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    Super/Man: The Christopher Reeve Story
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Super/Man: The Christopher Reeve Story

    Der wahre Held steckt nicht im Kostüm

    Von Sidney Schering

    Er ließ Millionen von Menschen glauben, dass Superman wirklich fliegen kann – und setzte somit neue Maßstäbe für Comic-Verfilmungen. Doch so gut es Christopher Reeve verstand, die Trickeffekte um ihn herum überzeugend zu verkaufen, er selbst war ebenfalls ein wandelnder Effekt: Wechselt er in einer Szene aus Richard Donners „Superman“ doch fließend von Clark Kents schluffig-duckmäuserischem Wesen zu Supermans heroisch-stolzer Identität und zurück. So vermittelte Reeve glaubhaft, dass in ein und demselben Körper völlig unterschiedliche und dennoch verbundene Persönlichkeiten stecken können.

    Die Sequenz ist ein Paradebeispiel dafür, dass Superheldenfilme auch von schauspielerischen Leistungen massiv profitieren können. Aber nicht nur deshalb wird sie in „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ ausführlich behandelt. Stattdessen steht sie zugleich auch symbolisch für das facettenreiche Leben und Wirken Reeves: Die hochemotionale Dokumentation der „Alexander McQueen“-Regisseure Ian Bonhôte und Peter Ettedgui behandelt die Comicfilm-Ikone, den liebevollen Ehemann und Vater, den vergnügungssüchtigen Jetsetter sowie den abseits seiner DC-Rolle oftmals erfolglosen Schauspieler. Und natürlich den Mann, der nach einem Reitunfall lange und hart kämpfte, um zu lernen, mit einer Querschnittslähmung umzugehen – als Privatmensch, Prominenter und Aktivist.

    Warner Bros.
    Nach einem Reitunfall wurde Christopher Reeve zu einem der weltweit bekanntesten Aktivisten für mit Behinderungen lebenden Menschen.

    „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ erzählt die Geschichte(n) seines Protagonisten nicht chronologisch, sondern springt über weite Teile der Laufzeit einer emotional-assoziativen Logik folgend durch Reeves Biografie. Auf bislang selten gezeigter Heimvideo-Aufnahmen des frisch aus dem Krankenhaus entlassenden, immer noch mit seinem Schicksal hadernden Reeves folgen Einblicke in seine Karriereanfänge. Oder Interview-Ausschnitte, die seine unterkühlte Beziehung zu seinem Vater belegen, für den Blockbuster wie „Superman“ stets einen Verrat an der Kunst darstellten. Aus solchen Passagen entwickeln sich kleine thematische Exkurse über Karriereerfolge, schwierige Dreharbeiten oder Reeves Beziehungsglück zu Gae Exton, der Mutter seiner ersten beiden Kinder.

    Dabei wissen wir zu diesem Zeitpunkt längst, dass es zum Beziehungsbruch kommen muss, bevor Reeve seine spätere Frau Dana kennenlernen wird. Derartige Risse in Reeves Image als liebender Lebensgefährte und Vater, darunter auch eine Anekdote, dass er einen spontanen Ski-Urlaub unternahm, statt für sein Neugeborenes da zu sein, werden jedoch konsequent aufgewogen. Etwa durch introspektive Archivfundstücke, in denen Reeve erklärt, wie sehr die mies verlaufene Ehe seiner Eltern bei ihm Ängste schürte und ihm so ungewollt als schlechtes Vorbild diente. Oder durch liebevolle Interviewaussagen seiner Kinder, die ihm trotz einiger denkbar schlechter Entscheidungen attestieren, für Zusammenhalt und Liebe in seiner Patchworkfamilie gesorgt zu haben.

