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    The Apprentice - The Trump Story
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Apprentice - The Trump Story

    Der Mann, der Donald Trump gemacht hat

    Von Christoph Petersen

    Aktuell läuft in New York der Prozess gegen Donald Trump, in dem sich der Ex-Präsident wegen der missbräuchlichen Verbuchung einer Schweigegeldzahlung an die ehemalige Porno-Darstellerin Stormy Daniels verantworten muss. Der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft ist der einstige Trump-Vertraute Michael Cohen. Aber warum will der Anwalt unbedingt gegen seinen früheren Klienten aussagen? Ganz einfach: Trump hat ihn nach seiner Wahl im Jahr 2017 fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel! Dabei galt es eigentlich als ausgemachte Sache, dass Cohen eine wichtige Rolle in der neuen Administration zufallen sollte. Der wahrscheinliche Grund für Trumps Rückzieher: Der frisch gekürte US-Präsident wollte unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, dass außer ihm selbst auch noch irgendjemand anderes für seinen Sieg verantwortlich sein könnte. Nun wiederholt sich Geschichte ja bekanntlich …

    … und tatsächlich ist 40 Jahre zuvor schon einmal etwas ganz Ähnliches passiert, was „Holy Spider“-Regisseur Ali Abbasi in seiner zwar nicht offensichtlich satirischen, aber trotzdem ziemlich unterhaltsamen Biografie „The Apprentice“ aufarbeitet: Der junge Donald Trump (MCU-Winter-Soldier Sebastian Stan) zieht zu Beginn der Siebzigerjahre von Wohnungstür zu Wohnungstür, um die Mieten in den Sozialbauten seines Vaters Fred Trump (Martin Donovan) einzutreiben. Allerdings steht das Unternehmen durch eine Klage wegen rassistischer Vermietungspraktiken kurz vor dem Untergang. Deshalb wendet sich Donald an Roy Cohn (Jeremy Strong) – und tatsächlich schafft es der wegen seiner rabiaten Methoden berüchtigte Anwalt, die Klage mithilfe einiger kompromittierender Fotos aus der Welt zu räumen. In der Folge wird Donald zu einem engen Vertrauten von Cohn – und lernt von ihm, wie man als ruchloses Arschloch Erfolg haben kann!

    Mehr als ein Vierteljahrhundert, bevor er auf NBC die Reality-Show „The Apprentice“ moderierte, ging Donald Trump (Sebastian Stan) selbst als eine Art Apprentice bei Roy Cohn (Jeremy Strong) in die Lehre. Scythia Films
    Mehr als ein Vierteljahrhundert, bevor er auf NBC die Reality-Show „The Apprentice“ moderierte, ging Donald Trump (Sebastian Stan) selbst als eine Art Apprentice bei Roy Cohn (Jeremy Strong) in die Lehre.

    Zu Beginn erinnert „The Apprentice“ fast ein wenig an eine in edlen 16mm-Bildern gedrehte Variante der Michael-J.-Fox-Komödie „Das Geheimnis meines Erfolges“. Wie sich der Milchbubi Donald Trump, der als einziger in der Runde seiner Geschäftspartner keinen Alkohol trinkt, mit seinen naiv-größenwahnsinnigen Visionen zwischen hartgesottenen Anwälten und humorlosen Mafiapaten behauptet, erinnert tatsächlich an den Helden in einem Hollywoodfilm. Ähnliches gilt für seine ersten Baggerversuche bei dem tschechischen Model Ivana („Borat 2“-Shootingstar Maria Bakalova), nur dass er bei der Lieferung einer Wagenladung Rosen darauf achtet, dass das Preisschild noch dran ist. Es gibt zwar immer wieder einzelne Formulierungen, die einem mit dem heutigen Wissen einen eiskalten Schauer verpassen, aber im Großen und Ganzen wirkt Trump zu Beginn noch regelrecht sympathisch.

