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    Die Unschärferelation der Liebe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Unschärferelation der Liebe

    Schon auf der Theaterbühne ein Hit!

    Von Jörg Brandes

    Mit der nach ihm benannten Unschärferelation formulierte der spätere Nobelpreisträger Werner Heisenberg 1927 ein wichtiges wissenschaftliches Prinzip. Es besagt im Wesentlichen, dass sich zwei komplementäre physikalische Größen nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bestimmen lassen. Zum Beispiel der Aufenthaltsort und der Impuls eines Teilchens. Die Messung eines der beiden Parameter beeinflusst unweigerlich den anderen. Aber keine Angst: „Die Unschärferelation der Liebe“ von „Keine Lieder über Liebe“-Regisseur Lars Kraume erfordert keinerlei quantenphysikalische Vorkenntnisse. Was die titelgebende Unschärferelation betrifft, ließe sich allenfalls sagen, dass in der Liebe auch vieles unbestimmbar ist.

    Von der Story lässt sich das allerding nicht behaupten, schließlich basiert sie auf dem 2015 uraufgeführten Theaterstück „Heisenberg“ von Simon Stephens. Auch das Hauptdarsteller*innen-Duo Caroline Peters und Burghart Klaußner ist bereits ein eingespieltes Team: Sie traten im zugrundeliegenden Stück schon gemeinsam am Düsseldorfer Staatstheater auf. Für den Film schlüpften sie noch einmal in ihre Rollen – und glänzen als ungleiches Paar, das sich einander langsam annähert. Ansonsten finden sich in „Die Unschärferelation der Liebe“ die üblichen Vor- und Nachteile einer Bühnenstückverfilmung, die weniger auf Bilder als auf Dialoge setzt.

    Nach dem plötzlichen Kuss in den Nacken lässt sich Greta (Caroline Peters) einfach nicht mehr abschütteln.

    Alexander (Burghart Klaußner) ist ziemlich erschrocken, als ihn Greta (Caroline Peters) an einer Bushaltestelle unvermittelt in den Nacken küsst. Zur Rede gestellt, geht sie erstmal in die Offensive, statt sich zu entschuldigen. Als Grund für den Vorfall führt sie an, sie hätte plötzlich ihren verstorbenen Mann vor sich gesehen.

    Damit ist für Alexander der Fall eigentlich erledigt. Aber die Küssende, die sich als Kellnerin ausgibt, lässt sich nicht so einfach abschütteln. Sie folgt Alexander noch eine ganze Weile, redet ohne Unterlass, kitzelt auch noch ein paar Infos aus ihm heraus – und steht anderntags überraschend in seinem Metzgerladen. Lässt sie sich tatsächlich einfach nur treiben oder verfolgt sie womöglich einen Plan?

    Hackfleisch ohne Fleisch

    Lars Kraume hat sich zuletzt in Filmen wie „Der Staat gegen Fritz Bauer“, „Das schweigende Klassenzimmer“ oder „Der vermessene Mensch“ mit eher schwierigen politisch-historischen Themen auseinandergesetzt. Vielleicht wollte er sich da mal einen etwas „leichteren“ Stoff und eine weniger aufwendige Produktion gönnen. Schließlich konnte er hier auf einen ganzen Fundus bereits gut geschriebener Dialoge zurückgreifen. Zudem ist der Cast sehr übersichtlich.

    Außer den beiden Hauptakteur*innen hat nur Carmen-Maja Antoni eine kleine Sprechrolle: als Kundin im Laden von Alexander, die nach Hackfleisch ohne Fleisch verlangt. Dem Regisseur oblag es also vor allem, die Geschichte aus der Theaterkulisse zu holen. Gedreht wurde an verschiedenen Schauplätzen in Berlin und ¬– laut Presseheft ohne Drehgenehmigung – in New York, wohin die Story nach einem überraschenden Twist gen Ende führt.

    Nach einem überraschenden Twist geht es für das ungleiche Paar ab in den Big Apple!

    Großartige Bilder sollte man dennoch nicht erwarten. Die Stärken des Films sind klar die trefflichen Dialoge und das Darsteller*innen-Duo im Zentrum: Von den beiden hatte die bereits zweimal als „Theaterschauspielerin des Jahres“ ausgezeichnete und in der beliebten TV-Serie „Mord mit Aussicht“ als Sophie Haas ermittelnde Caroline Peters eindeutig den meisten Text zu lernen. Ihre Greta sabbelt sich mitunter regelrecht die Seele aus dem Leib und nimmt es mit der Wahrheit dabei nicht immer ganz genau, um sich so in einem interessanteren Licht darzustellen. Natürlich: Die Frau kann ganz schön nerven. Oder könnte sie zumindest, wenn Peters hinter der aufgekratzten Fassade nicht immer auch eine berührende Einsamkeit durchscheinen lassen würde.

    Alexander ist auf eine andere Weise einsam. Burgard Klaußner, der für Kraume schon als Titelheld in „Der Staat gegen Fritz Bauer“ sowie als DDR-Volksbildungsminister in „Das schweigende Klassenzimmer“ aufgetreten ist, gibt mehr den Typ „wortkarger Einzelgänger“. Fleischerladen hin oder her, eigentlich ist Alexander ein verkappter Intellektueller. Einige Schicksalsschläge haben ihn zu einem verschlossenen Mann gemacht. Offen ist er nur, was Musik angeht. Da konsumiert er allesmögliche, am liebsten mit Kopfhörern. Wahrscheinlich braucht er jemanden wie Greta, um wieder aus sich herauszukommen und sich für Neues zu öffnen. Und so ergänzen sich Peters und Klaußner prima als ungleiches Paar, indem sie ihren Figuren Glaubwürdigkeit verleihen und deren Zusammengehen tatsächlich möglich erscheinen lassen – trotz des beträchtlichen Altersunterschieds.

    Fazit: Die Verfilmung des Bühnenstücks von Simon Stephens lebt vor allem von vielsagenden Dialogen und dem charmanten Zusammenspiel zweier Schauspielgrößen, schreit im selben Moment aber auch nicht unbedingt nach einer großen Leinwand.

     

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