In „The Magic Flute – Das Vermächtnis der Zauberflöte“ verschlägt es einen Teenager in die Welt von Mozarts legendärer Oper „Die Zauberflöte“. Erzählt wird das Ganze als eine Art „Harry Potter“-Fantasy-Geschichte, mit dem Unterschied, dass hier eben auch die klassische Musik im Mittelpunkt steht. FILMSTARTS hat anlässlich des Kinostarts von „The Magic Flute“ mit Regisseur Florian Sigl und Roland Emmerich, dem ausführenden Produzenten, gesprochen, um herauszufinden, wie die Ambitionen des Projekts aussahen und mit welchen Hoffnungen und Ängsten dieses letztlich verbunden ist.
FILMSTARTS: Wie hat sich deine Tätigkeit als Werbefilm-Regisseur auf deinen Debütfilm ausgewirkt? Würdest du sagen, dass es für aufstrebende Filmemacher von Vorteil sein kann, sich erst einmal im Werbefilm-Bereich auszutoben?
Florian Sigl: Es ist auf jeden Fall kein Nachteil. In meinem Fall hatte es den Vorteil, dass ich sehr früh damit angefangen habe, Werbung in den USA zu machen. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, das ganze amerikanische Filmsystem kennenzulernen, um zu verstehen, dass die Amerikaner das Filmemachen als Industrie begreifen. Der Vorteil bei der Werbung in Deutschland ist, dass Werbung wie Hausaufgaben ist. Jede Werbung hat etwas, worauf man sich sehr konzentriert, zum Beispiel muss der Witz funktionieren oder es soll cool aussehen. Für diesen kleinen Bereich hat man viel mehr Mittel, als es bei einem Langfilm der Fall ist. Man kann technische Dinge ausprobieren, sich Wissen aneignen, wo man sonst nicht die Gelegenheit hat. Und was mir jetzt erst klar geworden ist, gerade im Kinobereich: Man bereitet durch das Finanzierungssystem in Deutschland sehr lange vor, es ist ein sehr langer Weg, den man gehen muss. Manche Regisseure drehen deswegen teilweise 3 bis 5 Jahre nichts und wenn man weiterhin in Übung bleibt, hilft das.
FILMSTARTS: Würdest du sagen, dass der Schaffensprozess einer umfangreichen Werbung die komprimierte Version eines Spielfilms ist?
Florian Sigl: Nein. Das ist tatsächlich etwas komplett anderes. Werbung ist wie eine kleine Auftragsarbeit, wo man von der künstlerischen Seite aus und mit seinem handwerklichen Wissen gucken muss, wie viel davon denn eigentlich gewollt wird. Meistens haben die Kunden sehr konkrete Vorstellungen, wie sie das eigentlich haben wollen. Interessanterweise ist der Regisseur in der Werbung vielmehr Moderator und Psychologe. Man muss das jetzt auch nicht übergewichten, aber bei einer 30-sekündigen Werbung würden die meisten Kameraleute wahrscheinlich auch alleine eine ganz ordentliche Werbung hinbekommen und bräuchten jetzt nicht zwingend einen Regisseur daneben. Und es wird auch überhaupt nicht inhaltlich gedacht. Es geht nicht darum zu erklären, warum dieser Charakter jetzt hier ist, was dieser überhaupt möchte, sondern da sind natürlich ganz andere Dinge total wichtig, die im Spielfilm eher irritieren. Wenn man narrativ erzählt, zeigt man die Handlung und in der Werbung sieht das Bild plötzlich ganz anders aus, weil dieses Auto oder das Telefon auch mit drin sein muss. Das wirkt dadurch auch nicht mehr so natürlich.
FILMSTARTS: Wie groß war die Umstellung von Werbung auf Kinofilm für dich?
Florian Sigl: Es ging eigentlich, weil ich zuvor schon für eine amerikanische Serie eine Proof-Of-Concept-Arbeit und auch einige Kurzfilme gedreht habe, die ich nicht veröffentlicht habe. Das waren Übungsprojekte. Das Ensemble hier war zudem irrsinnig gemischt. Wir hatten Opernsänger, auf der anderen Seite Leute, die noch nie vor einer Kamera standen. Und einen Oscargewinner. Ich habe mich dafür mit einem relativ bekannten Schauspielcoach aus Los Angeles, die u. a. auch Taika Waititi coacht, mehrmals getroffen. Und deren Philosophie kam mir sehr entgegen, denn es ging darum, Schauspieltechniken zu verstehen, um dadurch zu begreifen, was ich als Regisseur dem Schauspieler geben muss, damit dieser funktioniert. Das war der Punkt, der mir eine ziemlich große Sicherheit gegeben hat. Es ist ja auch nicht einfach, wenn man große Schauspielgruppen vor der Kamera hat, denn der eine ist ein Superprofi und der andere hat das noch nie gemacht. Da hat man natürlich etwas Bammel und man weiß auch, welche Verantwortung auf den eigenen Schultern lastet, aber ich hatte den Vorteil, dass ich schon auf sehr großen Sets gedreht hatte. Mir ging es eher darum, dass die Schauspieler mir dann auch vertrauen über so eine lange Strecke, weil die sich ja auch nackig machen und teilweise gegen den Strich besetzt wurden. Teddy Teclebrhan ist hier nicht lustig, Iwan Rheon ist dafür total lustig. Dafür braucht man Vertrauen, aber das hat zum Glück alles gut geklappt.
