Mitte der 2000er-Jahre brach das Zeitalter der düster-grantigen Comic-Verfilmungen an, die dreckig und brutal die Zuschauer*innen in eine bis dato unbekannte Graphic-Novel-Welt entführten. Diese Radikalität half endgültig dabei, sich vom jugendlichen Comic-Image zu lösen. Zudem konnte so klargemacht werden, dass man nichts mit den Knallbonbon-Leinwand-Abenteuern von Joel Schuhmacher gemein hat, dessen „Batman & Robin“ noch in den Köpfen der Zuschauer*innen herumspukte.
Besonders im Gedächtnis geblieben sind dabei Robert Rodriguez' „Sin City“ aus dem Jahre 2005, der hier einen zynischen Blick auf das moderne Großstadtleben wirft, das in einem Sumpf aus Verbrechen, Gewalt und Sex zu versinken scheint. Und auch der 2007 von Zack Snyder veröffentlichte „300“ war eine visuell berauschende Mittelalter-Schlachtplatte, in der das Blut nur so spritze und Knochen brachen.
Eine Sache hatten beide Filme gemein: Die Vorlagen stammten jeweils aus der Feder von Frank Miller, einem kontroversen, aber ebenso genialen Comic-Zeichner/Autor, der seit den 1980er-Jahren in der Comic-Szene für Furore sorgte.
Nachdem also zwei Kult-Werke des Autors adaptiert wurden und Miller sogar an der Entstehung von „Sin City“ mitgewirkt hatte, erscheint es nur logisch, dass dieser selbst einen Film in Szene setzten würde. Mit „The Spirit“ gab der Künstler 2008 sein Spielfilmdebüt – und das wurde von der Kritik regelrecht zerrissen. Zu Unrecht – zumindest nach der Meinung des Autors dieses Artikels.
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Und darum geht es in "The Spirit"
„The Spirit“ basiert auf einer Comic-Figur, die aus der Feder des legendären Autors und Zeichners Will Eisner (eines der großen Vorbilder von Miller) stammt. Inhaltlich geht es hier um den Ermittler Denny Colt (Gabriel Macht), der von den Toten auferstanden ist und seitdem über eine besondere Gabe verfügt: Er kann nicht sterben. Seitdem wandelt er in den Schatten der Stadt – und unterstützt die Polizei als maskierter Verbrechensbekämpfer.
Doch schon bald stößt er wieder auf seinen Erzfeind: Octopus (Samuel L. Jackson). Gemeinsam mit seiner Gehilfin Silken Floss (Scarlett Johansson) will dieser nicht nur die Stadt, sondern gleich die ganze Welt übernehmen. Es entbrennt ein Kampf auf Leben und Tod. Kann der maskierte Superheld den größenwahnsinnigen Superschurken noch aufhalten, bevor dieser sich in einen allmächtigen Gott verwandelt?
"The Spirit": Faszinierende Optik
„The Spirit“ ist ein ganzes Stück davon entfernt, eine wirklich gute Comic-Verfilmung zu sein. Doch allein durch seine Optik, die an den von Robert Rodriguez inszenierten „Sin City“ erinnert, bietet der Comic-Actioner schon einen Mehrwert, der ihn von vielen ähnlich gelagerten Genre-Vertretern abhebt.
Es sind Bilder, die direkt aus einem Comic-Heft entsprungen zu sein scheinen. Auch wenn man merkt, dass sich nicht jede Idee, die in einem Comic-Panel brillant aussieht, genauso gut auf der Leinwand funktioniert, überträgt sich die visuelle Experimentierfreude, mit der Frank Miller seine Welt erschafft, auch auf mich.
"The Spirit" atmet den Geist von Pulp-Romanen
Natürlich ist es allerdings schon fraglich, was unter Millers Regie aus „The Spirit“ geworden ist. Die Verfilmung hat nicht mehr viel mit dem Ausgangsmaterial gemein. Es wirkt vielmehr so, als wäre die von Will Eisner kreierte Figur einmal kräftig durch den Frank-Miller-Fleischwolf gedreht worden. Nichtsdestotrotz lässt sich ein gewisser Unterhaltungsfaktor nicht abstreiten. „The Spirit“ atmet den Geist klassischer Pulp-Romane: Nazi-Gehilfinnen, extravagante Bösewichte mit Geltungsdrang, sinistre Verführerinnen, genetische Experimente und mystische Artefakte – hier gibt es einfach alles.
Highlight des Films ist aber in jedem Fall Samuel L. Jackson als überkandidelter Superschurke Octopus, der sich mit fantastischer Kostümierung ein fürs andere Mal als Szenendieb erweist – und dabei auch schon mal in Nazi-Uniform auftritt.
Wer auf Pulp-Unterhaltung steht, sich an einer Over-The-Top-Darbietung von Samuel L. Jackson erfreuen kann und seine Erwartungshaltung ein bisschen nach unten schraubt, kann mit „The Spirit“ durchaus eine gute Zeit haben – auch wenn das Gros der Kritiken etwas anderes behauptet.
Scarelett Johannson ist ihr Auftritt bis heute unangenehm
Übrigens hat sich Scarlett Johansson bei „The Spirit“ weniger für die Qualität des Films, als für ihr Nazi-Kostüm in Grund und Boden geschämt, das Silken Floss im Film aufträgt. Als Kind einer jüdischen Familie war das für die Schauspielerin eine eigenartig-unangenehme Erfahrung, wie sie auch bereits in einem Interview berichtet hat: „Am Anfang war es wirklich seltsam, den Anzug anzuziehen. […] Am Ende dachte ich: ,Oh, mein Großvater dreht sich gerade in seinem Grab um! Natürlich habe ich mich komisch gefühlt.“
Doch immerhin hat die Schauspielerin für sich einen Weg gefunden, um mit diesem Kostüm umzugehen: „Aber es war immerhin kein Halloween-Kostüm, das ich anhatte. Das wäre vielleicht noch etwas beunruhigender gewesen. Ich habe in dem Moment verstanden, wo das Kostüm im Film seinen Platz hatte, wie es in die Geschichte passte.“
Wer wissen möchte, welcher Film dazu geführt hat, dass Scarlett Johansson ihre gesamte Karriere infrage stellte, der wird in diesem Artikel fündig:
"Ich war sehr frustriert und verzweifelt": Scarlett Johansson wurde für ein Sci-Fi-Meisterwerk abgelehnt und stellte ihre gesamte Karriere in Frage