    Fiktion und Wirklichkeit verschmelzen auf faszinierende Weise

    Auch die Präsentation der Doku verstärkt solche Ambivalenzen: Neben Archiv-Interviews sowie neu geführten Gesprächen mit Reeves Familie und Stars, die mit ihm befreundet waren, gibt es immer wieder auch Ausschnitte aus seinen Filmen sowie seiner Hörbuch-Autobiografie. Die Zusammenführung dieser Quellen ist dem Cutter Otto Burnham brillant gelungen: Immer wieder gehen zeitlich auch weit auseinander liegende Momente oder dokumentarische und fiktionale Ausschnitte so fließend ineinander über, dass es schwer wird, Zeitebenen, Spiel und Wirklichkeit auseinanderzuhalten. Etwa, wenn auf Nachrichtenclips über Reeves Krankentransport Ausschnitte aus seinem „Das Fenster zum Hof“-Remake folgen, die im ersten Moment eher wie Privataufnahmen von ihm im Krankenbett erscheinen.

    Zwar wird auf langer Sicht stets für Klarheit gesorgt, trotzdem passt dieses Verwirrspiel hervorragend zum zentralen Thema der Doku: So kristallisiert sich heraus, wie schwer es Reeves Fans und teils auch ihm und seinem Umfeld fiel, zwischen dem Star und der Privatperson zu trennen. Ein früh und prägnant in „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ eingesetzter O-Ton gibt dem Chaos aus Fakt, Fiktion und Zeiten weitere thematische Relevanz: Als Reeve nach seinem Reitunfall erstmals wieder zu sich kam, habe er nach eigener Aussage zunächst nur ein nicht chronologisches Kuddelmuddel aus realen Erinnerungen und seinen Filmrollen vor Augen flirren sehen.

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    Wie in der Realität verschmilzt auch in der Dokumentation der Mensch Christopher Reeve mit seiner bekanntesten Filmrolle als Superman.

    „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ stellt daraufhin quasi den Versuch dar, im Namen des 2004 verstorbenen Superstars Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Konsequenterweise findet die Doku im letzten Drittel sukzessive wieder in eine chronologisch geordnete Spur, ähnlich wie Reeve mit den Jahren lernte, sich nach seinem Unfall neu zu orientieren. So kristallisiert sich ein klareres Bild Reeves heraus, ohne dass dabei die Mehrdimensionalität verloren geht, die dieses Doku-Porträt bis dahin ausmachte. Beispielsweise wird Reeves unermüdlicher Aktivismus für Heilung von Querschnittslähmungen ausführlich aus einer inspirierenden Perspektive angeschnitten, aber es werden ebenso kritische Stimmen über einen reißerischen bis geschmacklosen Werbespot Reeves laut.

    Außerdem kommt die dieses Jahr verstorbene, mit Reeve befreundete Neurowissenschaftlerin und Politikerin Brooke Ellison zu Wort, die prägnant zusammenfasst, weshalb Heilungsversprechen unter Querschnittsgelähmten schwer umstritten sind. Lichte Momente kommen in der Doku trotzdem nicht zu kurz. Das ist etwa einem abstrus-aufwändigen, rührend-pointierten Besuch der Oscars zu verdanken – sowie vor allem Archivfundstücken rund um Reeves enge Freundschaft zu Robin Williams, der seinen nahezu unermüdlich-wilden Humor einsetzte, um den „Superman“-Darsteller aufzuheitern. Insgesamt überwiegen rührende private Momente sowie tröstlich-inspirierende Interviewaussagen und Film-Fundstücke. Allem Informationswert zum Trotz machen gerade diese Sequenzen „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ zu einem der emotionalsten und berührendsten Filme des Kinojahres.

    Fazit: Mehr als nur ein ehrfürchtiges Denkmal über den Mann, der das Superheldenkino in neue Sphären schweben ließ: „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ ist eine hochemotionale, einfühlsam und mehrdimensional erzählte Dokumentation darüber, welche Einflüsse eine öffentliche Person formen – und wie Menschen zu positiven Einflüssen heranwachsen können, allen Rückschlägen oder etwaigen Makeln zum Trotz.

    Wir haben „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ im Rahmen des Filmfest Hamburg gesehen, wo der Film seine Deutschlandpremiere gefeiert hat.

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