißender Humor so sehr zündet. Dank Williams ist er eine Figur, die nicht einfach tumb zu schocken versucht, sondern selbst in die fieseste, vulgärste Spitze Herz und Verstand legt. Das gibt es im Schockhumor nicht oft genug.

    Dass Williams auch außerhalb dieser Rolle über immens wirksamen, herzlich-schockierenden Humor verfügte, kann übrigens Regielegende Steven Spielberg bezeugen. Mehr über diese rührende Anekdote erfahrt ihr im folgenden Beitrag:

    Steven Spielberg verzweifelte fast an seinem schwersten Film: Robin Williams hat ihm wieder auf die Beine geholfen

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