Für den Autor dieses Artikels ist die Sache klar: John Woo ist der größte Action-Regisseur aller Zeiten! Denn auch wenn die Dichte seiner herausstechenden Genre-Beiträge in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen hat, schuf er sowohl in Hongkong als auch in den USA explosive, mitreißende und auch heute noch beeindruckende Kult-Klassiker für die Ewigkeit – von „The Killer“ und „Hard Boiled“ bis hin zu „Face/Off“. Und ja, sogar „Dark Stone“ mit Michelle Yeoh würde ich da noch mit reinnehmen – und jedem Martial-Arts-Fan uneingeschränkt empfehlen. Ein ganz besonderer Woo-Kracher wird jedoch oftmals unterschätzt und unter den Teppich gekehrt: „Harte Ziele“.
Für mich ist der international als „Hard Target“ bekannte Menschenjagd-Reißer nicht nur das absolute Highlight in der Karriere von Jean-Claude Van Damme, sondern auch einer der besten Actionfilme der 90er – sowie einer meiner ganz persönlichen Lieblingsfilme. Einst indiziert, gibt es den Film mittlerweile komplett ungekürzt auf DVD und Blu-ray*, als Import sogar schon in (brillantem!) 4K* sowie auch als Uncut-Stream. Falls ihr den Film also noch nicht kennen solltet, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, ihn endlich nachzuholen – derzeit dank Black Friday sogar besonders günstig:
Was „Harte Ziele“ am Ende so besonders macht – und ein Stück weit auch von den anderen Filmen sowohl von Woo als auch von Van Damme abhebt? Die Erklärung ist ebenso naheliegend wie nachvollziehbar.
"Harte Ziele": Hongkong trifft Hollywood
Der Film, der übrigens eine lose Adaption des vielfach verfilmten Romanklassikers „Das grausamste Spiel“ alias „The Most Dangerous Game“ ist, ist weder in Woos Hongkong-Ära zu verorten, noch in seiner Hollywood-Zeit – und das Bindeglied zwischen „Hard Boiled“ (1992) und „Operation: Broken Arrow“ (1996).
Deutscher Trailer zum Action-Splatter-Feuerwerk "Silent Night" von John Woo und den "John Wick"-MachernJohn Woo konnte bei „Harte Ziele“ noch völlig frei drehen und das Beste aus beiden Welten – Hollywood und Hongkong – in einem zügellose Action-Exzess vereinen, wie ihn wohl kaum ein anderer Filmemacher hinbekommen hätte. Er hatte erstmals die Chance, einen Film für ein Budget von damals stattlichen 20 Millionen Dollar zu drehen – und damit völlig neue Möglichkeiten, seinen in Hongkong etablierten Style mit frischen Impulsen auf die Spitze zu treiben.
Da der Film damit aber immer noch bloß einen Bruchteil der im selben Jahr erscheinenden Konkurrenz verschlang – „Demolition Man“, „Last Action Hero“ und Co. kosteten ein Vielfaches von „Harte Ziele“ –, wurden Woo dennoch die nötigen Freiheiten gelassen, um ein ausgelassenes, brutales Over-the-top-Spektakel mit R-Rating von der Leine zu lassen. Das Ergebnis: Stellenweise typisch amerikanisches, immer wieder stark an klassische Western erinnerndes Helden-Kino, das in Kombination mit offensichtlichen Hongkong-Einflüssen einige der irrsten, spektakulärsten und besten Actionszenen aller Zeiten hervorbrachte – die auch über 30 Jahre später noch zu begeistern wissen.
Mehr Action geht nicht
Mit seinen 97 Minuten ist der Film zwar vergleichsweise kurz und knackig gehalten (gerade für heutige Verhältnisse), dafür lässt er allerdings auch keine Sekunde Leerlauf aufkommen. Von der Eröffnungsszene weg feuert Woo aus allen Rohren, gibt visuellen Kniffen die große Hollywood-Bühne, die man bis dahin nur aus Hongkong kannte, und sorgt so für ein ungemein abwechslungsreiches Action-Feuerwerk der Superlative. Und Van Damme? Der ist schlicht die perfekte Besetzung für die Hauptrolle.
Sobald er an einer Bar sitzend das erste Mal zu sehen ist, ist er auch schon in der Rolle seines Lebens angekommen – dem ultimativen Helden, der hilft, wo er nur kann und dabei jede Menge fiese Typen zu Kleinholz verarbeitet. So genüsslich, wie sich die Muscles from Brussels hier in Superzeitlupe durch reihenweise Gangster kloppt und ballert, wurde Action selten zelebriert. Ganz abgesehen davon, dass der Film der feuchte Traum eines jeden Fans von handgemachten, echten Explosionen ist. Keine Fakes, kein CGIs – hier fliegt alles derart brachial in die Luft, dass man fast meinen könnte, die Druckwellen am eigenen Leib zu spüren (vor allem mit der 4K-Blu-ray).
Doch Woo war seiner Konkurrenz nicht nur inszenatorisch meilenweit voraus, er verlieh dem vermeintlich traditionellen Action-Kracher auch mit jeder Menge schrulliger Ideen eine ganz eigene Note – und ich spreche nicht etwa (nur) von Van Dammes Dauerwellen-Gedächtnisfrisur, sondern von gewitzten Einfällen wie einem Geburtstagskuchen, der mal eben mitsamt lichterloh brennender Kerze in die Schublade gesteckt wird sowie natürlich von der Tatsache, dass Van Dammes Über-Held gar keinen Führerschein hat, offen dazu steht – und daher die Frau (Yancy Butler) fahren lässt.
Und in den Actionszenen? In denen liefert Woo ohnehin zahllose Momentaufnahmen, wie man sie bis heute kaum besser zu sehen bekam – angefangen bei den ikonischen, zahlreiche Heimkino-Veröffentlichungen des Films zierenden Pfeilen, die sich in Nahaufnahme durch ihr Ziel bohren bis hin zu einer der wohl legendärsten Slow-Motion-Aufnahmen der Actionfilm-Geschichte (mitsamt Pferd und Mega-Explosion) sowie natürlich einem Finale, das in geradezu unvergleichlicher Schlagzahl ausufernde Höhepunkte bietet und mit dem sich „Harte Ziele“ selbst vor den legendärsten Klassikern aus John Woos Karriere nicht zu verstecken braucht.
Jean-Claude Van Damme ist kein großer Schwarzenegger-Fan: "Arnold berührt mich nicht"*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.