Auch wenn „The Marvels“-Macherin Nia DaCosta anders als manch anderer MCU-Debütant mit dem neuen „Candyman“ immerhin schon einen Studiofilm in ihrer Vita stehen hatte, reiht sie sich doch in die Riege der Marvel-Regisseur*innen ein, die beim Sprung ins MCU mit ihrem bislang wohl größten Vorhaben konfrontiert wurden.
Als wir DaCosta zum (virtuellen) Interview treffen, fragen wir sie daher nach den großen Herausforderungen, die mit so einem Mammut-Projekt einhergehen, insbesondere wenn es darum geht, solch komplizierte Actionszenen wie in „The Marvels“ zu drehen, in denen die drei Hauptfiguren ständig ihre Plätze wechseln. Daneben geht es aber auch um die Liebe zu Marvel-Kritiker Martin Scorsese und den Traum, bei der zweiten Staffel von „The Last Of Us“ mitzumischen...
Von der Indie- zur Marvel-Regisseurin
FILMSTARTS: Was hat dich an der Welt von Captain Marvel fasziniert – abgesehen natürlich von deiner Obsession für Annette Bening, von der du schon öfter erzählt hast?
Nia DaCosta: (lacht) Eine Sache, die ich am ersten Teil besonders mag, ist die Sequenz mit den Flashbacks, in der man sieht, wie Carol immer wieder aufsteht, wenn sie auf dem Boden landet. Das hat mich sehr berührt. Das ist ihre eigentliche Superkraft. Dass sie nicht aufgibt und immer weitermacht. Das hat mich an ihr als Figur fasziniert. Und meine Liebe für Ms. Marvel hat mir ebenfalls geholfen, meinen Zugang zu „The Marvels“ zu finden.
FILMSTARTS: Wie kam es denn dazu, dass du für den Regieposten angeheuert wurdest? Und wie war das für dich?
Nia DaCosta: Das war sehr geradlinig und langweilig. Ich wünschte, es wäre eine aufregendere Geschichte. Mein Agent meinte zu mir: „Hey, du hast immer davon geredet, dass du einen Marvel-Film machen möchtest. Hier wäre eine Gelegenheit. Was denkst du?“ Für mich war das natürlich super. Ich hatte zunächst ein paar Gespräche mit der Ausführenden Produzentin und dann meinen großen Pitch mit [MCU-Chef] Kevin [Feige] und all den anderen. Und von da an haben die Dinge ihren Lauf genommen.
FILMSTARTS: „The Marvels“ ist dein bisher größtes Projekt. Hast du dir denn Ratschläge von anderen MCU-Regisseuren oder vielleicht auch deiner guten Freundin Tessa Thompson eingeholt, die als Valkyrie ja bereits eine MCU-Veteranin ist?
Nia DaCosta: Ich habe jeden um Rat gebeten. (lacht) Es ist ja ein sehr großes Vorhaben und ich wollte wissen, worauf ich mich eingelassen habe. Ich habe viele der Regisseure angerufen und mit Tessa und [Monica-Rambeau-Darstellerin] Teyonah [Parris] geredet, die vorher ja schon in „WandaVision“ war. Und meine Produzentin Mary Livanos war eine besonders große Unterstützung.
FILMSTARTS: „The Marvels“ ist nicht nur die Fortsetzung eines Films, der nicht von dir stammt, sondern auch Teil der großen MCU-Maschinerie, bei der Kevin Feige den Hut aufhat. Wie viel von dir selbst und deiner eigenen Handschirift kannst du bei einem solchen Projekt eigentlich einfließen lassen?
Nia DaCosta: Wenn man am Drehbuch mitschreibt und das dann inszeniert, ist es unvermeidlich, dass etwas von dir selbst im Film landet. Es war aber ein sehr interessanter Prozess, Wege zu finden, um dem Ganzen meinen Stempel aufzudrücken. Vielmehr ging es aber darum, alles in den Dienst der Geschichte zu stellen. Doch da ich Easter Eggs sehr mag, war es auch toll, Dinge aus den Comics reinzupacken, die ich sehr liebe, Dinge, um die sie sich sonst vielleicht niemand schert. So habe ich ebenfalls eine kleine persönliche Note mit eingebracht.
FILMSTARTS: Du bist nicht nur die bis dato jüngste, sondern auch die erste Schwarze Regisseurin eines MCU-Films. Außerdem vereint dein Film gleich drei ziemlich diverse Superheldinnen. War diese Vorreiterfunktion etwas, dem du dir beim Dreh ständig bewusst warst und hat das vielleicht für zusätzlichen Druck gesorgt?
Nia DaCosta: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich jeden Tag eigentlich nur um das Filmemachen selbst gekümmert. Wir haben darüber glaube ich nie wirklich geredet. Ich denke, die Schauspielerinnen fühlen eine gewisse Verantwortung, da es ihre Abbilder sind, die um die Welt gehen. Andererseits mussten sie sich auch darum kümmern, ihren Text zu lernen und wie wir, dafür zu sorgen, dass sonst alles stimmt. Damit waren wir eher beschäftigt.