FILMSTARTS: Also würdest du sagen, dass die Schauspielführung die größte Erweiterung deines Wissens war, die du aus dem Projekt mitgenommen hast?
Florian Sigl: Ja. Ich glaube, dort habe ich den größten Wissenssprung gemacht und mich am akribischsten vorbereitet. Das ist jetzt im Nachhinein aber auch das, was mir unfassbaren Spaß gemacht hat.
FILMSTARTS: Das ist vielleicht auch nochmal interessant in Bezug auf die Werbefilme. Was haben Schauspieler für einen Wert in der Werbung?
Florian Sigl: Da Werbung oberflächlich ist, müssen Schauspieler einfach so aussehen, wie es am besten zum jeweiligen Produkt passt. Man kommt leider nur selten in den Luxus, mit echten Schauspielern in der Werbung zu arbeiten. Das ist so ein Zwischengenre, wo Models, die auch ein bisschen schauspielern können, das Gros der Leute sind, die man in der Werbung besetzt. Das ist ein komplett anderes Arbeiten. Schauspielerei ist ein Handwerk und mit deutschen und englischen Schauspielern kann man einfach ganz anders arbeiten. In der Werbung habe ich mit Prominenten oder Sportlern gearbeitet, die gar nicht spielen konnten oder halt Models, die ein bisschen was können.
FILMSTARTS: Du hast den bunten Cast ja bereits angesprochen, mit F. Murray Abraham oder Wilson Gonzalez Ochsenknecht. Das sind ja wirklich Welten, die da aufeinandertreffen. Wie seid ihr auf die Schauspieler gekommen? Wurde da ein klassisches Casting durchgeführt?
Florian Sigl: Es war so, dass gerade für die Rolle des Dr. Longbow auch Jeremy Irons geplant war, weil nicht sicher war, ob Murray wirklich Zeit hat. Wir hatten Cast-Vorschläge von unserer Casterin aus London und dann bespricht man sich, wen man aufgrund seiner Arbeiten wirklich gut findet, fragt die in dieser Reihenfolge ab, führt dann Gespräche mit denen und bietet ihnen die Rolle an. F. Murray Abraham und Jeremy Irons machen natürlich keine Bewerbungsvideos mehr, da versucht man sich dann eher bei Leuten schlau zu machen, die bereits mit den Schauspielern gearbeitet haben, um herauszufinden, ob die umgänglich sind.
FILMSTARTS: War Roland Emmerich jemand, der für dich bei deinem Spielfilmdebüt als Mentor fungiert hat?
Florian Sigl: Roland war zusammen mit Christopher Zwickler, dem Produzenten, der erste Mensch, der zusammen mit mir an diesem Projekt gearbeitet hat. Roland hat es uns ermöglicht, überhaupt in die Vorbereitung und die Entwicklung des Projektes zu gehen. Weil wir ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach gute Autoren brauchten, der Film sollte auf Englisch sein, wir wollten mit dem Casting anfangen. Und das hat eigentlich alles Roland angeschoben und zum Beispiel auch die Kontakte zu der Casterin hergestellt und die ganze Entwicklung finanziert. Aber er war sehr behutsam in seinen Ratschlägen. Wenn er Hinweise gegeben hat, dann auf sehr sanfte Art und Weise. Mit seinem amerikanisch-international geprägten Auge war er dann auch ein guter Gradmesser im Schnitt. Er war dann auch zweimal in Deutschland, um sich verschiedene Fassungen von dem Film anzuschauen.
FILMSTARTS: Also kann man wirklich sagen, dass Roland Emmerich bei dem Projekt die ganze Zeit präsent war?
Florian Sigl: Roland war von Anfang an und bis zum Schluss dabei. Hat jede Menge Feedback gegeben und das, obwohl er zwischenzeitig ja auch „Moonfall“ gemacht hat. Damit habe ich auch nicht gerechnet, denn gerade diese Funktion des ausführenden Produzenten bei mittelgroßen amerikanischen Filmen kann man sich ja teilweise auch einkaufen. Wenn man ihnen Geld bezahlt, kann man dann eben mit dem Namen werben. Aber hier war das ganz anders.