    Vielleicht lag es an diesem Auftakt, dass der milliardenschwere Trump-Fan Dan Snyder tatsächlich Geld in den Film investiert hat. Erst als er eine frühe Schnittfassung zu Gesicht bekam, wurde ihm klar, dass sein Buddy längst nicht so gut wegkommt wie gedacht – und so sollte mit Unterlassungsaufforderungen die öffentliche Aufführung des Films noch auf den letzten Metern verhindert werden. Aber dazu ist es zum Glück nicht gekommen. Stattdessen wird Trump, der ab 2004 als Moderator der Reality-TV-Show „The Apprentice“ endgültig zum medialen Superstar aufstieg, im Film selbst zum Apprentice, und zwar von Roy Cohn. Zunächst lernt er dessen drei goldenen Regeln, die Trump in seinem Bestseller „The Art Of The Deal“ später als seine eigenen ausgeben wird: 1. Attacke, Attacke, Attacke! 2. Nichts zugeben, alles bestreiten. 3. Sich selbst immer und überall zum Sieger erklären.

    Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los

    „The Apprentice“ ist ein ziemlich witziger Film – und das nicht etwa, weil Ali Abbasi auf satirische Überhöhungen oder das übliche Trump-Bashing setzen würde. Stattdessen gibt es im Leben von Donald Trump einfach so viele absurde Anekdoten, dass man offenbar einfach nur ein paar davon aneinanderreihen muss, um zwei Stunden lang richtig gut zu unterhalten. Etwa die, als er auf einer Party vollkommen planlos den zufällig anwesenden Andy Warhol fragt, was er denn so machen würde?

    Frei nach den gerufenen Geistern aus Goethes „Der Zauberlehrling“ verschieben sich die Machtverhältnisse allerdings mit der Zeit: Trump ist on top – und der inzwischen an AIDS erkranke Cohn muss um ihn um Gefallen anbetteln (die ihm natürlich nicht gewährt werden, Trump verlangte offensichtlich schon damals unbedingte Loyalität, ohne je selbst loyal zu sein). Das ist dann auch der Punkt, an dem endgültig klar wird, dass die Stars Sebastian Stan („A Different Man“) und Jeremy Strong („Succession“) nicht einfach nur gut ihre realen Vorbilder imitieren, sondern sich ihre Rollen tatsächlich ganz zu eigen machen.

    Was würde Trump von diesem Film halten?

    Dass Donald Trump in „The Apprentice“ als mieser Geschäftspartner, mieser Freund, mieser Liebhaber, mieser Ehemann, mieser Vater und mieser Sohn mit Potenzproblemen, Fettabsaugungen, Diätpillensucht und wegoperierten Kahlstellen porträtiert wird, dürfte dem realen Trump mit Sicherheit am Arsch vorbeigehen.

    Aber dass der Film die These vertritt, dass Donald Trump im Endeffekt nur die mutierte und außer Kontrolle geratene Schöpfung seines ehemaligen Mentors Roy Cohn ist, das dürfte ihm doch mächtig gegen den Strich gehen. Schließlich hat schon die bloße Möglichkeit einer solchen Wahrnehmung, dass der „geborene Sieger“ vielleicht doch nicht nur zu 100 Prozent das Ergebnis seiner eigenen genetischen Schöpfung ist, auch schon Michael Cohen seinen sicher geglaubten Job im Weißen Haus gekostet.

    Fazit: Die Geschichte vom Aufstieg eines Immobilienmoguls, der zu nah an der Sonne flog und sich trotzdem nicht verbrannte. „The Apprentice“ ist ein grandios gespieltes, im 16mm-Retro-Look gedrehtes (Business-)Drama, bei dem es einem mit heutigem Wissen immer wieder kalt den Rücken herunterläuft. Trotzdem kann man dem Film – genau wie dem realen Trump – seinen immensen Unterhaltungswert ebenfalls kaum absprechen.

    Wir haben „The Apprentice“ beim Cannes Filmfestival 2024 gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

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