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    Problemista
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Problemista

    Tilda Swinton stiehlt mal wieder allen die Show

    Von Jörg Brandes

    Extrem wandelbar und absolut furchtlos bei der Verkörperung selbst der exzentrischsten Charaktere: Tilda Swinton ist ein wahres Chamäleon ihrer Zunft. Kein Wunder, dass die androgyn wirkende Aktrice auch mal als Mann durchgeht. Etwa als Titelheld in Sally Potters „Orlando“. Ihre Liste auffallender Rollen ist lang. Kein Wunder, dass ausgerechnet der Skurrilitäts-Papst Wes Anderson sie in Werken wie „Moonrise Kingdom“, „Grand Budapest Hotel“ und „Asteroid City“ immer wieder besetzt. Gern darf sich dabei auch die Abteilung „Hairstyling“ an der britischen Schauspielerin kreativ austoben:

    Zum Beispiel in „Die Chroniken von Narnia“, wo sich auf ihrer opulenten Frisur als Weißer Hexe gar noch ein Krönchen aus Eiszapfen türmt. Es geht aber auch ganz ohne Haare – wie als The Ancient One in Marvels „Doctor Strange“. In „Problemista“ ist die Oscarpreisträgerin nun wieder mit einer ziemlich wilden Haarpracht am Start, die schon wegen ihrer Magenta-artigen Färbung ins Auge sticht. Swintons Auftritte als chaotisch-cholerische Kunstkritikerin sind dann auch die Highlights von Julio Torres’ ansonsten allerdings nicht durchwegs überzeugender Komödie voll surrealistisch-satirischer Seitenhiebe auf die Kunstwelt und die US-Einwanderungsbestimmungen.

    Tilda Swinton fügt einen weiteren auffälligen Look zu ihrer Frisurensammlung hinzu. Universal Pictures
    Tilda Swinton fügt einen weiteren auffälligen Look zu ihrer Frisurensammlung hinzu.

    Seine als Künstlerin tätige Mutter Dolores (Catalina Saavedra) hat alles getan, um ihrem Sohn Alejandro (Logan Alarcon-Poucel) eine schöne und fantasievolle Kindheit zu bereiten. Als jungen Mann (jetzt gespielt Regisseur Julio Torres) zieht es Alejandro jedoch aus seiner Heimat El Salvador in die USA. Dort will er Spielzeugentwickler werden. Aber nicht bei irgendeinem Unternehmen, sondern bei Hasbro. Doch statt seine teils ganz schön seltsamen Spielzeugdesign-Ideen umsetzen zu können, jobbt er in einem New Yorker Kryo-Unternehmen, bei dem man sich einfrieren lassen kann, um in einer hoffentlich besseren Zukunft wieder aufgetaut zu werden.

    So hat es sich auch der krebskranke Maler Bobby (RZA) gewünscht, dessen Einfrierprozess Alejandro überwachen soll. Weil er dabei einen Moment nicht aufpasst, wird er gefeuert, obwohl das kleine Malheur ohne Folgen bleibt. Alejandro braucht nun allerdings einen neuen Sponsor, sonst wird er bereits in einem Monat ausgewiesen. Und da kommt Bobbys Frau Elizabeth (Tilda Swinton) ins Spiel: Die ehemalige Kunstkritikerin will eine Verkaufsausstellung mit den Eierporträts ihres Gatten organisieren – und engagiert Alejandro als Assistenten. Sollte das Unternehmen von Erfolg gekrönt sein, will sie ihn bei seinem Problem mit den Behörden unterstützen…

    Ein sehr persönlicher Film

    Für sein Kinodebüt hat sich der Julio Torres, der hier als Regisseur, Autor, Hauptdarsteller und Co-Produzent in Personalunion fungiert, bei seiner eigenen Biografie bedient: Auch er stammt aus El Salvador, hat eine Künstlerin als Mutter und ist mit kreativen Ambitionen in die USA gekommen. Hier schrieb er schließlich Gags für „Saturday Night Live“ und kreierte mit der spanischsprachigen Horror-Sitcom „Los Espookys“ seine eigene HBO-Serie.

    Auch „Problemista“ mutet ein wenig wie eine Folge von Sketchen an, die nur locker von einem roten Faden zusammengehalten werden. Die Komödie steckt zwar voller skurriler, auch surrealer Ideen, nimmt den Kunstbetrieb und die teils absurden und widersprüchlichen Regelungen des US-Einwanderungssystems aufs Korn. Doch die Gags mit ihrem Offbeat-Humor zünden längst nicht alle. Mitunter tritt der Film auch auf der Stelle.

    „Problemista“ driftet immer wieder auch in surreale Gefilde ab. Universal Pictures
    „Problemista“ driftet immer wieder auch in surreale Gefilde ab.

    Was dagegen zuverlässig zündet, sind die schrillen Auftritte von Tilda Swinton, die die Möglichkeiten ihrer Rolle in dieser Hinsicht voll ausschöpft: Ihre wildbemähnte Elizabeth redet in Schnellfeuergewehr-Manier, treibt ihre Sache rigoros voran und kämpft ebenso vehement wie lange vergebens darum, unterschiedliche Datenbanken zu synchronisieren, in denen Bobbys Werke verzeichnet sind. In ihr hat Don Quichotte seine Donna gefunden. Und wehe, es läuft nicht wie gewünscht. Elizabeth legt sich gern mit jedem und jeder an. In den Rückblenden mit ihrem Mann darf sie aber auch mal eine andere Seite zeigen. Das verhindert, dass ihre Figur zur Nervensäge wird.

    Einer schauspielerischen Naturgewalt wie Tilda Swinton als Elizabeth muss man als Gegenpart erstmal etwas entgegensetzen können. Julio Torres macht das Beste draus – und spielt den Möchtegern-Spielzeugentwickler extrem zurückgenommen. Sein Alejandro quittiert die Wutausbrüche und Eskapaden seiner Chefin meist mit unbewegter Miene. Die beiden bilden ein Paar, wie es gegensätzlicher kaum sein könnte. Sowas hat ja schon in vielen Filmen funktioniert. Und es funktioniert auch hier.

    Fazit: „Problemista“ laviert zwischen Kunstbusiness-Satire und ironischer Darstellung des US-Immigrationssystems, ist dabei mehr lose Sketchparade als stringenter Film. Von größerem Unterhaltungswert als so mancher Gag sind die exaltierten Auftritte von Tilda Swinton, die mit ihrem jüngeren Filmpartner Julio Torres zudem ein schönes Gegensatz-Paar bildet.

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