Martin Scorsese & Superhelden-Müdigkeit
FILMSTARTS: Du hast Martin Scorsese mal als großen Einfluss für deine Film-Leidenschaft und Karriere genannt. Jetzt hast du einen Marvel-Film gedreht, von denen Scorsese ja gesagt hat, sei seien kein richtiges Kino. Wie stehst du zu der ganzen Sache?
Nia DaCosta: Ich liebe den Kerl. Ich habe gerade erst „Killers Of The Flower Moon“ geschaut. Er ist brillant. Ein Grund, an die NYU Film School zu gehen, war, dass er sie besucht hat. Ich bin so ein großer Fan. Er ist auch ein echter Film-Historiker. Seine Liebe zu Filmen finde ich sehr inspirierend. Und es gibt so viele verschiedene Arten von Filmen. Ich liebe seine Arbeit, aber ich liebe auch die Marvel-Filme. Ich lebe in einer Welt, in der ich schauen kann, was ich will und Spaß daran habe.
FILMSTARTS: In letzter Zeit wurde viel über Superhelden-Müdigkeit gesprochen? Ist das etwas, das du als Fan selbst erfahren hast.
Nia DaCosta: Ich persönlich gehe immer durch verschiedene Phasen, in denen ich bestimmte Arten von Filmen oder Medien bevorzuge und für andere gerade nicht in der Stimmung bin. Und wenn ich dann wieder dazu bereit bin, gehe ich einfach dahin zurück. Ich denke nie: „Oh mein Gott, ich bin dazu gezwungen, all diese Filme zu schauen. Was soll ich tun?“ Es gibt immer eine gewisse Ebbe und Flut, wenn es um dominierende Genres in der Filmindustrie geht. Und jetzt gerade sind wir halt in einer Flut an Superheldenfilmen.
Muss man vor "The Marvels" wirklich "WandaVision" und "Ms. Marvel" gesehen haben?FILMSTARTS: Aber gibt es an „The Marvels“ etwas Bestimmtes, mit dem dieser Superhelden-Müdigkeit vielleicht besonders begegnet wird?
Nia DaCosta: Er ist auf jeden Fall in der Hinsicht, wie diese drei Hauptfiguren miteinander agieren, ziemlich einzigartig. Es gibt ja generell nur sieben Arten von Geschichten auf der Welt. Wir erzählen also die immer gleichen Geschichten auf andere Weise neu. Was sie aber stets voneinander unterscheidet, sind die Figuren im Zentrum dieser Geschichten und ihre individuellen Reisen. Das trifft hier auch zu.
FILMSTARTS: Und die Sache, dass die drei Hauptfiguren mitten in den Actionszenen ständig ihre Plätze tauschen, setzt ebenfalls frische Impulse. Wie werden solche Szenen überhaupt gedreht?
Nia DaCosta: Das war ein großer Spaß und eine der Sachen, die mir an dem Projekt so zugesagt haben. So etwas Cooles hatte ich vorher noch nicht gesehen. Das hat sich sehr frisch angefühlt und nach einem tollen Weg, Figuren miteinander zu verknüpfen. Und ja, das war ziemlich kompliziert. Aber sobald wir die Anforderungen jeder Einstellung, die wir brauchten, verinnerlicht hatten, sind wir in eine Art Rhythmus gekommen. Aber selbst drei Monate nach Beginn der Dreharbeiten gab es noch einen Tag, an dem wir so eine Szene gedreht haben und ich, mein Effekte-Spezialist und mein Regieassistent versucht haben zu verstehen, was genau wir drehen müssen, in welcher Reihenfolge wir es drehen müssen und wann der Greenscreen zum Einsatz kommen muss.
Wir starrten uns nur an und irgendwann hatte ich es dann und erklärte: Wir müssen es so und so machen. Und mein Regieassistent schaute immer noch verwirrt und hat alle Notizen gelöscht, die er sich gemacht hatte. (lacht) Es gab also auch später immer wieder Momente, an denen wir gedacht haben: „Oh mein Gott, was machen wir hier?“ Aber wenn man es dann versteht, entsteht etwas Großartiges.
Regisseurin für die 2. Staffel "The Last Of Us"?
FILMSTARTS: Kevin Feige hat erwähnt, dass du ein Ideen-Quell bist und ihm ständig andere Projekte gepitcht hast...
Nia DaCosta: (lacht) Irgendwann habe ich dann damit aufgehört.
FILMSTARTS: Aber bedeutet das vielleicht, dass du dem MCU noch länger erhalten bleiben wirst? Oder ging es um ganz andere Projekte?
Nia DaCosta: Also wenn Kevin eine meiner vielen esoterischen, bizarren Ideen umsetzen will, bin ich sofort dabei. (lacht)
FILMSTARTS: Oder wie wäre es denn, wenn du eine Folge der zweiten „The Last Of Us“-Staffel inszenieren würdest? Als Fan der Spiele und Horror-Expertin wärst du perfekt dafür.
Nia DaCosta: Hör zu. Ruf [die „Last Of Us“-Macher] Craig Mazin und Neil Druckmann an und sag ihnen das. Ich liebe die Spiele, das zweite ist ein Meisterwerk. Ich liebe, was Neil und Craig mit der Serie gemacht haben. Das wäre großartig. Ich würde auch nur eine Werbung für die Staffel inszenieren. (lacht)
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