Die sinnstiftende Qualität eines Kunstwerkes muss nicht unbedingt begriffen und im Einzelnen benannt werden, um zu wirken; nein, es reicht, dass sie rein als Schönheit des Werkes empfunden und dadurch bedeutend wird.
Wieder einmal sah ich "Rashomon" von Kurusawa, ein Werk, das auch bei häufigem Anschauen immer neu vielschichtig bedeutend erscheint. Dabei ist es nicht vorbildlich im Sinne einer moralischen Instanz, wobei die Figuren der Erzählung vorrangig und ausgesprochen ethische Fragen behandeln, sondern die Schönheit des Werkes ergibt sich aus seiner fein gearbeiteten Gestalt. Die Mittel seines Genres, des Filmes, wurden klug und mit Bedacht gewählt.
Man nehme als Beispiel die hohe filmkompositorische Qualität der Eingangsszene.
Die zwei zuerst gezeigten Figuren kommen mittels kurzer Szenen, bei denen die Kamera immer näher an die Schauspieler heranrückt - so dass diese Figuren erst beim dritten Einstellungswechsel erkannt werden können - ins Bild.
Zuerst wird nur der Ort des Geschehens, aus einem sehr hohen Blickwinkel aufgenommen, gezeigt: ein Überblick wird gegeben.
Schnitt.
Dann näher heran an den Ort: das verfallene Stadttor im Regen.
Schnitt.
Das Tor, an dessen Eingang zwei Menschen Schutz vor dem Regen gesucht haben, klein aber in der Ruine geborgen. Schnitt.
Noch näher ist die Kamera an die beiden herangefahren.
Schnitt.
Nun ihre Gesichter. Nachdenkliche, grüblerische, betrübte Gesichter. Ärmliche Gestalten. Zerlumpte Kleidung. Sie beginnen zu sprechen. Langsam, stockend.
Das alles in Schwarzweiß. Dazu nur das Geräusch des fallenden Regens.