Mehr Tourismus-Werbung als Action-Hit
Von Sidney Schering2013 drehte „Das fünfte Element“-Regisseur Luc Besson einen Teil seines Sci-Fi-Action-Blockbusters „Lucy“ in Taipeh. Im Anschluss zeigte sich Besson voll des Lobes, sowohl für die fotogenen Qualitäten der taiwanesischen Hauptstadt als auch für die örtlichen Behörden, die den Dreh tatkräftig unterstützt hätten. Der Franzose gab damals sogar medial das Versprechen ab, für ein anderes Projekt in die 2,6-Millionen-Metropole zurückzukehren. Bis zur Einlösung dieses Versprechens sollte allerdings ein Jahrzehnt vergehen.
Denn erst als eine ursprünglich mit Hongkong im Sinn entwickelte Besson-Produktion in Finanzierungsschwierigkeiten geriet, verlagerte er die Handlung nach Taipeh, als die örtliche Regierung sowie die ansässige Filmkommission ihre Unterstützung zusicherten. Insofern dürfte es nicht überraschen, dass Regisseur George Huang seinen von ihm und Besson verfassten Actioner „Weekend In Taipei“ mit einer Reiselust weckenden Vorspann-Montage eröffnet. Der daran anschließende Film ist jedoch so uninspiriert, dass jeglicher eventuell entstandene Reisedrang wieder erlischt, bevor der Abspann zu rollen beginnt...
Der taiwanesische Großunternehmer Kwang (Sung Kang) gerät ins Visier der Justiz: Sein Konzern soll gegen Fischereigesetze verstoßen haben. Kwang gibt sich in Presseinterviews allerdings siegesgewiss – zweifelsohne, weil er weite Teile der Polizei in der Tasche hat. Allerdings hat er die Rechnung dabei ohne seinen Stiefsohn Raymond (Wyatt Young) gemacht: Der Teenager ist Öko-Aktivist und verachtet seinen Stiefvater aufgrund der grausigen Ökobilanz von Kwang Industries. Inzwischen hat er sogar Kontakt zu einem amerikanischen Agenten hergestellt, um Kwangs Machenschaften zu stoppen.
Was Raymond jedoch nicht weiß: Kwangs die Meere verseuchendes, Delfine abschlachtendes Fischereiunternehmen ist bloß die Spitze des Eisberges. Den Großteil seines Reichtums und seiner Macht hat Kwang durch ein globales Drogenimperium angehäuft. Der verbissene DEA-Agent John Lawlor (Luke Evans) versucht seit Jahren, es zu Fall zu bringen – und dank Raymonds Mithilfe könnte es ihm nun endlich gelingen. Allerdings droht Johns nicht genehmigte Taipeh-Mission, auch das Leben von Raymonds Mutter auf den Kopf zu stellen. Denn die stilbewusste und autovernarrte Joey (Gwei Lun-Mei) hat ein folgenschweres Geheimnis...
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Während „Unter Haien in Hollywood“-Regisseur Huang und „Dogman“-Kameramann Colin Wandersman einen konstanten, gelackten Hochglanzlook verfolgen, mangelt es „Weekend In Taipei“ an tonaler Konsistenz. Das deutet sich bereits in der Einführungssequenz der weiblichen Hauptfigur an: Vom ikonischen Filmsong „Moon River“ begleitet, bestaunt „Der See der wilden Gänse“-Star Gwei Lun-Mei im Audrey-Hepburn-Look das Schaufenster eines Autohauses. Dort fordert sie mit kühl-hochnäsiger Bestimmtheit, einen Ferrari zu inspizieren – was wohl lustig sein soll. Aber so ganz ohne Pointe bleibt allein der Eindruck, dass sich Huang ohne Not an einen viel besseren Film klammert.