FILMSTARTS: Was ist denn deine größte Angst bei dem Film, wenn er jetzt veröffentlicht wird. Welches Echo der Kritik oder des Publikums würde dich am meisten verletzen?
Florian Sigl: Wenn gesagt wird, dass der Film überhaupt nicht unterhält. Denn neben dem Ansinnen, Mozarts Musik einem breiteren und jüngeren Publikum näherzubringen, ist es mein Hauptanliegen, die Menschen zu unterhalten. Ich würde es schade finden, wenn die Menschen aus dem Kino gehen und sagen, da war überhaupt nichts für mich dabei. Aber da wird es wahrscheinlich auch welche geben.
FILMSTARTS: Was bedeutet es eigentlich ausführender Produzent zu sein?
Roland Emmerich: Das ändert sich je nach Film. Bei vielen Filmen gibt es eine endlose Liste an ausführenden Produzenten. In diesem Fall habe ich mich aber um das Projekt gekümmert, am Drehbuch mitgearbeitet und auch einen zusätzlichen Drehbuchautoren vorgeschlagen. Wegen Covid konnte ich selbst nicht beim Dreh dabei sein. Aber dann habe ich mich sehr für den Schnitt interessiert und da auch einige Dinge beigetragen. Für mich war es ja völlig neu, was ich da gesehen habe, da fallen einem natürlich andere Sachen auf als den Filmemachern. Die Klarheit war noch nicht ganz da und dann haben wir zum Beispiel auch eine neue Eröffnungssequenz gedreht.
FILMSTARTS: Waren Sie auch mitverantwortlich für die Schauspielwahl und die Wahl von Florian Sigl als Regisseur?
Roland Emmerich: Ja, ich habe mich damals mit ihm unterhalten und er ist einfach ein cleverer Junge. Und dann habe ich mich eigentlich relativ rausgehalten, denn der Hauptdarsteller Jack Wolfe war mehr oder weniger der einzige Schauspieler, den man sich für die Rolle vorstellen konnte.
FILMSTARTS: Auf Florian Sigl sind Sie vermutlich durch seine Werbespots aufmerksam geworden?
Roland Emmerich: Ja, ich habe mir alles angeguckt.
FILMSTARTS: Was hat Sie denn grundsätzlich an dem Projekt begeistert? Sind sie auch selbst großer Opernfan?
Roland Emmerich: Eigentlich überhaupt nicht. Aber ich liebe Mozarts „Zauberflöte“. Es war die erste Oper, die ich jemals gesehen habe. Mit 15 oder so. Das ging damals in der Schule los, dass man gefragt wurde, wer sich eine Oper anschauen möchte und da haben halt sehr wenige Leute die Hand gehoben. Ich war eigentlich der Einzige. Dann habe ich mir die Oper angeschaut und war völlig begeistert.
FILMSTARTS: Der Film könnte ja jetzt einen ähnlichen Effekt bringen und ein jüngeres Publikum an die Welt der klassischen Musik heranführen.
Roland Emmerich: Das hoffen wir natürlich, sonst hätten wir den Film nicht gemacht (lacht). Das wird sich jetzt an den Zuschauerzahlen zeigen und daran, wie lange er im Kino läuft. Gerade beim Family-Entertainment sind die Wochenenden natürlich immer wichtig. Wir hoffen alle, dass sich der Film gut rumspricht und lange läuft.
FILMSTARTS: Könnten Sie sich auch persönlich vorstellen, einen Film zu drehen, der einen thematischen Bezug zur klassischen Musik hat? „Die Zauberflöte“ beweist ja nun, dass auch bildgewaltiges Effektkino in solch einem Fall nicht ausgeschlossen ist.
Roland Emmerich: Ich drehe jetzt als nächstes eine Serie für Peacock. Das ist mehr so Sportgeschäft im alten Rom. Die Serie heißt „Those About To Die“ und da bin ich jetzt erst einmal die nächsten ein bis zwei Jahre beschäftigt.
FILMSTARTS: Wann beginnen dort die Dreharbeiten?
Roland Emmerich: Wir fangen im März mit allem an.
FILMSTARTS: Wie würden Sie jemandem „Die Zauberflöte“ schmackhaft machen, der rein gar nichts mit klassischer Musik anfangen kann?
Roland Emmerich: Ich würde ihm die Emotionalität der Geschichte näherbringen und von dem Jungen erzählen, der seinen Vater verloren hat und sich daraufhin auf ein fantastisches Abenteuer begibt.