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    Motel Destino
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Motel Destino

    Ein schwitziger Fiebertraum in Neonfarben

    Von Ulf Lepelmeier

    Nach seinem im 16. Jahrhundert angesiedelten, eher kühl bebilderten Historienfilm „Firebrand“ mit Alicia Vikander kehrt der brasilianische Regisseur Karim Aïnouz für seinen zweiten Cannes-Wettbewerbsbeitrag zurück in seine südamerikanische Heimat. Im titelgebenden Stundenhotel „Motel Destino“ im Norden Brasilien lässt Aïnouz einen jungen Mann in dem von tropischer Lust und Hitze erfüllten Ort stranden, wo er von dem Inhaberehepaar belauert und umkreist wird. Visuell ambitioniert und mit Spannungsspitzen versehen, ist der von Aïnouz selbst als „Tropical Neo-Noir“ bezeichnete, in knalligen Neonfarben präsentierte Film allerdings zu wenig an seiner eigentlichen Sex-and-Crime-Story interessiert. Statt die Spannungsschraube anzuziehen, lässt „Motel Destino“ seine Figuren zu lange unentschlossen in der schwülen Vorhölle des Stundenhotels ausharren.

    Heraldo (Iago Xavier) lebt an der Küste Nordbrasiliens und verdient sein Geld als Handlager für die lokale Drogenbaronin Bambina (Fabuona Liper). Allerdings würde er viel lieber als Mechaniker arbeiten. Zuvor soll er aber noch einen letzten Auftrag zusammen mit seinem Bruder erledigen und einen Kontrahenten der Chefin aus dem Weg räumen. Am Abend vor dem geplanten Mordanschlag schleppt der 21-Jährige eine Frau ab, mit der er im Motel Destino landet. Allerdings bleibt es nicht bei dem erhofften Schäferstündchen. Stattdessen wird Heraldo betäubt und ausgeraubt. So verschläft er auch seinen Einsatz – und kann nur noch mit ansehen, wie der Leichnam seines Bruders am vereinbarten Ort abtransportiert wird. Nun wird er von der wütenden Bambina und der Polizei gesucht und fühlt sich zugleich auch noch schuldig. Das Motel Destino wird notgedrungen zu einem Unterschlupf, in dem er fortan für den neurotischen Inhaber Elias (Fábio Assunção) und dessen Frau Dayana (Nataly Rocha) Handlangerdienste verrichtet…

    „Motel Destino“ liefert genau die Farben, die man sich von einem tropischen Neo-Noir erhofft. Piffl Medien
    „Motel Destino“ liefert genau die Farben, die man sich von einem tropischen Neo-Noir erhofft.

    Kamerafrau Hélène Louvart („Glücklich wie Lazzaro“), die schon mehrfach mit Karim Aïnouz zusammenarbeitete, schöpft mit ihrem satten Farbkonzept aus dem Vollen und kontrastiert die düstere, kammerspielartige Welt der verschwitzen Körper mit einem Dekor der kräftigen, wechselnden Farben. Vor diesem entspinnt sich dann ein von Dominanz, Verlangen und Eifersucht getriebenes Beziehungsdreieck, das sich an „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ anlehnt. Regisseur Aïnouz kreiert eine sonderbare Stimmung für das ewig von Gestöhne erfüllte Hotel, in dem menschliche Lustschreie den Soundtrack bilden und wo die Langeweile nur von der anstehenden Reinigung der Räume durchbrochen wird.

    So wird das nachts in grellen Farben erstrahlende Motel zu einem Ort des Abwartens, in dem selbst sexuelle Laute irgendwann ihre Besonderheit verlieren. Der voyeuristische Aspekt des mit Kameras und Überwachungsklappen versehenen Motels ist durchaus spannend und wird zwischendurch zwischendrin auch storytechnisch relevant, hätte aber ruhig auch visuell noch eine größere Rolle einnehmen können.

    Im Streit um Dayana spitzt sich die Situation zwischen Heraldo (Iago Xavier) und Elias (Fábio Assunção) immer weiter zu. Piffl Medien
    Im Streit um Dayana spitzt sich die Situation zwischen Heraldo (Iago Xavier) und Elias (Fábio Assunção) immer weiter zu.

    Iago Xavier wirkt als Hauptdarsteller ohne Erfahrung überfordert und versteht es nicht wirklich, die Dämonen seiner Figur zu transportieren. Als körperbetonter, etwas naiv-verlorener Spielball der ihn begehrenden Manipulatoren wirkt sein etwas unbeholfenes Spiel aber gar nicht so unpassend. Für die bösen Vorahnungen und inneren Ängste des Protagonisten, dessen Schulter ein Dämonen-Tattoo ziert, stehen sinnbildlich auch die von Bambina erstellten grotesken Gemälde, die in den Räumen des Motels hängen. Kopulierende Esel im Vorhof und in das Motel eindringende Tiere wie eine riesige Schlange, die im Whirlpool einer der Suiten auftaucht, weisen zudem wenig dezent auf das Animalische der menschlichen Triebe hin.

    Die durchtriebene Dayana, die unter ihrem tyrannischen Mann zu leiden hat, wird in ihrer Undurchsichtigkeit von Nataly Rocha ansprechend verkörpert. Ob sie für den plötzlich im Motel auftauchenden jungen Heraldo wirklich etwas empfindet oder nur ihren Spaß mit ihm haben und ihn gegen Elias ausspielen will, bleibt dabei im Unklaren. Fábio Assunção („From Beginning To End“) vermag seine ganze Erfahrung auszuspielen und hinterlässt so den stärksten Eindruck des Dreiergespanns. Er versieht den schnell aufbrausenden Elias mit einer niederträchtigen Aura, die einem nachdrücklich bewusst macht, dass man sich diesen Mann nicht zu seinem Feind machen sollte. Selbst bei freudig-losgelösten Situationen im Motel können sich Dayana und Heraldo niemals sicher sein, dass Elias diese nicht kurzerhand kippen lässt.

    Fazit: Regisseur Karim Aïnouz mixt flirrende Farben, eine stöhnende Soundkulisse sowie dämonische Zeichen und böse Vorahnungen in seinem erotischen Thriller „Motel Destino“ zu einem kräftig kolorierten, schwitzigen Fiebertraum von einem Film zusammen. Dabei interessiert er sich mehr für die eigenwillige Stimmung in dem lusterfüllten, abgeschirmten Motel als für die dramatische Geschichte des sich nach einem unabhängigen Leben sehnenden Protagonisten.

    Wir haben „Motel Destino“ beim Filmfest München 2024 gesehen, wo er in der Sektion „Wettbewerb CineCoPro“ gezeigt wurde.

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