Ähnliches geschieht im großen Finale, wenn eine lange Verfolgungsjagd letztlich in einen Faustkampf in einem Kino mündet, in dem Zhang Yimous moderner Martial-Arts-Klassiker „House Of Flying Daggers“ läuft. Dazwischen stellt sich Huang beispielsweise selbst ein Bein, indem er eine ausführliche Küchenprügelei durch die Wahl der Musikuntermalung in zwei dramaturgische Hälften teilt: Zuerst wird Johns Klopperei mit einer Horde an rangniedrigen Mitgliedern von Kwangs Drogenimperium verkrampft-ironisch mit Johnny Cashs „Ring Of Fire“ unterlegt. Dann wechselt die Klangtapete abrupt, und es ertönt ein überbetont dramatischer Action-Score des Komponisten Matteo Locasciulli.
Die Ironie des Ganzen: Beide Stücke schaden dem dynamisch choreografierten und von Evans sowie dem Stunt-Team behände umgesetzten Kampf. Der mischt nämlich vereinzelte, schmerzhafte Gewaltspitzen und cartoonesk übertriebenen Slapstick zu einer kernig-schmissigen Rangelei, die es sich in einer Grauzone zwischen amüsant und fesselnd bequem macht. Und in der verharrt sie auch die gesamte Zeit – bloß, dass sie durch die Musikuntermalung erst zu lustig, dann ohne jeglichen Anlass für diesen Wechsel zu ernst kommentiert wird.
Der irritierenden Musikuntermalung zum Trotz ist die feurig-albern-brachiale Küchenschlacht, mit der Luke Evans’ Figur eingeführt wird, bereits das Action-Highlight des Films. Nachdem John entgegen der Empfehlung seiner Vorgesetzten nach Taipeh geflogen ist, gibt es noch eine kurze Schießerei sowie Messerstecherei in einem Hotelzimmer, die mit rau-rasanter Nahkampf-Action erstaunt, aber auch ein Ende findet, ehe sie richtig auf Touren gekommen ist. Der Rest der sparsam über den Film verteilten Action-Einlagen ist nicht weiter der Rede wert. Und im Fall einer als Rückblende erzählten Verfolgungsjagd sogar geradewegs ärgerlich, da auf all das Motorengejaule direkt die Auflösung folgt, dass die Rückblende ohnehin keinerlei Aussagekraft hat.
Der Drang, selbst winzige Lücken in den Vorgeschichten der Figuren durch ausführliche Rückblenden zu erörtern, bremst „Weekend In Taipei“ mindestens so sehr aus, wie Huangs ungelenke Gangwechsel, wann immer er von geradliniger Action ins komödiantische Fach poltert: Huang und Besson unterbrechen in ihrem Drehbuch mehrmals die in der Gegenwart angesiedelte Handlung mit der Schilderung von Ereignissen, die sich 15 Jahre zuvor abspielten. Entgegen der alten Filmregel „Zeige es und sag es nicht“ erweisen sich die Einblicke, was John, Joey und Kwang einst so getrieben haben, allerdings als schleppende Einschübe, die lang und breit klischeehafte Hintergründe aufzeigen, die sich durch einen Dialog-Nebensatz viel effektiver hätten abhaken lassen.
Dass der in der „Fast & Furious“-Reihe zum ständig snackenden Publikumsliebling herangereifte Sung Kang als machtgieriger Drogenbaron erschütternd blass bleibt, und zwischen den narrativ als Seelenverwandte behandelten John und Joey keinerlei Funken sprühen, kommt erschwerend hinzu. Für sich betrachtet machen Luke Evans als grummelig-zielstrebiger DEA-Agent und Gwei Lun-Mei als Bleifuß-Fanatikerin aber dank ihrer Leinwandpräsenz allen Klischees zum Trotz eine solide Figur. Auch ihr Zusammenspiel mit Jungschauspieler Wyatt Young als ebenso cleverer wie bockiger Raymond ist sympathisch – auch wenn (oder gerade weil) beim ständigen Gerede von Zusammenhalt und Familiensinn mehrmals Erinnerungen an die besagte „Fast & Furious“-Reihe wach werden. Dennoch bleibt dieser Taipeh-Abstecher auch hinter einem „Tokyo Drift“ zurück.
Fazit: Der Vorspann von „Weekend In Taipei“ verführt vielleicht dazu, mal die Preise für einen Flug nach Taiwan zu checken. Doch der gelackte Hochglanzlook kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese tonal fahrige Luc-Besson-Produktion ihrem eigenen Action-Anspruch nicht gerecht wird.