„Die 120 Tage von Sodom“, „Irreversibel“, „Martyrs“: Es gibt zahlreiche Leinwand-Werke, die sich mit ihren Grenzüberschreitungen unweigerlich ins Gedächtnis ihrer Zuschauer*innen eingebrannt haben – und nicht zuletzt dadurch in die Filmgeschichte eingegangen sind.
„Im Glaskäfig“ (1986) ist sicherlich weniger bekannt als die eingangs genannten Skandalfilme, steht ihnen in Sachen Kontroversität aber in nur wenig nach: In dem spanischen Horrorfilm geht es um einen ehemaligen Nazi-Kinderschänder, der nach dem Zweiten Weltkrieg gelähmt und mit einer eisernen Lunge in seiner Villa vor sich hin vegetiert. Eines Tages klopft ein junger Mann an seine Tür, der sich als sein neuer Pfleger vorstellt – in Wahrheit aber ein ehemaliges Opfer der grausamen Experimente des pädophilen Nazi-Mörders ist. Doch Angelo will sich nicht einfach nur rächen, sondern vielmehr in die Fußstapfen seines Peinigers treten...
John Waters über "Im Glaskäfig": "Ich dachte, das geht zu weit"
Klingt heftig? Ist es auch. Zu seinem Erscheinen wurde der Film trotz überwiegend positiver Kritiken wegen seiner brenzligen Themen heftig diskutiert. Und sogar einen Regisseur, der selbst den Ruf genießt, die Grenzen des guten Geschmacks genüsslich zu übertreten, hat „Im Glaskäfig“ an seine Grenzen gebracht: John Waters, der sogenannte „Pope of Trash“, der sein Publikum in Filmen wie „Pink Flamingos“ (1972) oder „Female Trouble“ (1974) mit Tierquälerei, Kastration, Inzest, echtem Sex und dem (ebenfalls echten) Verzehr von Hundekot konfrontierte.
Als er bei NPR einige seiner Lieblingsfilme vorstellte, kam Waters auch auf „Im Glaskäfig“ zu sprechen – und nannte ihn „[den] schockierendste[n] Film, den ich je gesehen habe.“ Die Camp-Ikone führt aus: „Es geht um Nazis. Es geht darum, dass jemand herausfindet, wer ihn als Kind gefoltert hat und dann eine Affäre mit ihm beginnt. Ich dachte, das geht zu weit. Aber es ist unglaublich gut gemacht und unglaublich beängstigend. Es ist die Art von Film, bei der in jedem Land die Zensurbehörden durchdrehen. Der Film verursacht große, große Probleme, weil er nicht nur politisch gewaltig unkorrekt, sondern in jeder Hinsicht unkorrekt ist. Und deshalb denke ich, dass er wichtig ist.“
Tatsächlich wurde „Im Glaskäfig“ in Australien verboten – und in Großbritannien gar nicht erst zur Freigabe eingereicht, um dem wahrscheinlichen Verbot zu entgehen. In Deutschland feierte das Regiedebüt von Agustí Villaronga seine Premiere im Rahmen der Berlinale, erhielt im Anschluss aber keinen regulären Kinostart. Die 2008 veröffentlichte (ungekürzte) DVD-Version ist derzeit vergriffen.